Wenn ein Marathon mehr als nur Sport sein soll
Am Sonntag (27. November) regiert in der libanesischen Hauptstadt der Sport. Der Beirut-Marathon rückt die schwelende Krise in dem arabischen Land für einen Tag ein wenig in den Hintergrund. Für Liebe und Frieden rennen die 30.000 Teilnehmer - selten war das so nötig wie jetzt.
Wenn der erste Läufer die Ziellinie auf dem "Platz der Märtyrer" überquert und seine Arme in die Höhe reißt, wird ihm vielleicht für einen Moment die Unwirklichkeit seines Triumphs bewusst. Der Beirut-Marathon ist das Symbol des Friedens und der Verbrüderung aller Religionen und Völkergruppen im Libanon - und findet in einer Zeit statt, in der das arabische Land kurz vor einer der stärksten Zerreißproben steht."30.000 Menschen kommen jedes Jahr an die Startlinie des Marathons. Sie rennen für die Liebe, ihr Land, und - was am wichtigsten ist - sie rennen für den Frieden", sagte Laureus-Preisträgerin May El-Khalil, die Gründerin des seit 2003 stattfindenden Laufes in der Zwei-Millionen-Stadt, im Februar: "Das ist die Mission des Sports und das, worum es schon immer ging. Wir werden nicht aufhören, für den Frieden im mittleren Osten zu laufen."
Angst vor dem Krieg
Wenige Wochen später brach im Nachbarland Syrien der seit Jahren schwelende Konflikt zwischen Regime und Bevölkerung an die Oberfläche. Inzwischen scheint ein Bürgerkrieg nahezu unabwendbar. Ein Krieg, der in Windeseile auch auf den Libanon übergreifen und das Land in ein religiöses und politisches Chaos stürzen könnte.
Erinnerungen an vergangenen Krisen sind beim Marathon allgegenwärtig: Nur wenige Meter vom Ziel entfernt steht die über zehn Meter große und zu Ehren der libanesischen Märtyrer erbaute Bronzestatue, die - übersät von Einschusslöchern - zum Symbol des letzten Bürgerkrieges Ende des vergangenen Jahrtausends wurde.
Keine Worthülsen
Der war in gewisser Weise für das unvergleichliche Engagements von May El-Khalil mitverantwortlich. "2003 kam mein Land aus dem Bürgerkrieg. Ich wollte meinen Teil zum Wiederaufbau beitragen", sagte May El-Khalil, bei der Verleihung des Laureus Awards Anfang des Jahres: "Bei allen Konflikten, Kriegen, Attentaten und politischen Krisen in den Jahren - der Marathon fand immer statt."
Die Geschichte der Libanesin zeigt, dass das keine leeren Worthülsen sind. Die leidenschaftliche Sportlerin wurde 2001 bei einem Autounfall schwer verletzt. 20 Operationen waren nötig, um sie von dem Albtraum, nie wieder laufen zu können, zu befreien. Beim ersten Marathon, den May El-Khalil als Präsidentin der "Beirut Marathon Association" in Leben rief, nahmen 6.000 Läufer Teil. Inzwischen sind es fast 30.000.
Sport über der Politik
May El-Khalil geht es weder um Profit noch um Einfluss, im Gegenteil. Der Marathon solle als Beispiel dafür dienen, dass der Geist des Sports über der Politik stehen und eine Brücke zwischen sich feindlich gegenüberstehenden Gesellschaften bilden könne.
Mehr als bei jedem anderen Marathon wird dieser Geist am Sonntag auf dem Platz der Märtyrer zu spüren sein. In einer Zeit wie dieser ist das vielleicht das Beste, was passieren kann.
Quelle: Sport-Informations-Dienst (sid)