Was macht eigentlich...? Patriz Ilg
Wer am Wochenende (5./6. Juli) bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg ganz genau aufpasst, sollte sich nicht wundern, wenn er ein altbekanntes Gesicht entdeckt. Das einstige Hindernis-Ass Patriz Ilg hat sich angesagt zu den Titelkämpfen, schließlich ist sein Filius Manuel über 400 Meter gemeldet und der prominente Vater traut dem Nachwuchsläufer vom VfL Sindelfingen sogar den Einzug in das Finale zu.
„Mit viel Glück könnte es reichen“, meint er. Die Messlatte hoch zu legen, das passt zu Patriz Ilg. Nicht umsonst hat ihn der „Spiegel“ schon 1985, wie heute noch im Internet nachzulesen ist, als „Siegertyp aus dem Lehrbuch der Sportpsychologie“ beschrieben.Damals war der heute 50-Jährige ein Vorzeigesportler der deutschen Leichtathletik, ein Aushängeschild, den Europameistertitel 1982 und den Weltmeistertitel 1983 als seine größten Erfolge hatte er bereits in der Tasche, seine Bestzeit über 3.000 Meter Hindernis bei 8:15,09 Minuten fixiert. Damit ist er auf dieser Strecke immer noch der achtbeste deutsche Läufer aller Zeiten.
Völlig andere Welt
Gerade der Umstand, dass sein Sohn, dem er mit Rat und Tat zur Seite steht, nun auch auf einem höheren Niveau Leichtathletik betreibt, hat bei Patriz Ilg das Interesse an seiner Sportart wiederbelebt. „Ich beobachte das jetzt wieder intensiver.“ Er findet: „Die Leichtathletik ist nach wie vor eine interessante Sportart, die Höhen und Tiefen durchmacht.“
Vergleicht er die Leichtathletik heute mit der zu seiner Zeit, dann stellt Patriz Ilg fest: „Es ist eine völlig andere Welt geworden. Die Leistungen werden heute unter anderen Rahmenbedingungen erzielt. Die Jugendlichen tun sich schwerer, sich zu organisieren und sich auf den Leistungssport zu konzentrieren. Nach der Arbeit ist bei uns damals außer dem Sportverein nichts gelaufen. Das Training war ein Highlight.“ Er findet, es sei inzwischen wesentlich schwieriger, den Sport mit dem Beruf unter einen Hut zu bekommen.
Lehrer um die Ecke
Der aktuelle Ortsvorsteher des Aalener Stadtbezirks Hofen hatte schon damals zielstrebig den Weg zum Lehrerberuf, den er auch noch heute „bei mir um die Ecke“ ausübt, eingeschlagen und war zwischendurch vom Schuldienst freigestellt worden, um dann wieder dorthin zurückzukehren. „Ist man einmal in der Schule, kommt man nie wieder weg.“
Ähnlich verfolgen ihn auch knackige Zitate aus der Vergangenheit. Dass er den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) zu seiner Zeit als „Sauhaufen“ bezeichnet hatte, sieht Patriz Ilg inzwischen als verjährt an: „Das ist ja schon 25 Jahre her. Außerdem glaube ich, ist der DLV heute anders aufgestellt, mit anderen Leuten.“
Jürgen Mallow als Glücksfall
Einer davon ist just sein früherer Erfolgstrainer Jürgen Mallow, der im Verband nun die Position des Cheftrainers bekleidet. Zusammen waren beide 1980 zum LAC Quelle Fürth gekommen und hatten eine Erfolgsära eingeleitet. „Das war damals ein Glücksfall“, meint Patriz Ilg rückblickend.
Er macht aber keinen Hehl daraus, dass er sich mit dem Coach auch mal gerieben habe. „Das gehört dazu. Es war nicht immer einfach.“ Aber erfolgreich. Und so blickt auch Jürgen Mallow stimmig zurück: „Patriz Ilg hat seine besten Ergebnisse zu den Großereignissen gebracht. Wir haben in erster Linie trainiert, damit die Athleten gewinnen und nicht, damit sie schnell laufen.“
Nie Olympia erlebt
Dass der Hindernisläufer, für den von 1977 bis 1987 insgesamt 25 Länderkampf-Einsätze notiert sind, diese Stärke bei Olympischen Spielen ausspielt, dazu ist es nicht gekommen. 1980 kam dem vom Olympia-Zweiten Harald Norpoth inspirierten Patriz Ilg der Boykott in die Quere, 1984 sei es „persönliches Versagen“ gewesen und 1988 hätten er und Jürgen Mallow „zusammen Pech“ gehabt. Jetzt bekennt er: „Es hat schon persönlich an einem genagt, man hat das größte Ziel nicht erreicht.“
Dass er sich vor zwanzig Jahren entschieden habe, die Reise nach Seoul (Südkorea) nicht anzutreten, bezeichnet er inzwischen als „großen Fehler“, versucht aber eine Erklärung zu finden: „Ich war angeschlagen. Es hatte für mich damals keinen Sinn gemacht, nur teilzunehmen und im Vorlauf auszuscheiden.“
Potenziale ausschöpfen
Heute allerdings steht gerade dieses Phänomen, dem sich Patriz Ilg seinerzeit verwehrte, wiederum auf der Tagesordnung. „Es wäre schon ein Riesenerfolg für einen deutschen Hindernisläufer, sich überhaupt zu qualifizieren.“ Entsprechend enttäuscht gibt sich Patriz Ilg. Er sagt: „Tatsache ist, dass ein sehr hohes Talent und der Wille dazugehören. Meine Vorstellung war immer, dass ich auch erfolgreich teilnehme. Heute sind viele mit Normen oder Qualifikationen zufrieden.“
Er bringt nicht von ungefähr den Vorschlag, sich von ehemals erfolgreichen Leichtathleten Ratschläge zu holen. „Vielleicht wäre es ganz gut, wenn man in alte Trainingsbücher schauen würde und wenn es nicht mehr weiter geht, würde es Sinn machen, mit älteren Athleten zu reden. Da gehört mehr Austausch her.“ Man könne auch mal außergewöhnliche und verrückte Dinge machen, die Erfolg versprechen. „Ich vermisse, dass man auf solche Potenziale zurückgreift.“
Was früher gut war, kann heute nicht schlecht sein und schließlich dürfte es niemandem schaden, verborgenes Potenzial auszuschöpfen. Ganz im Gegenteil. Vielleicht kommt dann am Ende sogar wieder ein Siegertyp wie Patriz Ilg auf einer deutschen Leichtathletik-Bahn daher und das vielleicht sogar über dem Hindernisgraben.
Tipp:
"Die anderen müssen das Zittern kriegen" (Spiegel Wissen)