Wie die Deutschen wieder schneller werden
Dieter Baumann, 5.000-Meter-Olympiasieger von 1992, Henning von Papen, DLV-Disziplintrainer, Wolf-Dieter Poschmann, Chefredakteur des Sportressorts im ZDF, und Prof. Dr. Joachim Mester, Trainingswissenschaftler: vier Personen, vier verschiedene Meinungen, ein Thema am Mittwoch in Köln: Bolt vs. Bekele - Wo bleiben die Deutschen?
Von 1999 bis 2009 gewannen die deutschen Läufer auf den Strecken von 800 bis 10.000 Meter nur eine Medaille bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Einzig Nils Schumann kam im australischen Sydney im Jahr 2000 mit seinem 800-Meter-Olympiasieg in den Genuss einer Medaillenvergabe. Von insgesamt 30 Medaillen auf diesen Strecken gingen bei der Weltmeisterschaft in Berlin alleine 19 an afrikanische Läufer. Mit diesem Thema beschäftigte sich Dieter Baumann in seinem 60-minütigen Vortrag am Mittwochabend im vollen Hörsaal 1 der Deutschen Sporthochschule in Köln."Talente gibt es in Deutschland genug. Das zeigen jedes Jahr die erfreulichen Bilanzen bei internationalen Nachwuchsmeisterschaften. Aber dann, wenn es ins Erwachsenen-Alter geht, bleiben die Erfolge aus", analysierte Dieter Baumann, der darin bei den Erwachsenen mehrere Gründe sieht: "Es findet eine zu frühe Spezialsierung statt, Athleten haben mit 20 Jahren schon alles erlebt, weil sie schon so früh angefangen haben sich zu spezialisieren. Für die wenigen Athleten, die auch im Erwachsenen-Alter noch erfolgreich sind, gibt es dann keine Wettkämpfe, wo sie die Normen für internationale Meisterschaften laufen können. Entweder sie werden über- oder unterfordert."
Problem des Erfolgssystems
Ein weiteres Problem sieht der 41-malige Deutsche Meister im Fördersystem des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). "Je mehr Medaillen eine Sportart gewinnt, desto höher sind auch die Fördergelder. Eigentlich müssten aber gerade die Sportarten höhere finanzielle Unterstützung erhalten, die keinen Erfolg haben", sagte der Tübinger, der auch die Athleten kritisierte: "Es fehlt heute einfach der Wettkampfcharakter. Wo sind die Athleten bei den Deutschen Meisterschaften? Nur über Wettkämpfe lerne ich für den Wettkampf."
Neben Kritik zeigte Dieter Baumann auch Lösungsansätze auf, wie die deutschen Läufer wieder zurück zu alter Stärke kommen können. Neben einem Fördersystem des DOSB, das sich nicht nur an Erfolgen orientiert, verlangte der 44-Jährige "einen Verzicht auf zentrale Leistungssysteme, eine bessere Vernetzung der Trainer und Athleten, eine Lehrgangskultur, die ihren Namen auch verdient, Unterstützung durch die Medien, ein breites ganzjähriges Wettkampfangebot und eine Sportwissenschaft, die die Athleten unterstützt."
Verschiedene Meinungen
Die Aussagen von Dieter Baumann fanden im Anschluss in der Podiumsdiskussion, die von DSF-und ProSieben-Moderator Sebastian Hempfling geleitet wurde, nur zum Teil Zustimmung, stieß vor allem aber auch auf Kritik. "Wir müssen Kinder früh konditionell ausbilden, deswegen ist eine frühe Spezialisierung durchaus sinnvoll. Es ist einfach falsch, dass Kinder nicht schon in jungen Jahren hart trainieren können", konterte Prof. Dr. Joachim Mester die Aussagen von Dieter Baumann.
Auch Wolf-Dieter Poschmann, früher selbst erfolgreicher Langstreckenläufer in Köln, sah die Gründe für das Hinterherlaufen deutscher Athleten wo anders: "Die Leichtathletik ist ein Paradebeispiel für die Bestandsaufnahme des gesamten deutschen Sports. Die Sportarten, die billig und einfach betrieben werden können, wofür ich kein Material oder Trainingsstätten benötige, da haben die Deutschen keine Chancen mehr, weil hier die armen Länder eine Möglichkeit sehen aus dem Elend zu entfliehen. Im Sprint sieht man das am Beispiel der Karibik, auf den Mittel- und Langstrecken am Beispiel von Ostafrika. Das Gegenbeispiel hierzu ist der Stabhochsprung oder der Triathlon. Hier braucht man teure Materialen und deswegen dominieren hier auch größtenteils die westlichen Länder."
Zu großer Druck auf den wenigen Spitzenathleten
Für den DLV-Mittelstreckentrainer und ehemaligen 1.500-Meter-Läufer Henning von Papen liegt die Ursache am Misserfolg auch im Druck der Medien. "Wir haben zu wenige Athleten und die Athleten, die erfolgreich sind, stehen extrem unter öffentlichem Druck, weil alles auf sie schaut."
In die Zukunft blickt Henning von Papen aber dennoch optimistisch: "Ich denke, dass wir auf einem ganz guten Weg sind, sonst hätte ich meinen Job schon gekündigt."