Wie bekommt der olympische Sport seine Heroes? (2)
Anlässlich des diesjährigen DLV-Sponsorentreffens in Mainz berichteten wir in Teil eins über internationale Spitzensportsysteme im Vergleich sowie über den unkonventionellen Erfolgsweg von Basketball-Star Dirk Nowitzki. In Teil zwei unserer Serie beschäftigen wir uns mit dem Vortrag von Biathlon-Bundestrainer Uwe Müßiggang sowie Fachgruppenleiter Ausdauer am IAT Leipzig, Dr. Jürgen Wick, und dem Referat von DLV-Generalsekretär Frank Hensel, der gleichzeitig Leistungssportdirektor im Deutschen Leichtathletik-Verband ist.
Uwe Müßiggang erläuterte das Biathlon-Konzept (Foto: Baum)
Im Biathlon gelte es, die Athleten einen langen Zeitraum zu führen und zu fördern. "Mit zwölf Jahren ist oft Trainingsbeginn und mit 30 holt man eine Medaille", sagte Dr. Jürgen Wick, der für den Deutschen Ski-Verband als Wissenschaftskoordinator Biathlon/Skilanglauf arbeitet. Vom DSV gebe es dabei eine klare Richtlinienkompetenz für das Training in den Vereinen. Ein Problemfeld sei es, Wettkämpfe zu organisieren, da man versuchen müsse, das ganze Jahr über Wettkämpfe anzubieten. "Ein Großteil der Athleten", erklärte Dr. Jürgen Wick, "ist über die Behörden (Bundeswehr, BGS, Zoll) sozial abgesichert". Bei rund 34 Wettkämpfen gelte es 400 Kilometer zu laufen, was einen klassischen Leistungsaufbau erfordere. Jeder Trainer wisse über jede Trainingseinheit exakt Bescheid. "Der A/B-Kader umfasst elf Damen und zwölf Herren. Die deutschen Stützpunkte liegen in Altenberg, Oberhof und Ruhpolding. Bundestrainer führen das Training vor Ort und sind verantwortlich für Planung und Realisierung. Der Maßstab dabei heißt: Weltspitze."
Wettkampf-Systeme für TV verändert
Bundestrainer Uwe Müßiggang gab zu, dass es ein schwerer Weg bis zur heutigen Beliebtheit beim TV-Zuschauer gewesen sei. "Wir haben uns sehr frühzeitig damit beschäftigt, was den Zuschauer interessiert und uns sehr flexibel gezeigt. Unter anderem wurden ganze Wettkampf-Systeme verändert. Letztlich waren jedoch die Erfolge entscheidend."
Vor allem die Chinesen würden extrem hart trainieren. Dabei verstehe es sich von selbst, dass man andere Nationen genau analysiere. " Ein Glück war es natürlich", sagte Uwe Müßiggang, "dass wir über Jahre hinweg Ausnahmeathleten rekrutiert haben. Ohne Ausnahmeathleten geht es nicht."
Disziplinvielfalt der Leichtathletik
DLV-Leistungssportdirektor Frank Hensel wäre froh, wenn er die Situation der Biathleten hätte, doch die Leichtathletik ist ein Sammelbegriff für verschiedene Sportarten. Disziplinvielfalt ein Kennzeichen der Leichtathleten.
Oft gebe es angesichts der 46 Disziplinen nur wenig Gemeinsamkeiten bei der Trainingsmethodik. Spezialistentum ist Trumpf in einer Individualsportart. Hinzu komme eine Sozialstruktur, bei der siebzig Prozent einen höheren Bildungsabschluss haben und neben dem Studium Leistungssport betreiben müssen. Ganz im Unterschied zum Biathlon (Uwe Müßiggang: "Das wäre bei uns undenkbar").
Betrachtet man sich die weiteren Zahlen der Leichtathletik so wird eine Erfassungsproblematik deutlich. Deutsche Jugendmeisterschaften mit 2.300 Teilnehmern, 530 Vereine, 200 Vereine mit einem Finalplatz eins bis acht sowie Vereine über ganz Deutschland verteilt. Kein Vergleich zu einer Monosportart.
Premium-Produkt für das Fernsehen
Hinzu kämen ein internationales Wettkampfsystem sowie keine terminlichen Regelmäßigkeiten. Voraussetzungen, die ein klares TV-Format erschweren. "Wir haben ein Premium-Produkt für das Fernsehen", sagte Frank Hensel, "Olympische Spiele, Weltmeisterschaften und Europameisterschaften."
Bei mehreren hundert Kaderathleten, 25 hauptamtlichen DLV-Trainern und einer großen Anzahl von Managern habe man oft keinen direkten Einfluss mehr auf den Athleten. "Die Möglichkeit Geld zu verdienen, ist legitim, wird aber als Selbstzweck zum Problem, wenn Leistung und Erfolg zum richtigen Zeitpunkt aus dem Auge verloren werden."
Neben den DLV-Anliegen gebe es Subsysteme mit ökonomischen Interessen, denen der einzelne Athlet gerecht werden muss. Habe man vor einem Jahr noch weniger auf Individualismus gesetzt, so wurden nach dem schwachen Abschneiden bei den Olympischen Spielen in Athen Strukturveränderungen eingeleitet.
Eliteförderung im Top Team
"Unsere konzeptionelle Neuausrichtung setzt unter anderem auf Individualisierung und Differenzierung, auf Eliteförderung mit unserem neu gebildeten Top-Team-Kader Peking und nicht zuletzt auf umfassende Karriereplanung und Karrierebegleitung." Die duale Förderung sei für den Athleten oft entscheidend. Und auch das psychologische Training soll künftig verstärkt genutzt werden.
Wann die Maßnahmen greifen, weiß niemand, doch viele würden sich für die deutsche Leichtathletik wünschen, dass schon bei der WM in Helsinki ein erster Aufwärtstrend festzustellen ist.