Ingo Schultz - Bei 320 Metern habe ich es gewusst
Seitdem Ingo Schultz vor zwei Jahren in Edmonton Vize-Weltmeister über 400 Meter geworden ist, gilt er als deutscher Hoffnungsträger im Sprintbereich. Doch bei der WM in Paris schied er am Sonntag im Halbfinale aus. Heute versuchte er das Scheitern zu erklären.
Ingo Schultz versuchte heute, sein Halbfinal-Aus zu erklären. (Foto: Klaue)
leichtathletik.de:Ingo Schultz, Sie wollten eigentlich heute nicht hier sitzen, sondern sich auf das morgige Finale vorbereiten. Doch nun sind Sie ausgeschieden. Wie haben Sie das Rennen verdaut?
Ingo Schultz:
"Also ich werde mir auch so das morgige Finale antun. Von der Tribüne aus. Das mit dem Verdauen wird noch ein bisschen dauern. Wir haben noch die Staffel am Wochenende. Da wollen wir noch mal gut abschneiden und dort liegt jetzt erstmal meine volle Konzentration drauf."
leichtathletik.de:
Haben Sie schon Zeit gehabt, darüber nachzudenken, ob irgendetwas in diesem Jahr falsch gemacht worden ist? Es ist doch schon in Deutschland klar zu erkennen gewesen, dass es nicht so rund lief, wie es vorher mal der Fall war.
Ingo Schultz:
"Also das sehe ich nicht so. Bis Rom war ich im Fahrplan. Auch vor zwei Jahren und letztes Jahr bin ich zu dem Zeitpunkt nicht schneller gewesen. Aber es hat halt nach dem Ende der ersten Wettkampfphase der Aufbau für den zweiten Saisonteil nicht funktioniert."
leichtathletik.de:
Ist das ein Anlass, das Höhentraining zu überdenken?
Ingo Schultz:
"Klar ist das ein Anlass, darüber nachzudenken. Man hat gesehen, dass es schwierig ist, den richtigen Zeitpunkt abzupassen, um topfit zu sein. Bei mir war das gestern nicht der Fall. Es hat die nötige Frische gefehlt."
leichtathletik.de:
Ist der grippale Infekt in St. Moritz, der Sie drei Tage ins Bett gezwungen hat, letztlich ein Grund für das Ergebnis?
Ingo Schultz:
"Sicher ist das mit ein Grund, aber was soll man machen? Wenn ich krank werde, werde ich krank. Ich habe drei Tage pausiert und dann wieder angefangen. Aber die Gefahr, dann zu viel zu machen ,ist natürlich groß, gerade auch in der Höhe. Im Nachhinein ist das schwierig zu sagen."
leichtathletik.de:
Ist der Start in Berlin beim ISTAF ein Fehler gewesen?
Ingo Schultz:
"Ich denke nicht. Für den Zeitpunkt war die Leistung o.k. Im letzten Jahr bin ich nach dem Trainingslager in Cuxhaven auch eine 45,60 gelaufen. Aber da ich dieses Mal schon angeschlagen war, hat mich das Rennen vielleicht ein bisschen in den Keller gebracht, aus dem ich jetzt wieder rauskommen muss."
leichtathletik.de:
Wann haben Sie denn hier gewusst, dass Sie keine Chance haben? Schon im Vorlauf?
Ingo Schultz:
"Nein, auf der Zielgerade bei 320 Metern."
leichtathletik.de:
Auch innerlich?
Ingo Schultz:
"Das ist ganz schwer zu sagen. Ich gehe nie an den Start und sage, ich laufe Europarekord, aber man hat ein Gefühl, ob man durchkommt und ob es reichen wird. Nur im Prinzip habe ich vor dem Halbfinale nicht den Kopf in den Sand gesteckt. Auch wenn der Vorlauf nicht berauschend war, hatte ich noch eine Chance. Ich musste versuchen, vorne schnell anzugehen und dann sieht man im Rennen, ob es reicht oder nicht. Aber vorher kann man das nicht sagen. Klar wusste ich, dass es schwer wird, aber vor zwei Jahren war die Situation nicht anders. Da stand ich auch im Halbfinale und es ist nicht klar gewesen, ob ich weiterkomme. Nur in diesem Jahr haben es halt alle erwartet."
leichtathletik.de:
Hätte eine andere Taktik vielleicht geholfen.
Ingo Schultz:
"Die 400 Meter sind ein Wettkampf, der sehr an die Substanz geht. Wenn man da beim Höhepunkt ein Tick nicht stimmt, reicht es halt nicht. Dann kommt man nicht durch. Andersrum muss man auch sagen, dass, wenn letztes Jahr eine WM gewesen wäre, wäre ich auch nicht ins Finale gekommen. Da hatte ich auch nicht DIE Form. Ich habe Glück gehabt, dass ich mit der Leistung Europameister werden konnte. Aber die Weltspitze läuft halt ganz anders. Man sieht es hier, es sind gerade zwei Europäer im Finale dabei."
leichtathletik.de:
Was hat ihr Trainer Jürgen Krempin nach dem Lauf gesagt?
Ingo Schultz:
"Das wir alles versucht haben. Ich hatte ein Marschroute fürs Halbfinale und die habe ich versucht umzusetzen."
leichtathletik.de:
Ist ihr Vertrauen in den Trainer jetzt erschüttert.
Ingo Schultz:
"Nein, wir sind ja hier nicht beim Fußball, wo man den Trainer gleich beim ersten bisschen feuert."
Vielen Dank für das Gespräch!