Wie sauber werden die Spiele?
Die Dopingjäger stehen bereit, die Prognosen sind düster, im Olymp wird schon gebetet: 20 Jahre nach dem Sündenfall des kanadischen Sprinters Ben Johnson ist die Angst vor weiteren Doping-Skandalen bei den Olympischen Spielen in Peking (China) allgegenwärtig.
"Ich sehe den Verdacht der Öffentlichkeit und ich hoffe und bete dafür, dass es im 100-Meter-Lauf nicht eine neue Affäre gibt", meinte der Chef der Anti-Doping-Weltagentur WADA, John Fahey, am Tag vor dem Auftakt der Sommerspiele.Der 63 Jahre alte Australier schloss sich nicht dem Vorwurf seines Vize-Präsidenten Arne Ljungqvist (Schweden) an, der von systematischem Doping in Russland gesprochen hatte. Der frühere Finanzminister seines Landes meinte: "Es gibt Anschuldigungen, und die Athleten haben ein Recht, gehört zu werden."
John Fahey lobte die Fortschritte Chinas im Anti-Doping-Kampf, insbesondere den Versuch, die Herstellung von Dopingmitteln stark einzuschränken.
Bis 40 Dopingfälle erwartet
Jacques Rogge, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), erwartet angesichts der Rekordzahl von 4.500 Kontrollen 30 bis 40 positive Fälle. Und der deutsche Anti-Doping-Kämpfer Werner Franke ist sicher: „Die Tests sind nichts wert. Erwischt werden nur Idioten. Es wird gedopt wie immer - nur auf höherem Niveau.“
Hunderte von Athleten dürfen wegen ihres Dopingbanns nicht in Peking starten. Auch über 100 Leichtathleten wurden seit 2006 mit Doping erwischt. 17 Medaillenkandidaten aus der Leichtathletik, darunter 100-Meter-Olympiasieger Justin Gatlin (USA), sind aktuell gesperrt. Zuletzt wurden elf Russen überführt, an ihrer Spitze Mittelstrecken-Star Yelena Soboleva.
Rückkehrer
Einige kehren nach dem Dopingbann in die Arena zurück, 14 als Mitfavoriten. Diskuswerferin Natalya Sadova, die 2004 in Athen (Griechenland) gewann, ist in Abwesenheit der gedopten Europameisterin Darya Pishchalnikova (ebenfalls Russland) und der aus gesundheitlichen Gründen fehlenden Weltmeisterin Franka Dietzsch (SC Neubrandenburg) erneut Goldtipp.
Marion Jones, die dreimal Gold und insgesamt fünf Medaillen von den australischen Spielen in Sydney aus dem Jahr 2000 verlor und wegen Meineids mit sechs Monaten Gefängnis bestraft wurde, gehört zu den 20 Athleten der Olympia-Geschichte, die als Doper um den Sieg kamen. In Sydney waren es sieben, 2004 in Athen fünf. Insgesamt 90 Athleten wurden bei Sommerspielen wegen Manipulation disqualifiziert.
4.000 Urin- und 500 Blutproben bei Olympia
4.000 Urinproben werden binnen 48 Stunden ausgewertet, 500 Blutproben in 72 Stunden. Gendoping wird offenbar noch nicht praktiziert. Erstmals wird laut dem Chef der Welt-Anti-Doping-Agentur, John Fahey, nach Wachstumshormonen gefahndet. Alle Proben sollen acht Jahre lang eingefroren werden. Jacques Rogge sagt: „Damit werden sie zu einer dauerhaften Gefahr für alle Athleten, falls die Mittel heute noch nicht gefunden werden können.“
Während Athleten in kraftintensiven Sportarten nach wie vor mit anabolen Steroiden erwischt werden, bleibt das Ausdauer-Hormon Erythropoietin (Epo), erstmals bei den Sommerspielen 2000 im Raster der Fahnder, der Renner bei den Rennern.
Epo-Mimetika nicht nachweisbar
Werner Franke geht davon aus, dass neben einst gegen Kleinwüchsigkeit entwickelten Wachstumshormonen wie IGF-1 rund zehn Varianten von Epo, sogenannte Epo-Mimetika, vor allem unter den Radsportlern in Umlauf sind: „Die wirken wie Epo, sind aber nicht nachweisbar. Wir brauchen Testverfahren, aber die sind abenteuerlich unterfinanziert.“
Dass die Olympischen Spiele vor dem Hintergrund des Anti-Doping-Kampfes problembehaftet werden, glaubt auch Dr. Clemens Prokop als Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). "Saubere Spiele werden das mit Sicherheit nicht", sagte der Sportfunktionär jüngst im Interview mit stern.de.
DLV-Präsident fordert mehr Trainingskontrollen
In Sachen Doping sei immer noch zu wenig unternommen worden: "Das liegt auch daran, dass die Methoden des Dopings immer ausgefeilter werden. Designer-Steroide kann man zum Teil gar nicht nachweisen." Deshalb fordert Dr. Clemens Prokop jeden Sportler zu testen: "Das IOC als wirtschaftliche Macht müsste gerade in den Trainingsphasen testen, wo Doping am häufigsten betrieben wird."
Als schwierig stellt sich auch zu diesen Olympischen Spielen wieder dar, die Athleten zu Dopingkontrollen überhaupt aufzufinden.
Aufenthaltsorte nicht gemeldet
Vier Jahre nach der spektakulären Flucht der griechischen Weltklassesprinter Kostas Kenteris und Ekaterina Thanou vor Dopingkontrollen in Athen gibt es auch in Peking Ärger um die Durchführung der unangemeldeten Tests vor Beginn der Wettkämpfe.
Laut Prof. Wilfried Kindermann, Leitender Arzt des deutschen Olympiateams, haben einige Mannschaften dem Internationalen Olympischen Komitee nicht gemeldet, wo ihre Athleten wann anzutreffen sind, falls sie kontrolliert werden sollen. „Aber mir ist nicht bekannt, welche Konsequenzen das IOC daraus zieht“, sagte der frühere Teamarzt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft vor dem Auftakt der Sommerspiele.
Verantwortung beim NOK
Prof. Wilfried Kindermann machte allerdings deutlich, dass die Abmeldungen der deutschen Athleten vorschriftsmäßig seien. Alle wären ansonsten durch die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) zwischen Nominierung und Öffnung des Olympischen Dorfes mindestens einem Test unterzogen worden.
Alle 205 in Peking vertretenen Nationalen Olympischen Komitees sind über die seit Mai 2008 im Internet veröffentlichten Regeln aufgefordert, seit 27. Juli täglich die sogenannten Where-About-Informationen für ihre Athleten zu aktualisieren. Angegeben werden muss, wann sich wer wo aufhält. „Die Verantwortung dafür liegt letztlich bei den Athleten, aber es ist die Verantwortung der NOKs, für die Bereitstellung der geforderten Informationen zu sorgen“, heißt es in den Regeln.
Wer während der Spiele zweimal nicht angetroffen wird oder wer während der Spiele einmal nicht erreichbar ist und in den 18 Monaten zuvor auch schon zweimal nicht zur Verfügung stand, kann bestraft werden. Bei Nicht-Einhaltung könnte die IOC-Exekutive Geldstrafen für die betroffenen NOKs aussprechen, im drastischsten Fall droht ein Ausschluss von den Spielen. Athleten droht der Ausschluss von den Spielen bzw. die Aberkennung ihrer Ergebnisse und eine Sperre.
Leichtathletik-Medaillenkandidaten, die nach Dopingsperren fehlen:
- Justin Gatlin (USA), 100-Meter-Olympiasieger 2004 (4 Jahres-Sperre wegen Testosteron April 2006-2010)
- Dwain Chambers, Ex-Europarekordler 100 Meter, Zweiter Hallen-WM 2008 60 Meter (wegen THG 2003-2005 gesperrt, nicht für Olympia 2008 zugelassen vom Britischen Olympischen Komitee BOA)
- Adil Kaouch (Marokko), 1500-Meter-Vize-Weltmeister 2005 (wegen Epo gesperrt bis 7. August 2009)
- Vania Stambolova (Bulgarien), 400-Meter-Europameisterin 2006 (wegen Testosteron-Dopings April 2007-2009 gesperrt)
- Jolanda Ceplak (Slowenien), 800-Meter-Hallenweltrekordlerin (wegen EPO für zwei Jahre bis 2009 gesperrt)
- Sureyya Ayhan (Türkei), 1500-m-Europameisterin 2002 (anabole Steroide, 4-Jahres-Sperre bis September 2011)
- Susan Chepkemei (Kenia), Weltklasse-Marathonläuferin (Asthmamittel, 1 Jahr gesperrt bis 18. Oktober 2008)
- Venelina Veneva (Bulgarien), EM-Zweite Hochsprung (wegen Testosteron-Dopings April 2007-2009 gesperrt)
- Tatyana Lysenko (Russland) Weltmeisterin Hammerwurf (gesperrt wegen Aromatase-Hemmer bis 9. Mai 2009)
- Yekaterina Khoroshikh (Russland) Hammerwurf (gesperrt wegen Aromatase-Hemmer bis 9. Mai 2009)
- Yelena Soboleva (Russland) 800/1500-m-Favoritin (Manipulation von Dopingproben im Jahr 2007)
- Darya Pishchalnikova (Russland), Diskus-Europameisterin (Manipulation von Dopingproben im Jahr 2007)
- Gulfiya Khanafeyeva (Russland) Ex-Hammer-Weltrekordlerin (Manipulation von Dopingproben im Jahr 2007)
- Tatyana Tomashova (Russland) Ex-Weltmeister 1500 m (Manipulation, siehe Sobolewa)
- Yulia Fomenko (Russland), 7. der 1500-m-Weltrangliste (Manipulation, siehe Sobolewa)
- Vladimir Kanaykin (Russland), 50-km-Gehen, Ex-Weltmeister U20 (EPO-Doping 2008)
- Liliana Popescu (Rumänien), 5. der 1500-m-Weltrangliste (Olympiaausschluss nach erhöhten Hämoglobinwerten A-Probe)
Wegen Dopings verlorenes Olympia-Gold in der Leichtathletik:
1988 Seoul:
Ben Johnson (Kanada), 100m
2000 Sydney:
Marion Jones (USA), 100 m
Marion Jones (USA), 200 m
4x400-m-Staffel der US-Frauen, (wegen Marion Jones, wohin die drei Goldmedaillen gehen, ist noch unklar)
4x400-m-Staffel der US-Männer, Leichtathletik (wegen Jerome Young und Antonio Pettigrew, wohin das Gold geht, ist noch unklar)
2004 Athen:
Irina Korshanenko (Russland), Kugelstoßen
Robert Fazekas (Ungarn), Diskuswerfen
Adrian Annus (Ungarn), Hammerwerfen
Quelle: Sport-Informations-Dienst, ots