Was tun, wenn’s im Bauch sticht?
Seitenstechen ist kein Problem unerfahrener Laufeinsteiger. Wie aus dem Nichts taucht der Schmerz auf. Aber wie wird man ihn wieder los? Wir bringen Sie auf den neuesten Stand.
Irgendwann trifft es jeden. Die Arbeit ist getan, die Sonne lacht, der Körper „lechzt“ nach Bewegung. Flink die Laufschuhe geschnürt und ab in den Wald. Schon bald haben Sie Ihren Rhythmus gefunden und glauben, endlos weiterlaufen zu können. Aber dann das: Bei einer leichten Tempoverschärfung verspüren Sie ein sich langsam anschleichendes Druckgefühl in der rechten oder linken Flanke. Kurze Zeit später ist er dann da, „der Mann mit dem Messer“ und sticht gnadenlos zu.Das sich einstellende schlechte Gewissen ob des vermeintlich schlechten Trainingszustandes gilt es zu relativieren. Das Phänomen „Seitenstechen“ nimmt keinesfalls nur Hobbysportlern die Bewegungsfreude, selbst Hochleistungsläufer sind dem schmerzhaften „Lufträuber“ ausgeliefert. Die Liste der möglichen Ursachen ist beinahe so lang wie die Trainingsstrecke eines Marathonläufers. Was aber ist der wahre Grund?
Was hat die Milz damit zu tun?
Jahrzehntelang als Hauptverursacher beschuldigt, stellen einige Experten noch heute die Milz in den Mittelpunkt der Diskussion um das Seitenstechen. Das etwa faustgroße, im linken Oberbauch gelegene lymphatische Organ erfüllt eine Reihe wichtiger Funktionen im Rahmen der Immunabwehr und „Frischerhaltung“ des Blutes. So dient sie unter anderem als Blutzell-Depot, das für eine geregelte Aufrechterhaltung der Blutzellenkonzentration im Blut wichtig ist.
Bei starker körperlicher Belastung und somit erhöhtem Sauerstoffbedarf zieht sich die Milz zusammen und presst entsprechend mehr frisches Blut in die Arterien. Dies verbessert die Versorgung der auf „Hochtouren“ arbeitenden Muskeln. Fällt diese Milzkontraktion aber zu heftig aus, reizt das die empfindlichen Nervenendigungen im Bauchraum, was dann in die bekannte stechende Schmerzempfindung umgesetzt wird.
Auch wenn dieser Mechanismus kaum in Frage gestellt wird, hat die Sache einen Haken: Warum treten die Schmerzen auf der rechten Körperflanke genauso häufig auf? Hier behilft man sich bisweilen mit der Erklärung, dass die dort ansässige Leber ebenfalls als Blutspeicher fungiert und somit der gleiche Mechanismus abläuft wie bei der „kleinen linken Schwester“. Nach aktuellem Forschungsstand wird die Hauptschuld für die Stiche aber einem anderen Bauchbewohner zugewiesen.
Ist das Zwerchfell schuld?
Zentral im Oberbauch gelegen, trennt das Zwerchfell den Brust- vom Bauchraum ab, teilt den Oberkörper sozusagen in zwei Hälften. Oben liegen allen voran die wichtigen Versorgungsorgane, die Lunge und das Herz, dessen Spitze quasi in das Zwerchfell hineinragt. Unterhalb sind die großen Verdauungsorgane, Magen und Darm sowie das schon erwähnte „Pärchen“ platziert - rechts die Leber, links die Milz. Das Zwerchfell ist eine kuppelartige Muskel-Sehnen-Platte. Es ist der wichtigste Atemmuskel, der 60 bis 80 Prozent der für die Atmung erforderlichen Muskelarbeit leistet und für die so genannte Bauchatmung verantwortlich ist.
Aber wie kann das Zwerchfell Seitenstechen verursachen? Bei ruhiger Atmung erfüllt das Zwerchfell seine Funktion sehr harmonisch - man atmet gleichmäßig aus und ein. Wird die Atmung durch schnelles Reden oder sportliche Anstrengung unregelmäßig oder hastig, verliert die Zwerchfellmotorik ihren gleichmäßigen Rhythmus. Das kann in schmerzhaften Verkrampfungen gipfeln. Durch seine zentrale Bauchhöhlenlage mit den engen Verbindungen zu den großen Bauchorganen (Leber, Magen, Darm, Milz) strahlen die Schmerzen in beide Körperflanken aus. Die stichartigen Schmerzen resultieren aus der hohen Dichte sensibler Schmerzrezeptoren.
Soviel zur Theorie. Doch wer hat nun Recht? Immerhin kursieren noch ganz andere Theorien zum Phänomen des Seitenstechens. Ob Zwerchfell, ob Milz, ob Sauerstoffmangel oder Organreizung – möglicherweise sind viele Faktoren irgendwie beteiligt. Der beliebte Begriff „multifaktorielles Phänomen“ wird in solchen Fällen gern verwendet. Welchem Punkt man den größten Einfluss zugesteht, ist ein wenig Glaubenssache. Derzeit finden die das Zwerchfell betreffenden Theorien die größte Anhängerschaft.
Was hilft? Wie kann ich vorbeugen?
Den Läufer interessieren aber vor allem drei Fragen: Was hilft gegen Seitenstechen? Wie kann ich vorbeugen? Und: Ist Seitenstechen gefährlich? Ein spezielles Schutzprogramm gibt es zwar nicht. Wenn aber muskuläre Verkrampfungen im Bauchraum eine wesentliche Ursache ausmachen, dann wird ein guter allgemeiner sowie speziell die Atemmuskulatur betreffender Trainingszustand die Seitenstichanfälligkeit verringern.
Schmerzen sind immer ein Warnsignal, dass irgendetwas falsch läuft - beim Seitenstechen betrifft das die Atmung. Wie aber trainiert man seine Atemmuskeln? Für den Läufer hat es sich bewährt, die Schrittfolge an einen bestimmten Atemrhythmus zu koppeln. Dabei gibt es diverse Möglichkeiten, die es individuell auszuprobieren gilt. Entscheidend ist, dass ein auch unter hoher körperlicher Belastung beibehaltener gleichmäßiger Atemrhythmus dem Auftreten von Seitenstechen entgegenwirkt. Einen 100-prozentigen Schutz bietet aber auch die beste Atemtechnik nicht. Dass ein gewissenhaftes Aufwärmen sowie der Verzicht auf schwere Speisen vor dem Training der Vermeidung von Seitenstechen dienlich sind, bedarf keiner weiteren Erläuterung.
So schmerzhaft der Stich in die Flanken auch sein mag, gefährlich ist das ganze nicht, Spätfolgen sind nicht zu befürchten. Aufmerksam sollte man nur werden, wenn die Schmerzen immer wieder (auch bei gut trainierten Athleten) auftreten oder nach Herunterfahren der Belastung noch längere Zeit (Stunden, Tage) anhalten. Auch bei Ausstrahlung in den Lungen- und/oder Brustbereich ist Vorsicht geboten. In diesen Fällen ist eine medizinische Abklärung unbedingt anzuraten, da andere organische Ursachen in Betracht kommen. Mit dem normalen Seitenstechen hat das dann nichts mehr zu tun.
Auch wem das schmerzhafte Stechen bisweilen mal die Lust am Laufen raubt. Hinterfragen muss derjenige seine Sportart nicht - nur das „Wie“ gilt es zu überdenken und adäquat zu verändern. Dann kommt die Freude schnell zurück. Aus medizinischer Sicht gibt es keine Gründe, wegen einer normalen Seitenstichsymptomatik dem Ausdauersport die kalte Schulter zu zeigen. Sinnvolles (Atem-)Training bringt hier meist den gewünschten Erfolg.
Erste Hilfe gegen Seitenstechen > Belastung unbedingt herunterfahren, das heißt das Lauftempo verringern, gegebenenfalls gehen oder sogar stehen bleiben > Körper mit über den Kopf gehaltenen Armen zur gegenüberliegenden Seite strecken (Entkrampfung) > nicht reden > Belastung erst wieder forcieren, wenn sich die Atmung völlig beruhigt hat und die Schmerzen komplett abgeklungen sind |