Von Startgeldern zu Platzprämien?
Das Golden-League-Meeting in Zürich (Schweiz) geht einen neuen Weg. Preis- statt Startgelder ähnlich dem Tennis oder Pferdesport, Läufe ohne Tempomacher, das sind zwei der entscheidenden Eingriffe in das bisherige Konzept. Ob man diesem Trend folgt, ist in Deutschland zunächst noch nicht erkennbar. Die Meinungen gehen auseinander.
Ist der Kampf um Plätze und Prämien wie bei Meisterschaften auf dem Vormarsch? (Foto: Kiefner)
Hierzulande sind bei Meetings Startgelder an der Tagesordnung. Die Manager versuchen zumeist, ihre Schützlinge aufgrund ihrer Vita in den Feldern zu platzieren und das möglichst lukrativ. Den Athleten wird oft zusätzlich ein angemessener Bonus bei entsprechenden Leistungen garantiert.Uli Hobeck, Meeting-Direktor in Cottbus und Präsident der Vereinigung German Meetings, schätzt bei seinen Veranstaltungen das Verhältnis zwischen Start- und Preisgeldern auf etwa Fünfzig zu Fünfzig, findet die Idee, zunehmend primär nach Plätzen zu bezahlen, aber durchaus sympathisch: "Es wird gewöhnungsbedürftig sein, aber es ist ein Vorschlag, den man unterbreiten kann. Ich plädiere für Platzierungs- und weniger Startgelder."
Er weist allerdings auch darauf hin, dass gerade kleinere Meetings Aushängeschilder brauchen und deshalb wohl auch weiterhin Startgelder für aktuelle Medaillenträger bezahlt werden dürften und man nicht ganz davon abkommen kann.
Budget entscheidet
Ein solches Modell würde dann in etwa dem entsprechen, was bei leistungsorientierten Marathonläufen an der Tagesordnung ist. Dort gibt es satte Preisgelder für die vordersten Plätze, aber auch Startgelder für die Top-Athleten, um die am meisten gebuhlt wird. Nur mit einem feinen Unterschied: Beim Marathon sind nur zwei Hauptbewerbe, bei Meetings oft zwanzig Disziplinen, die besetzt werden müssen, im Programm.
Eine Differenzierung je nach Größe der Meeting-Veranstaltungen und der Budgets hält Alain Blondel für notwendig. Er stellt mit Blick auf die Ausschüttung durch den Weltverband IAAF bei einer Weltmeisterschaft, bei der man eben in ihrer ureigenen Form ohne Startgelder auskommt, oder einem Weltfinale fest: "Wenn das Prämiensystem hoch genug ist, braucht man nicht mehr zu diskutieren." Aber selbst in der Golden League würde es einzelne Athleten geben, die schon mehr verdient hätten, als die neue Prämienverteilung in Zürich hergibt. Damit könnte das dort geplante System in Einzelfällen an Grenzen stoßen.
Der Franzose selbst ist für die Felder bei den nahenden Hallen-Meetings in Stuttgart und Karlsruhe verantwortlich und bringt dort seine "persönliche Methode", die er über Jahre entwickelt hat und mit der er eine Konstanz in den Leistungsbildern erreichen will, zum Einsatz.
Eigene Interessen
Alain Blondel sieht zwar den Trend in Zürich, sagt aber: "Ob es eine gemeinsame Methode wird, muss die Zukunft zeigen. Man kann sich zwischen den Veranstaltern sicherlich zu 95 Prozent abstimmen und einigen, am Ende geht es aber um die Creme de la creme und die eigenen Interessen."
Marc Osenberg, der neben einigen Stabhochsprung-Meetings unter anderem das Indoor-Meeting in Düsseldorf (6. Februar) und das Bayer-Meeting in Leverkusen (10. August) organisiert und wie Alain Blondel auch Athleten betreut, ist vielleicht auch deshalb vorsichtig. Er kann sich nicht vorstellen, dass sich ein anderes Konzept als bisher in Deutschland wirklich etablieren wird.
"Das ist ein guter Ansatz und durchaus einen Versuch wert, aber in der Praxis denke ich nicht, dass es sich realisieren lässt", meint er skeptisch. In der Endkonsequenz wäre es für Marc Osenberg aber zumindest nicht ausgeschlossen, Wettkämpfe nach Platzierungsgeldern auszuloben, um so den Gesamtetat ohne Risiken kalkulieren zu können.
Tim Lobinger aufgeschlossen
Für die vielstartenden Athleten wie die Stabhochspringer könnte ein Preisgeldmodell bei ausgewählten Veranstaltungen durchaus Zukunft haben. Tim Lobinger (ASV Köln) begrüßt diese Idee: "Stabhochsprung ist in den letzten Jahren immer mehr zum Promotion-Event geworden. Die Leistung rückt teilweise schon in den Hintergrund." Der Sechs-Meter-Springer hat zwar in der Vergangenheit einen sehr großen Teil zu dieser Entwicklung beigetragen, kann sich aber durchaus vorstellen, auch bei Meetings zu starten, die primär nach Leistung und Platzierung bezahlen.
Auch für die Zuschauer der Leichtathletik könnte es ein Anreiz sein, häufiger Leichtathletik-Veranstaltungen zu besuchen. Denn vor allem Athleten, die bei einem Wettkampf alles geben und hart um die Plätze fighten, sind auch in der Lage, sich in die Herzen der Fans zu kämpfen.
Rolle der Tempomacher unklar
Ob Tempomacher damit dann über Zürich hinaus arbeitslos werden, ist ebenfalls eine Frage, bei der sich die Geister scheiden. Alain Blondel meint: "Die Lösung wurde da auch in den letzten Jahren nicht gefunden." Für ihn gehören aber Stoppuhr und Maßband zur Leichtathletik: "Ohne das kommt man nicht aus. Es ist ein Sport, der mit Leistung und Zahlen zu tun hat." Gute Pacemaker garantieren nun einmal schnelle Rennen.
Dass für gewisse Leistungen die Voraussetzungen geschaffen werden müssen und das nicht nur bei einer Rekordjagd, unterstreicht Uli Hobeck: "Auch wenn es um Normen geht, muss man eine entsprechende Gruppe von Athleten in einem Feld zusammenbauen." Mit der klassischen Form der Tempomacher geht er aber kritisch um: "Sie haben die Leichtathletik nicht vorangebracht."
Die Erfahrungen in Zürich werden und müssen nun zeigen, ob die dort geplanten Neuerungen einen Trend setzen, dem andere Veranstalter folgen, so dass am Ende eine Struktur ähnlich dem Tennis das Ergebnis ist. Ein Weg dorthin ist aber im Moment nicht erkennbar.