Dramatischer Marathon mit japanischem Triumph
Im vielleicht dramatischsten Frauen-Marathon der olympischen Geschichte gab es am Ende eine Überraschung. Japan hat eine neue Volksheldin! Vier Jahre nach dem Triumph von Naoko Takahashi wurde Mizuki Noguchi Olympiasiegerin über die klassische Distanz. Nach 2:26:20 Stunden lief sie ins Ziel im klassischen Panathinaikon-Stadion von Athen, wo vor 108 Jahren der Grieche Spiridon Louis den ersten olympischen Marathon gewonnen hatte.
Mizuki Noguchi trat die Nachfolge von Naoko Takahashi an (Foto: Chai)
Das Rennen über die 42,195 Kilometer hat in Japan einen derart hohen Stellenwert, dass der 26-Jährigen die Japaner zu Füßen liegen werden. Die kenianische Weltmeisterin Catherine Ndereba gewann Silber in 2:26:32 Stunden, die US-Amerikanerin Deena Kastor feierte als Dritte in 2:27:20 einen Triumph in Athen.Eine feine Platzierung erreichte Luminita Zaituc (Eintracht Frankfurt). Als 18. lief sie in 2:36:45 Stunden ins Ziel. Sie hatte die erste Hälfte in 1:17:21 Stunden passiert und lag zu diesem Zeitpunkt noch auf Rang 30. Dabei hatte die 35-Jährige Pech, denn sie hatte ein fehlerhaftes Streckenprofil bekommen. "Ich dachte, der erste Teil der Strecke wäre flach und es würde erst nach 18 Kilometern ansteigen – das stimmte aber nicht. Dadurch bin ich zu schnell angegangen und musste nach drei Kilometern den Rhythmus wechseln."
Luminita Zaituc musste den Großteil der Strecke alleine laufen. "Ich sah zwar vor mir die große Gruppe laufen, aber die waren zu schnell unterwegs. Es hätte keinen Sinn gemacht, sich dort anzuschließen." Diese Taktik zahlte sich aus, obwohl vielleicht noch etwas mehr drin gewesen wäre, wenn Luminita Zaituc vor dem Rennen richtig informiert gewesen wäre. Gezeichnet von der Anstrengung sagte sie im Ziel: "Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Marathon so hart werden könnte."
Ulrike Maisch ausgestiegen
Entkräftet ausgestiegen ist die zweite deutsche Starterin, Ulrike Maisch (LAV Rostock). Bei 25 Kilometern lag sie nach 1:36:19 Minuten an 44. Stelle – die 30-Kilometer-Marke erreichte sie nicht mehr.
Ärgerlich war, dass Sonja Oberem (Bayer Leverkusen) mit ihrer großen Athener Marathon-Erfahrung nicht nominiert worden war. Bei der WM war sie in Athen Siebente, und zweimal hat sie den Athen-Marathon gewonnen (2001 und 2002). Nun startet sie am 26. September beim Berlin-Marathon.
Paula Radcliffe, die große Favoritin, erlebte in der Hitzeschlacht auf dem Weg von Marathon nach Athen den bittersten Augenblick ihrer Karriere. Der Traum der 30-jährigen Engländerin, endlich Gold zu gewinnen, endete bei Kilometer 36 am Straßenrand. Paula Radcliffe hatte alles gegeben, doch den extremen äußeren Bedingungen mit Schattentemperaturen von bis zu
35 Grad war die beste Marathonläuferin der letzten Jahre offenbar nicht gewachsen. Auf der zudem schweren, hügeligen Strecke war sie acht Kilometer vor dem Ziel körperlich am Ende. Weinend saß die Weltrekordlerin auf der Straße.
Eigene Gesetze
Die olympischen Marathonrennen haben, das hat auch der Lauf in Athen wieder bestätigt, ihre eigenen Gesetze. Läuferinnen, die in den Jahren zuvor ihre Distanz prägten, sind längst nicht auch die späteren Olympiasieger: Die Polin Wanda Panfil war 1992 in Barcelona in der Favoritenposition und kam nicht unter die ersten Zehn. Uta Pippig ging 1996 als Nummer eins in Atlanta ins Rennen, nachdem sie zuvor fünf Marathonrennen in Folge gewonnen hatte, und gab schließlich mit einem Ermüdungsbruch auf. Ihr folgte als nächste große Läuferin Tegla Loroupe, die 1998 den 13 Jahre alten Weltrekord von Ingrid Kristiansen (Norwegen) brach. In Sydney war sie favorisiert, doch Magenprobleme stoppten sie beim Kampf um Gold. Loroupe wurde 13.
Nun also traf es Paula Radcliffe. Und wieder wird sie einen Fluch nicht los: Bei großen interkontinentalen Meisterschaften reicht es für sie nie zum Sieg. Bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften hatte sie über 5.000 beziehungsweise 10.000 Meter drei vierte, zwei fünfte und einen zweiten Platz gesammelt. Nun kam das Aus.
Einfach nur froh
Vielleicht hat die Engländerin in der Hitzeschlacht falsch taktiert. Von Beginn an spannte sie sich vor das Feld und drückte unbarmherzig auf das Tempo. Wer ihr nicht folgen konnte, hatte das Rennen um den Olympiasieg praktisch schon von vornherein verloren. Trotz der leicht ansteigenden Strecke passierte Paula Radcliffe schon nach 34:25 Minuten Kilometer 10. Das wäre auf eine Endzeit von unter 2:25 Stunden hinausgelaufen – gemessen an den Bedingungen eine unglaubliche Zeit.
Doch Paula Radcliffe wurde nicht wie sonst alle ihre Konkurrentinnen los. Und nachdem die Marathon-Weltrekordlerin (2:15:25 h) die erste Hälfte, die stark ansteigt, nach 1:14:02 Stunden passiert hatte, wurde sie ein Opfer ihrer eigenen Tempoarbeit. Die Japanerin Mizuki Noguchi und die Äthiopierin Elfenesh Alemu, die später in 2:28:15 Stunden Vierte wurde, nutzten die Schwäche der Favoritin. Sie forcierten die Pace und setzten sich ab. Zwischen Kilometer 25 und 30 löste sich dann die Asiatin, die eine Marathon-Bestzeit von 2:21:18 Stunden hat, und lief den entscheidenden Vorsprung heraus. "Ich bin einfach nur froh", sagte Mizuki Noguchi im Ziel. Für mehr Worte oder eine Ehrenrunde reichte ihre Kraft zunächst nicht mehr, die Japanerin hatte alles gegeben.
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