Was macht eigentlich…? Alina Astafei
„Mama, Mama, der Sprecher hat gerade Astafei gesagt“, ruft der Junge seiner Mutter auf der Tribüne der Stutgarter Hanns-Martin-Schleyer-Halle zu. Alina Astafei, 1992 Olympia-Zweite im Hochsprung, hatte gerade einen 14 Jahre alten Meetingrekord von 2,03 Metern an die Kroatin Blanka Vlasic verloren. Alina Astafei jubelte mit hochgerissenen Armen über den tollen Sprung. Ein Bild mit Symbolcharakter.
„Ich bin immer gegen die Latte, aber nie gegen die Konkurrentinnen gesprungen“, verrät die heute 41-Jährige ihre sympathische Philosophie als einstige Höhenjägerin, die sie nach wie vor charakterisiert.Alina Astafei hat in 17 Jahren Leistungssport eine bewegte Karriere hinter sich. Für ihr Geburtsland Rumänien erlebte sie einen steilen Aufstieg als Junioren-Weltrekordlerin (1988; 2,00 m) und Hallen-Europameisterin (1989; 1,96 m). Doch dann brachte der politische Umsturz im Ceaucescu-Land die sportliche Karriere ins Wanken, als ihr Bruder bei einer Demonstration erschossen wurde. Alina Astafei wollte weg und kam nach Deutschland. „Bis heute ist die Sache nicht aufgeklärt“, sagt sie und man spürt, dass die Spuren dieses Ereignisses immer noch in ihr vorhanden sind.
Großer Wirbel
„Der Sport half mir bei der Bewältigung“, meint Alina Astafei, deren Akzent an die rumänische Herkunft erinnert. Der Wechsel verursachte großen Wirbel. Erst nach monatelangem Tauziehen gab das Nationale Olympische Komitee Rumäniens sein Aushängeschild frei.
Wohl beflügelt vom Startrecht für die Bundesrepublik Deutschland ab dem 1. Januar 1995 siegte sie in Stuttgart (2,03 m) und in Berlin mit ihrer absolut persönlichen Bestleistung (2,04 Meter), mit der sie bis heute auf Rang zwölf der ewigen Weltbestenliste geführt wird. Im Winter 1995 wurde sie Hallen-Weltmeisterin mit 2,01 Metern, im Sommer dann Vize-Weltmeisterin in Göteborg (Schweden). Bei ihrer zweiten Olympiateilnahme 1996 wurde sie Fünfte.
Nichts zu bereuen
„Ich habe meinen Weg nie bereut“, stellt Alina Astafei klar, „auch wenn ich keine Olympiamedaille mehr gewonnen habe, so habe ich meine Bestleistungen doch als Deutsche erzielt.“ Ihre Stärken waren die Hochsprung-Technik und die mentale Stärke. „Ich hatte außerdem viel Talent“, sagt sie zudem im Rückblick. Alina Astafei hatte nur zwei Trainer: in Rumänien Consantin Dimitrescu, in Mainz und Mannheim Dan Vladescu.
Alina Astafei hat viel gesehen durch den Sport. Sie war in Monaco, Stockholm, Oslo, Rom, New York, Japan, China und in Havanna. Es sei schon ein schönes Gefähl gewesen, im Hotelbett zu liegen und den Eiffelturm anschauen zu können. „Aber irgendwann möchte man etwas anderes machen“, nennte sie Gründe für eine Neuorientierung. Die Frage, was man noch erreichen kann, steht am Anfang eines neuen Lebenswegs genauso wie die Müdigkeit, aus dem Koffer zu leben.
Mutter von drei Kindern
Bei Alina Astafei half auch hier der Sport, denn in ihrer Mannheimer Trainingsgruppe lernte sie ihren Ehemann kennen. Wolfgang Kreißig, 2,34 Meter-Hochspringer und Richter, arbeitet im Stuttgarter Staatsministerium. Zwei Kinder kamen hinzu und Alina Astafei arbeitet inzwischen an der Stuttgarter Merz-Schule als Sportlehrerin. Die Trainertätigkeit beim VfB Stuttgart beendete sie jedoch. „Trainer zu sein ist bei drei Kindern wenig familienfreundlich“, nennt sie als Grund.
Alina Astafei ist bodenständig geworden. Der Bezug zum Sport ist noch da, zur Leichtathletik ist ein bisschen Abstand entstanden. Wenn in Sindelfingen, Ulm oder Karlsruhe Deutsche Meisterschaften sind, fährt sie hin.
Beim Pressedinner zum Jubiläums-Sparkassen-Cup in Stuttgart (5. Februar), plauderte Aina Astafei neben Nico Motchebon über (ihre) Leichtathletik-Geschichte. „Die Springerinnen sind größer und leichter geworden gegenüber meiner Zeit“, hat Alina Astafei festgestellt. Der Devise folgend: leichter springt höher.
Respekt vor Ariane Friedrich
Alina Astafei, die in den Neunziger Jahren gemeinsam mit der Leverkusener Olympiasiegerin Heike Henkel die nationale und internationale Szene des Frauen-Hochsprungs dominierte, freute sich über ein Wiedersehen mit ihrem früheren Manager Günter Eisinger und dessen Frankfurter Schützling Ariane Friedrich, die sie als ein tolles Team wahrnimmt.
„Ich habe vor Ariane großen Respekt“, sagt sie über die Nachfolgerin. „Ich bewundere ihre Frechheit im Wettkampf“, ruft sie ihr über die Tische zu, „Sie stellt sich im Wettkampf hin und sagt: ich bin die Beste“. Es sind wohl gewisse Gemeinsamkeiten der beiden erfolgreichen Hochspringerinnen.
„Der Sport hat viel Energie gekostet“, bilanziert Alian Astafei ihre Jahre im Hochleistungssport. Er habe aber auch viel gegeben: Selbstbewusstsein, Selbstdisziplin und viele schöne Erlebnisse. „Der Sport war eine Lehre fürs Leben“, sinniert sie und ergänzt noch etwas Bemerkenswertes. „Der Sport ist auf Dauer gerecht, jeder erhält seinen Preis und seine Anerkennung.“ Zumindest für die Erfolgreichen.