Was macht eigentlich…? Gerd Nagel
Es war der 9. Juni 1979, als beim Hochsprung-Meeting in Eberstadt gleich drei Springer den deutschen Rekord auf 2,30 Meter verbesserten. Dieser Wettkampf im Hochsprung-Mekka in der Eberfürst-Arena läutete die bisher erfolgreichste Ära im deutschen Männer-Hochsprung ein. Einer ,der diese Zeit mitgeprägt hat und damals zu den Rekordspringern gehörte, war Gerd Nagel.

Nachdem er in Schülerzeiten in seiner Heimatstadt Sulingen schon in einer Leichtathletik-Gruppe gewesen war, begann Gerd Nagel nach einer längeren Pause erst mit 16 Jahren im Internat im hessischen Bad Sooden-Allendorf wieder mit der Leichtathletik. Hochsprung oder Mittelstrecke - vor dieser Wahl stand er bei seiner Statur. Er entschied sich für den Hochsprung und sprang gleich auf Anhieb 1,80 Meter, ein Jahr später schon 2,00 Meter. Durch seine Schwester, eine Hürdensprinterin, die am gleichen Internat war, lernte er Günter Eisinger kennen, der das Potential des jungen Sportlers erkannte.
Angenehmes Klima beim adh
„Unkonventionell“ bezeichnet Gerd Nagel seinen langjährigen Trainer Günter Eisinger. „Gut ergänzt“ hat sich das Duo und die Erfolge beweisen das. 1978 der erste Sprung ins Rampenlicht bei einem Junioren-Länderkampf im schwäbischen Heidenheim. Außer Konkurrenz überquerte er 2,20 Meter. Ein paar Monate später im Februar 1979 die erste Hallen-EM in Wien (Österreich). Eigentlich hätte Michael Probst springen sollen, doch der war beruflich verhindert. Als Ersatzmann kam Gerd Nagel mit 2,24 Metern auf den vierten Platz. Es folgte im selben Jahr der Gewinn der Deutschen Meisterschaften, der Rekordsprung in Eberstadt und in Mexiko der Sieg bei den Studenten-Weltmeisterschaften.
„Das war immer eine nette Gruppe“, erzählt Gerd Nagel über die Erlebnisse mit den Sportlerinnen und Sportlern vom Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverband (adh). Zweimal gewann er noch Bronze in der Folgezeit bei Universiaden, 1981 und 1985. Medaillen sammelte der stets lockere Typ auch bei der EM 1982 (Bronze) oder ein Jahr später als Vize-Europameister unter dem Hallendach hinter Carlo Tränhardt. „In einem Kasten im Keller“ liegen die Erinnerungsstücke an eine erfolgreiche Karriere.
Kein Glück mit Olympischen Spielen
Olympische Spiele gehören allerdings zu den nicht erfolgreichen Kapiteln in seinem Sportlerleben. 1980 verpasste er durch den Boykott die Spiele in Moskau (Russland), vier Jahre später reiste er als Medaillenaspirant nach Los Angeles (USA). Doch im Training knickte er um und verletzte sich. Im Qualifikationswettkampf folgte das Aus. Den Olympiasieg holte sich Dietmar Mögenburg.
Vier Jahre später vor den Olympischen Spielen in Seoul (Südkorea) eine andere Situation: Trotz Verletzungsproblemen in der Saison führte Gerd Nagel die deutsche Bestenliste an, doch bei der Nominierung berücksichtigte man ihn nicht. Sein Trainer Günter Eisinger kämpfte für seinen Schützling, aber nichts half. Während die Olympia-Fahrer um Gold, Silber und Bronze kämpften, sprang Gerd Nagel am 7. August in Forbach 2,35 Meter (Freiluftbestleistung) und gab so seine Antwort.
„Leg die Latte auf 2,40!“
„Er war ein unheimlich fleißiger Athlet und ein menschlich ganz feiner Kerl“, beschreibt Günter Eisinger seinen „Lieblingsoldie“, den er so bezeichnet, weil es sein erster Athlet war, den er in die Weltklasse geführt hat. Mit einer Anekdote untermauert er den „feinen Kerl“.
Deutsche Hallen-Meisterschaften in Sindelfingen - Carlo Tränhardt und Dietmar Mögenburg haben die Halle verlassen, der eine zum Rauchen, der andere, um einen Kaffee zu trinken. In der Halle läuft der Hochsprung und schneller als die beiden denken, ist der einzig verbleibende Springer Gerd Nagel. 2,27 Meter hat er gepackt und Günter Eisinger plant einen Coup: „Leg die Latte auf 2,40 Meter“, schlägt er vor und stellt sich die erstaunten Gesichter von Carlo Tränhardt und Dietmar Mögenburg vor, wenn diese zurückkommen. Doch Gerd Nagel will bei solch einer Aktion nicht mitmachen, stattdessen lässt er 2,30 Meter auflegen. Dietmar Mögenburg scheitert zwar an dieser Höhe, doch Carlo Tränhardt packt sie und holt sich den Titel.
Revival in Eberstadt?
Heute lebt Gerd Nagel wieder in Sulingen. Nach Beendigung seiner Laufbahn 1990 hat seine Frau Uschi, mit der er vier Kinder hat, eine Stelle als Assistenzärztin in der kleinen Stadt im Landkreis Diepholz bekommen. Der gelernte Konditor Gerd Nagel übernahm zuerst das elterliche Cafe, merkte aber schnell, dass das „nicht das ist, was man sich vorstellt“. In einer leerstehenden Molkerei eröffnete der studierte Kommunikationswirt ein Fitnessstudio. „Man hat natürlich nicht diese Sicherheit, wie wenn man angestellt ist“, sagt Gerd Nagel, doch er schätzt seine Freiheiten. „Ich führe ein ganz nettes Leben.“
Eine Rückkehr an die Hochsprunganlage schließt er dennoch nicht aus. 1,90 Meter würde er sich ohne Training zutrauen. 2009 könnte er sich Rahmenprogramm von Eberstadt durchaus eine Neuauflage von 1979 vorstellen, gemeinsam mit Carlo Tränhardt und Dietmar Mögenburg. Möglich machen könnte das sein ehemaliger Trainer Günter Eisinger, der ist bekanntlich Athletenmanager in Eberstadt.