Warum Laufen so gesund ist
Sind wir wirklich zu fett und zu faul? Die Diskussion über die Gesundheit der Deutschen nimmt an Fahrt zu. Aktuelle Zahlen belegen in der Tat: Wer läuft, verhindert Krankheiten.
„Gesund laufen“ titelte das Magazin Stern. Das Laufen, die alte, neu entdeckte Wunderwaffe, soll unsere scheinbar degenerierte Gesellschaft retten. Aber können geschätzte 17 Millionen Jogger die immensen Krankheitskosten senken? Diese überehrgeizigen Läufer, die ihren Körper bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit treiben?Sie kennen sicher auch einen Marathonläufer, der nach seinem 42,195 Kilometer langen Kampf am Tag danach humpelnd zur Arbeit erschienen ist. Das soll gesund sein? Eine Frage, die viele Menschen in diesen Tagen bewegt. Die negativen Meldungen der vergangenen Jahren von Marathon-Läufen, bei denen Menschen auf der Strecke starben, heizten die Gesundheitsdiskussion zusätzlich an. Dabei geht es aber weniger darum, ob wir laufen, Rad fahren oder schwimmen. Nur eines müssen wir - und zwar mehr als bisher: Sport treiben.
Ernährungs- und Bewegungsverhalten verbessern
Das Thema Gesundheit ist aber vor allem „in“, weil zu viele Menschen krank sind. Das hat nicht nur die Bundesregierung erkannt, die bis 2020 das Ernährungs- und Bewegungsverhalten nachhaltig verbessern, die Zunahme von Übergewicht bei Kindern stoppen und die Verbreitung von Übergewicht verringern möchte. Damit reagierten die Minister Ulla Schmidt (Gesundheit) und Horst Seehofer (Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz) auf die wirklichen Krankmacher unserer Zeit: die Zivilisationskrankheiten. Zwar etwas spät, aber immerhin.
Schon seit Längerem läuft die Kampagne „Bewegung und Gesundheit“ des Bundesministeriums für Gesundheit. Auch hier ist Prävention der Leitgedanke. Auch die Industrie hat gesunde Bewegung längst als beherrschendes Thema erkannt. Sie möchte sich vermehrt eine neue Zielgruppe erschließen: den Gesundheitssportler.
Zivilisationskrankheiten
Noch gibt es von Sportlern dieser Art aber viel zu wenige. Seitdem wir wissen, dass unser Problem nicht mehr die Krankheiten sind, die durch Infektionen übertragen werden, sondern Krankheiten, deren Entstehung wir selbst maßgeblich beeinflussen, hat sich unser Verhalten noch nicht wesentlich geändert. So bleiben die so genannten Zivilisationskrankheiten unser eigentliches Problem.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nennt in ihrem großen Gesundheitsbericht 2006 sieben Risikofaktoren, die von den Lebensgewohnheiten jedes Einzelnen beeinflusst werden: Bewegungsmangel, Übergewicht, hohe Cholesterinwerte, geringer Verzehr von Obst und Gemüse, Bluthochdruck und Tabak- und Alkoholkonsum sind demnach in Europa für rund 60 Prozent der Krankheitslast verantwortlich. Mit anderen Worten: Würden die Menschen diese Risikofaktoren ausschalten, gäbe es deutlich weniger Kranke - und wesentlich geringere Krankheitskosten. Doch leider ist Prävention hierzulande immer noch ein Fremdwort.
Koronare Erkrankungen können vermieden werden
Wer läuft, muss sich um das Thema Bewegungsmangel nicht mehr kümmern. In der Regel ernähren sich Sportler zudem auch gesünder als unsportliche Menschen. Eine aktuelle Studie (Circulation 2006) an über 40.000 Männern und Frauen hat gezeigt, dass über 60 Prozent der koronaren Erkrankungen, die im Beobachtungszeitraum von 16 Jahren gefunden wurden, durch einen gesünderen Lebensstil vermeidbar gewesen wären.
Ein Problem bleibt, dass auch solche Zahlen die Betroffenen nur selten wachrütteln. Noch fristen präventive, also vorsorgende Maßnahmen wie sie beispielsweise von der DAK angeboten werden - und dazu gehört auch die Gesundheitsaufklärung - ein stiefmütterliches Dasein. Gesundheitsförderung und Prävention haben bislang nur einen mageren Anteil von 4,5 Prozent an allen öffentlichen und privaten Gesundheitsausgaben.
Wenn man ein Umdenken hin zur Vorsorge erreichen möchte, muss sich dieses Verhältnis deutlich ändern. „Das Gros unserer Gelder investieren wir in Reparaturmedizin“, sagt Prof. Dr. med. Friedrich Wilhelm Schwartz von der Medizinischen Hochschule Hannover.
18 Milliarden Mehrkosten
Vor allem der Bewegungsmangel wurde bislang verkannt. Prof. Dr. med. Friedrich Wilhelm Schwartz, in Hannover Direktor am Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, verweist auf Zahlen, die in den USA erhoben wurden. Man rechnet damit, dass rund 250.000 Todesfälle pro Jahr dem Mangel an körperlicher Bewegung zuzurechnen sind - das wären 23 Prozent aller durch chronische Krankheiten bedingten Sterbefälle. „Die lebenslang berechneten Mehrkosten der Gesundheitsversorgung durch körperlich inaktive Personen liegen sogar noch höher als die durch Rauchen verursachten Kosten“, erklärt Prof. Dr. med. Friedrich Wilhelm Schwartz.
In der Schweiz hat man die Kosten ermittelt, die körperlich inaktive Menschen dem Gesundheitssystem zusätzlich bescheren. Auf 1,3 Milliarden US-Dollar beziffern unsere Nachbarn die Folge ihrer eigenen Bequemlichkeit. Auf dieser Basis haben Experten die Mehrkosten für Deutschland hochgerechnet. Das Ergebnis: stolze 18 Milliarden US-Dollar (umgerechnet ca. 13,7 Milliarden Euro), die am Ende alle Bundesbürger schultern müssen.
Bewegungsmangel und Übergewicht sind oft eng verschmolzen
Nicht selten hängen Bewegungsmangel und Übergewicht eng zusammen. Natürlich muss das nicht so sein. Wer aber erst einmal an Übergewicht leidet, kommt ohne regelmäßige Bewegung kaum wieder von seinen Pfunden runter. Dieser Zusammenhang ist unbestritten. Von Übergewicht spricht man bei einem Body-Mass-Index (BMI), der größer als 25 ist.
Dass Menschen, die deutlich zuviel Fett auf den Rippen haben, gefährdet sind, zeigen die folgenden Untersuchungsergebnisse: Bei jedem Anstieg des Körpergewichts um 10 Prozent erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer koronaren Herzkrankheit um 20 Prozent. Frauen, deren BMI über 30 liegt, haben ein um das 30-fache vergrößertes Risiko, am Typ-2-Diabetes zu erkranken. Das Schlaganfall-Risiko erhöht sich ebenfalls um ein Vielfaches.
Zu wenig Obst, zu wenig Gemüse
Wir Deutschen essen aber nicht nur zu viel, wir ernähren uns vor allem falsch. Zu wenig Obst, zu wenig Gemüse, zu viel Zucker und zu viel Fett nehmen wir tagtäglich zu uns. Nicht schuldlos daran ist neben der eigenen Unkenntnis auch die Lebensmittelindustrie, die Gerichte auftischt, die alles andere als gesund sind.
Im Rahmen der ETH-Zürich-Studie untersuchten Wissenschaftler 120 Lebensmittel, darunter vor allem Fast Food, Schokoriegel oder Eiscreme. Mehr als einem Drittel dieser Produkte waren viel zu hohe Mengen an Transfettsäuren zugesetzt. Schon täglich vier bis fünf Gramm dieser gehärteten Pflanzenfette erhöhen das Risiko, an Herzkreislauf-Leiden zu erkranken, beträchtlich.
Eine andere Zahl sollte uns zusätzlich wachrütteln. Laut dem amtlichen Gesundheitsbericht der Bundesregierung schlagen ernährungsbedingte Krankheiten mit 75 Millarden Euro jährlich zu Buche. Damit führt diese Gattung der Zivilisationskrankheiten die Liste der Kostenträger in unserem Gesundheitssystem an. Demnach kosten Kreislauferkrankungen in Deutschland jährlich „nur“ 45 Milliarden Euro, Skelett- und Muskelerkrankungen bringen es auf insgesamt 35 Milliarden Euro.
30 Minuten Sport pro Tag
Prof. med. Friedrich Wilhelm Schwartz ist überzeugt: „Regelmäßige Bewegung, körperliche Aktivität und gesunde Ernährung leisten einen wesentlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung von Gesundheit und Wohlbefinden.“ Das Robert-Koch-Institut hat mit Blick auf körperliche Aktivität Empfehlungen parat: Erwachsene sollten mindestens 30 Minuten am Tag aktiv sein, am besten an allen Tagen der Woche. Das Minimum seien zwei Stunden in der Woche, Kinder müssten sich deutlich mehr bewegen.
Eine Forderung, die nur wenige Deutsche erfüllen. Ab dem 30. Lebensjahr ist nicht einmal die Hälfte körperlich ausreichend aktiv. So heißt die Devise: Laufen ja – aber bitte nicht dabei verletzen! In den nächsten Wochen werden wir Ihnen sagen, wie Sie bestimmte Krankheiten mit Lauftraining gezielt vermeiden können.
Mehr zur Gesundheitsserie:
Teil 1: Starker Atem
Teil 2: Die Freiheit im Kopf
Teil 3: Bloß nicht ansetzen