| U23-EM

Wie 2011: Craft und Gambetta in Tallinn auf dem Podium

Die ersten beiden deutschen Medaillen bei der U23-EM in Tallinn gingen aufs Konto der deutschen Kugelstoßerinnen. Shanice Craft (MTG Mannheim; 17,29 m) und Sara Gambetta (SC DHfK Leipzig; 16,99 m) gewannen Silber und Bronze. Beide standen schon einmal in Tallinn auf dem Podium.
Martin Neumann

Tallinn. Mitte Juli 2011. Zwei deutsche Talente stehen im Kadriorg-Stadion bei den U20-Europameisterschaften auf dem Podium. Beide erzielen persönliche Bestleistungen. Shanice Craft als Diskus-Europameisterin mit 58,65 Metern, Sara Gambetta als Siebenkampf-Zweite mit 6.108 Punkten, nur geschlagen von der späteren europäischen Sprint-Queen Dafne Schippers (Niederlande; 6.153 Punkte). Vier Jahre später werden beide am Freitag im selben Stadion geehrt – allerdings diesmal in einer anderen Disziplin. Als Zweite und Dritte der U23-EM im Kugelstoßen. Solche Disziplinwechsel sind in der Leichtathletik beileibe nicht an der Tagesordnung.

Während die gelernte Diskuswerferin Shanice Craft (MTG Mannheim) mit Freude einer erfolgreichen „Zweitdisziplin“ nachgeht, ließ der Körper von Sara Gambetta (SC DHfK Leipzig) die Belastungen des Siebenkampfs nicht mehr zu. Sie entschied sich vor zweieinhalb Jahren, es mit dem Kugelstoßen zu probieren. „2013 habe ich bei der U23-EM in Tampere in die Disziplin reingeschnuppert. Ab heute bin ich eine richtige Kugelstoßerin“, freute sich die 22-Jährige nach ihrem Bronze-Coup in Tallinn mit 16,99 Metern. Den Siebenkampf hat Gambetta längst hinter sich gelassen. Für die ersten vier Übungen der Mehrkämpferinnen (ohne deutsche Beteiligung) hatte sie am Donnerstag kein Auge. „Nur wenn es bei den deutschen Mehrkämpferinnen zur Sache gibt, fiebere ich noch mit“, sagte die Leipzigerin.

Den Nachwuchsklassen entwachsen

Mit der U23-EM ist die gebürtige Hessin den Nachwuchsklassen entwachsen. In den kommenden Jahren muss sie sich bei den Frauen behaupten. Dort geht es in anderen Weitenbereichen zur Sache als in Tallinn. Beispielsweise sind für einen WM-Start im August in Peking 18,40 Meter gefordert. „Bis dahin ist es ein großer Schritt. Aber ich bin ja noch eine junge Kugelstoßerin. Vielleicht ist das für die WM 2017 in London ein Thema“, schätzt Gambetta den Kampf um jeden Zentimeter realistisch ein. In Tallinn steigerte sie jedenfalls ihren Hausrekord um neun Zentimeter auf 16,99 Meter.

Die WM-Norm hat Shanice Craft schon längst in der Tasche – allerdings im Diskuswurf. Mit 63,22 Metern rangiert die Mannheimerin auf Platz vier der deutschen Bestenliste. Sechs Werferinnen haben die Peking-Vorgabe von 61,50 Metern schon übertroffen. So viele Weltklasse-Athletinnen stellt keine andere Nation der Welt mit der Ein-Kilo-Scheibe. Ob die EM-Dritte in Peking dabei ist, entscheidet sich in zwei Wochen bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg.

Klar ist: Den Diskus nimmt die Bundespolizistin momentan deutlich lieber in die Hand als den Eisenball. Zu schmerzhaft ist das Angleiten und Ausstoßen der Vier-Kilo-Kugel für Shanice Craft, da der Druck auf die entzündete rechte Patellasehne deutlich größer ist als bei der runden Diskusbewegung. So glich der Donnerstag von Shanice Craft einer sportlichen Achterbahnfahrt. In der vermasselten Qualifikation (15,87 m) waren die Schmerzen so groß, dass sie einen Final-Verzicht erwog. Erst eine schmerzstillende Spritze machte den Start möglich. Deshalb schickte Craft nach ihrem Silber-Stoß auf 17,29 Meter „einen großen Dank an die medizinische Abteilung des DLV“.

Silber auf der Achterbahn

Dass sie im letzten Versuch noch von der um 45 Zentimeter verbesserten Weißrussin Viktoryia Kolb (17,47 m) abgefangen wurde, konnte die Mannheimerin nach diesem Tag der Aufs und Abs verkraften. „Ihr Stoß hat mich sogar angestachelt, noch einmal nachzulegen“, sagte Craft. Die Steigerung von 17,19 auf 17,29 Meter im letzten Versuch der Konkurrenz reichte allerdings nicht mehr ganz, um Gold zurückzuholen.

Obwohl die Diskus-Spezialistin fast den kompletten Wettkampf die Hand an der Kugel-Goldmedaille gehabt hatte, verlor sie ihr Lächeln nicht. Genauso wie Sara Gambetta, die nur um einen Zentimeter ihren ersten 17-Meter-Stoß verpasste. Vielleicht sieht man das starke Duo ja irgendwann gemeinsam bei einer großen internationalen Meisterschaft in der Frauen-Klasse lächeln? Dort wird der Sprung aufs Podium allerdings deutlich schwieriger als 2011 und 2015 im Kadriorg-Stadion von Tallinn.

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