Waldemar Cierpinski - „Beharrlich arbeiten“
Die Marathon-Saison ist voll im Gange. Waldemar Cierpinski weiß wovon er spricht, wenn es um das Thema Marathon geht. 1976 und 1980 gewann er bei den Olympischen Spielen über die 42,195 Kilometer. Auch heute noch ist der 59-Jährige der Laufszene nah verbunden.
Herr Cierpinski, 1976 und 1980 waren Sie Marathon-Olympiasieger. Wie oft schnüren Sie heute noch die Laufschuhe?Waldemar Cierpinski:
Zwei- bis dreimal gehe ich in der Woche noch laufen. Daneben spiele ich zweimal Fußball und begleite einige unserer Nationalmannschaftsläufer bei ihrem Training auf dem Fahrrad.
Könnten Sie sich heute noch einmal vorstellen, selbst Marathon zu laufen?
Waldemar Cierpinski:
Ich bin ein sehr leidenschaftlicher Fußballspieler und dabei entwickelt man andere Fähigkeiten als die, die für eine Ausdauersportart gefordert werden. Außerdem werde ich dieses Jahr 60 Jahre alt – Marathon bin ich genug gelaufen.
Sie betreuen unter anderen Ihren Sohn Falk Cierpinski und auch Tobias Sauter und Martin Beckmann, die alle im vergangenen Jahr an der WM teilgenommen haben. Was können Sie den Läufern mit auf den Weg geben?
Waldemar Cierpinski:
Entscheidend ist vor allem das Bewusstsein, dass man viel trainieren muss, um ein entsprechendes Niveau für international konkurrenzfähige Leistungen zu bekommen. Das bedarf der Arbeit mehrerer Jahre und kommt nicht von heute auf morgen. Man darf nicht aufgeben und muss beharrlich weiterarbeiten.
Was ja nicht nur für Leistungssportler, sondern auch für Hobbyläufer gilt…
Waldemar Cierpinski:
Das stimmt. Die Willens-Stoßkraft ist bei vielen sehr ausgeprägt, die Willens-Ausdauerfähigkeit muss hingegen oft entwickelt werden. Vor allem harte Arbeit und nicht kleine i-Tüpfelchen wie ein Energieriegel führen einen ans Ziel.
Durch die Betreuung einiger deutscher Top-Läufer sind Sie der Lauf-Szene noch sehr verbunden. Wie beurteilen Sie die Situation im Spitzenbereich derzeit?
Waldemar Cierpinski:
In den vergangenen Jahren hatten wir ein großes Loch. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Aber wir wollen uns nach vorne orientieren. Ich denke, die Mutlosigkeit, die durch die Übermacht der Afrikaner in den vergangenen Jahren teilweise aufgekommen ist, ist nicht berechtigt. Wir haben noch immer viele gut ausgebildete Jugendliche. Diese müssen wir zusammenführen und eine Kerngruppe aufbauen. Dann entsteht auch ein Gruppengefüge, das weitere Leistungsentwicklungen fördern kann.
In Mainz werden die Deutschen Marathon-Meisterschaften ausgetragen. Sie haben in der DDR selbst zweimal einen nationalen Titel im Marathonlauf gewonnen. Wie wichtig waren Ihnen solche Siege?
Waldemar Cierpinski:
Erfolge sind wichtig - auch bei Deutschen Meisterschaften. Solche Kurzzeitziele geben Motivation. Aber Top-Läufer wollen noch mehr. Deswegen sollen sie sich über solche Zwischenstationen Motivation holen und sich dann weiter nach vorne orientieren und hart für das nächste Ziel arbeiten.
Marathon ist heute auch eine Massenbewegung. Was macht die Faszination Marathon aus?
Waldemar Cierpinski:
Der Marathon ist ein Mythos und eine riesige Herausforderung. Einen Marathon zu schaffen, ist etwas anderes als 100 Meter zu laufen. Diese Lebenserfahrung führt oft auch zu wesentlichen Veränderungen im Alltag. Wenn man einen Marathon geschafft hat, bleiben für einen Moment die inneren Uhren stehen. Man empfindet ein Glücksgefühl, viele fangen dann sogar vor Freude an zu weinen.
Dieser „Mythos Marathon“ wird in Mainz auch mit einem Festakt „2.500 Jahre Marathon“ gefeiert. Wie finden Sie diese Idee?
Waldemar Cierpinski:
Ich war positiv überrascht, dass in Mainz so etwas Tolles gemacht wird. Auf jeden Fall eine sehr gute Idee!
Novo Nordisk Gutenberg Marathon in Mainz