Sebastian Hallmann glaubt an das deutsche Team
Im Training ist zu viel Gruppendynamik wenig hilfreich. Gerade elf Monate ist es her, dass Sebastian Hallmann diese Erfahrung machen musste. Statt einer Top-Form brachte er aus dem Trainingslager im Januar in Kenia, wo er unter anderem zusammen mit Dieter Baumann, Michael May und Mario Kröckert weilte, eher eine Schwäche mit. Er und andere hatten sich im Übereifer in den Keller trainiert.
Gut einpackt fährt Sebastian Hallmann zur Cross-EM nach Edinburgh (Foto: Klaue)
Der Glaube an die Gruppe ist Sebastian Hallmann trotzdem nicht abhanden gekommen. Zumal, wenn es um Wettkämpfe und die Möglichkeit geht, sich im Nationaldress gegenseitig zu puschen. "Unser Team ist nicht schlecht, wir sind gut vorbereitet", sagt der stärkste Deutsche des bisherigen Cross-Herbstes wenige Tage vor seinem Start bei der Cross-EM im schottischen Edinburgh und hofft vor allem auf ein gutes Abschneiden in der Mannschaftswertung. Sebastian Hallmann weiß aus Erfahrung: "Den Ausgang der Teamwertung kann man nur schwer vorhersagen." Und deshalb glaubt er auch an die Chance des deutschen Sextetts auf eine vordere Platzierung: "Die Militär-WM im Februar hat gezeigt, was alles möglich ist. Wären Mario Kröckert und Michael May damals nicht direkt nach dem Start gestürzt, hätten wir gewinnen können."
Gute Leistungen in Darmstadt und Tilburg
Sein Ziel für die EM-Einzelwertung mag der 3000- und 5000-Meter-Spezialist (Bestleistung: 7:50,75 min und 13:26:43 min) indes nicht verraten: "Vor drei Jahren in Malmö war ich 26. und damit nicht zufrieden", lässt er sich entlocken, ohne jedoch Weiteres auszuführen.
Der Herbst 2003 ist für den 26-Jährigen bislang nach Plan verlaufen. "Ich habe vom 1. August bis zum 1. September eine Pause eingelegt und dann mit allgemeinen Training begonnen. Seit 1. Oktober laufe ich wieder."
Und nicht langsam. In Darmstadt Mitte November gewann Sebastian Hallmann den bestbesetztesten deutschen Crosslauf. Zwei Wochen später im holländischen Tilburg wurde er bei internationaler Konkurrenz Sechster und war zugleich erneut auch bester Deutscher. Dabei hatte er sich doch zusammen mit seinem Vater und Trainer Burkhard Hallmann entschlossen, keine gezielte Cross-EM-Vorbereitung zu machen und nicht speziell auf die Teilnahme hinzuarbeiten.
Studienbeginn im Oktober
Deshalb ist in diesem Herbst noch ein weiterer Punkt anders. Sebastian Hallmann trainiert erstmals strikt nach den Vorgaben, die ihm bei regelmäßigen Leistungsdiagnostiken gemacht werden. "Das funktioniert bisher sehr gut. Ich bin noch nach keinem Tempotraining heimgefahren und habe gesagt, jetzt bin ich aber fertig'."
Seit Oktober studiert der vormalige Zeitsoldat Gartenbauwissenschaften im bayrischen Weihenstephan. Später möchte er Landschaftsarchitekt werden. Doch einen entsprechenden Studienplatz konnte er kurzfristig nicht bekommen, denn erst wenige Wochen vor dem Semesterbeginn erfuhr der Bayer, dass er nicht weiter zur Sportfördergruppe der Bundeswehr gehören wird.
Verletzungsserie seit Herbst 2000
Grund waren seine Leistungen in der Saison 2003. Die stellten auch ihn selbst nicht zufrieden, lassen sich aber erklären. Nach dem Jahr 2000, wo er nur um eine Sekunde den Olympiastartplatz über 5000 Meter verpasst hatte, wurde Hallmann von einer Serie von Verletzungen geplagt.
Nach der Entfernung von Weisheitszähnen im Herbst 2000 bekam der Läufer des LAC Quelle Fürth/München/Würzburg Rückenprobleme, die sich auf Beine und Hüfte auswirkten und lange nicht erklärt werden konnten. Bis ein Arzt im August 2001 auf den Zusammenhang mit den Weisheitszähnen kam. Durch deren Entfernung hatte sich Hallmanns Gebiss geöffnet. Das führte zu Muskelverspannungen im Nacken, die sich bis in Hüfte und Beine zogen. Erst eine Gebissschiene verschaffte Linderung.
2002 knackte der 1,84 Meter große zweimalige Deutsche 5000-Meter-Vizemeister dann die EM-Norm erst nach den kontinentalen Titelkämpfen bei einem Rennen im September in Berlin und zog sich im November einen Kapselriss zu. "Bei der Wiederaufnahme des Trainings habe ich anschließend so angefangen, als wären da keine zwei Wochen Pause gewesen."
Nicht zuletzt dieser Umstand führte dazu, dass Sebastian Hallmann aus dem Trainingslager im Januar diesen Jahres in Kenia nicht die gewünschte Top-Form mitbrachte. "Mein Körper war eigentlich das ganze Jahr down. Ich habe gekränkelt, was vorher noch nie da war." Beim vermeintlichen Jahreshöhepunkt, den Deutschen Meisterschaften in Ulm, schwächte ihn eine Mandelentzündung. Die WM fand ohne den Ismaninger statt.
Traum von Zürich im Regen
Das soll bei den Olympischen Spielen im nächsten Jahr nicht wieder der Fall sein. "Ich traue mir 13:15 Minuten zu." Vorerst würde es jedoch schon reichen, wenn er 13:21,50 Minuten packt. Denn bei dieser Zeit steht die Olympianorm. Knackt er die, steigen auch die Chancen, beim Golden League Meeting in Zürich starten zu können. Dort möchte Sebastian Hallmann unbedingt mal dabei sein: "Am liebsten bei strömendem Regen. Dann sieht man die vielen Leute nicht, hört sie aber."
Die Wahrscheinlichkeit, dass es bei einem vermeintlichen Hallmann-Start in Zürich regnen würde, ist aber wohl eher gering. Regen am Sonntag bei der Cross-EM ist dagegen durchaus möglich. Der Wettertrend für die Region Edinburgh geht derzeit in die Richtung.