Was macht eigentlich…? Hans-Peter Ferner
Wer unter dem Namen Hans-Peter Ferner ein bisschen googelt, bekommt das Karriere-Highlight ziemlich am Anfang ausgeworfen. Als „goldener Abend für den DLV“ machte der 8. September 1982 die Runde. Es war ein Donnerstag, und um 18:22 Uhr stürmte im Athener Stadion ein Mann zum EM-Titel über 800 Meter, mit dem niemand gerechnet hatte.

EM 1982 in der griechischen Hauptstadt, Hans-Peter Ferner – im Musikbusiness würde man jetzt von einem One-Hit-Wonder sprechen. Weder vorher noch nachher ist dem bescheidenen Läufer ein ähnlicher Coup geglückt, und an der weitaus höheren Bekanntheit von Willi Wülbeck besteht auch kein Zweifel.
Sechsmal Deutscher Vizemeister
„Wiiiiiiilli“, der Mittelstreckler aus dem Kohlenpott, war zehnmal in Folge (west-)deutscher Meister über 800 Meter, von 1974 bis 1983. Und als Willi Wülbeck zurückgetreten war, schnappte sich Axel Harries den Titel (1984), drei Jahre später war Peter Braun erfolgreich. Und Hans-Peter Ferner? Er wurde insgesamt sechsmal Zweiter (1980 bis 1984, 1987).
„Das ist schon in Ordnung, dass Willi Wülbeck prominenter ist als ich“, sagt Hans-Peter Ferner. „Er hat die ganzen Titel und die besseren Zeiten.“ Der deutsche Rekord von 1:43,65 Minuten, gelaufen bei seinem WM-Triumph 1983, steht noch immer. Hans-Peter Ferners Lebensbestzeit stammt aus demselben Jahr (1:44,93 min).
Abstand zur Leichtathletik gefunden
Wer mit dem 51 Jahre alten Hans-Peter Ferner spricht, merkt schnell, dass hier jemand mittlerweile ganz gehörigen Abstand hat. Generell zum Sport, zur Leichtathletik und zum Lauf seines Lebens vor einem Vierteljahrhundert ohnehin. „Ich wollte ins Finale kommen, nachdem ich bei den Meetings vorher auch immer vorne dabei war.“ In Vor- und Zwischenlauf habe er „gespielt“ auf der Zielgeraden, und als es darauf ankam an jenem 8. September, spürte er auf den letzten 30 Metern unglaubliche Kraftreserven und ließ Weltrekordhalter Sebastian Coe (1:41,73 min) recht locker hinter sich.
Ein Sieg an einem ganz speziellen Tag, ein Rennen wie gemalt mit einer langsamen ersten und schnellen zweiten Runde. Das ist immer Hans-Peter Ferners Taktik gewesen. Etwa 80 Kilometer hat er seinerzeit trainiert, verteilt auf fünf Wochentage. „Ich betrieb den Sport zu meinen Bedingungen. Ich hätte nicht mehr trainieren können und wollen“, sagte er unlängst dem „Donaukurier“. Die Frage, ob mehr möglich gewesen wäre, erübrigt sich also.
Ein paar Fotos im Büro…
Und heute? Der Ingenieur Hans-Peter Ferner lebt mit seiner Familie in Altmannstein, arbeitet seit zwanzig Jahren bei der Audi AG, ist in der Systemplanung EDV-Entwicklung tätig. Nein, Trainer wollte er nie sein, und als der MTV Ingolstadt einst einen Organisator für sein Leichtathletik-Meeting suchte, hat er sich mehr oder weniger überreden lassen.
Heute geht Hans-Peter Ferner höchstens noch mit seinen Kindern laufen (Foto: Kiefner)
Und wenn er heute noch laufend unterwegs ist, dann mit seinen Kindern Mia (13), Hannes (11) und Kaja (9). Vielleicht wird das Golfspiel seine neue Leidenschaft. Den Abnabelungsprozess von der Leichtathletik beschleunigt hat auch „die Ausblendung der Golden-League-Sportfeste im Fernsehen“. Pay-TV ist seine Sache nicht. Immerhin hat Hans-Peter Ferner im Sommer beim Europacup in München „vorbei geschaut“, wie er sagt. Und in seinem Büro hängen ein paar Fotos aus seiner Zeit als 800-Meter-Läufer, das war es aber auch schon.Olympiaboykott eine „Riesenenttäuschung“
Ziemlich genau zehn Jahre dauerte seine Karriere, von 1977 bis 1987. Und was die Statistik neben dem EM-Titel noch auswirft, ist folgendes: Dritter bei der Universiade 1979, drei Deutsche Hallentitel über 800 Meter (1979, 1981, 1984), bei der EM 1978 schied er im Zwischenlauf aus, bei der WM 1983 wurde er Siebter (1:45,74 min), bei den Olympischen Spielen 1984 erreichte Hans-Peter Ferner das Halbfinale.
Womöglich hätte er auch bei den Spielen 1980 eine gute Rolle gespielt, aber wer weiß das schon? „Ich war schließlich bei den Meetings in Zürich und Brüssel vorne mit dabei.“ Doch dann kam der Olympiaboykott, für Hans-Peter Ferner eine „Riesenenttäuschung, weil diese Entscheidung keinen Sinn gemacht hat.“ Die Duelle mit Willi Wülbeck gingen weiter, und stets waren sie ein Veranstaltungshöhepunkt bei den Deutschen Meisterschaften. „Man kann’s nicht ändern“, sagt er. „Meistens fliegt halt irgendjemand auf der Zielgeraden an dir vorbei.“
Gutes Verhältnis zu Willi Wülbeck
Das Verhältnis zu Willi Wülbeck sei immer gut gewesen, und ist es noch immer. „Wann ist man Konkurrent?“, fragt Hans-Peter Ferner und gibt selbst die Antwort: „Doch nur im DM-Finale.“ Und ansonsten? „Wir haben uns unterstützt und gegenseitig aufgebaut.“
Andererseits scheint Willi Wülbeck auch gehörige Motivation aus dem 82er-Überraschungslauf seines deutschen Widersachers gezogen zu haben. „Er hörte nicht auf zu grübeln, als Hans-Peter Ferner Europameister wurde, in Athen 1982. Dieses Ereignis traf ihn im Kern, dort, wo sich Herz und Schmerz in trister Nachbarschaft eng verbunden fühlen“, schrieb der Leichtathletikkenner Robert Hartmann nach dem WM-Titel 1983 für Willi Wülbeck. Vielleicht war es so, vielleicht nicht. Hans-Peter Ferner weiß es nicht. Aber einen Deutschen Meistertitel im Freien über 800 Meter, wenigstens einen, „den hätte ich schon gerne gehabt“.