Willi Holdorf - Der König der Athleten wird 70
Die Bilder vom Zehnkampf-Finale der Olympischen Spiele in Tokio (Japan) sind unvergesslich: Willi Holdorf taumelt nach 1.500 Metern über die Ziellinie, völlig erschöpft sinkt er auf die Aschenbahn. „Die Beine waren blutleer, der Verstand klar. Ich realisierte am Boden liegend, dass ich gewonnen hatte, aber die Kraft zum Jubeln fehlte.“ Am Mittwoch feiert Willi Holdorf in Kiel seinen 70. Geburtstag.
Als erster Deutscher gewann er an jenem 20. Oktober 1964 Gold im Zehnkampf - und nicht einmal für eine Ehrenrunde reichte die Kraft mehr. Mit 24 Jahren schrieb er in Tokio ein Stück deutsche Sportgeschichte. Nach zwei Schlaganfällen 2002 und Ende 2008 ist er körperlich zwar wieder auf der Höhe, doch die Gedanken sind schwerer geworden. „Ich habe meine runden Geburtstage stets gefeiert, ohne über mein Leben größer nachzudenken. Das ist jetzt anders“, sagte Willi Holdorf den Kieler Nachrichten.Immerhin fühle er sich wieder fit, achte auf seine Ernährung, die Ärzte haben ihm Rotwein statt Bier verordnet („in Maßen“), und Sport treibt er auch wieder: „Ich fahre Rad, im Winter auf dem Ergometer, im Sommer draußen. Eine halbe Stunde auf dem Rad fällt mir leichter als 20 Minuten schwimmen.“
Fußball, Leichtathletik, Handball…
Nach zwei Tagen Höchstleitung wurde er vor 46 Jahren in Tokio zum König der Athleten. Dabei war Willi Holdorf, der bis heute im Wirtschaftsbeirat des deutschen Handball-Rekordmeister THW Kiel sitzt, auf etlichen Ebenen erfolgreich. Als Knirps fiel er als pfeilschneller Torjäger von Fortuna Glückstadt auf. Mit 19 wurde er Deutscher Juniorenmeister im Zehnkampf. Daneben stand er im Handballtor des MTV Herzhorn.
Willi Holdorf wurde 1961 und 1963 (deutscher Rekord mit 8.085 Punkten) Deutscher Meister im Zehnkampf und 1962 über 200 Meter Hürden, in der Halle war er über 60 Meter Vizemeister. Nach dem Metier-Wechsel zum Bobsport („Beim ersten Trainingslauf hatte ich mordsmäßig Schiss“) wurde er mit Horst Floth 1973 im Zweier Vize-Europameister und im Vierer WM-Vierter.
Auch als Trainer erfolgreich
Der gelernte Starkstromelektriker war nach Ende seines Diplom-Sportstudiums (1966) an einem Gymnasium tätig, verkaufte als Makler zwischenzeitlich Häuser. Als Sprint- und Sprung-Trainer bei Bayer Leverkusen und dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) führte er Hürdenläufer Günter Nickel in die Weltklasse und Klaus Schiprowski 1968 in Mexiko-Stadt zu Olympia-Silber mit dem Stab.
Willi Holdorf trimmte zur Zeit von Daviscup-Kapitän Wilhelm Bungert die Kondition der deutschen Tennis-Asse, arbeitete sich mit dem Fußball-Lehrer-Diplom hoch bis in die Bundesliga, konnte aber 1973/74 den Abstieg von Fortuna Köln nicht verhindern.
Mit angezogener Bremse
Bei all dem Elan haben ihn die Schlaganfälle nun ein wenig gebremst. „Man macht sich schon Gedanken, wo das herkommt. Die Ärzte meinen, es wären die Gene. Meine Frau sagt, es wäre der Stress. Vielleicht ist es etwas von beidem und ich sollte etwas kürzer treten“, sagt Willi Holdorf, der sich selbst einmal als eher faul beschrieben hat. An seinem größten Tag damals in Tokio aber habe er sich zusammengerissen, wie er heute sagt.
So wurden die Bilder seines Sieges zu unvergessenen Erinnerungsstücken im deutschen Sportgedächtnis. Dabei sahen seine Landsleute erst mit Verspätung, was Willi Holdorf vollbracht hatte: „Die Fernsehbilder von meinem Sieg waren in Deutschland erst einen Tag später zu sehen, die Filme mussten mit dem Flugzeug hierher gebracht werden. Das glaubt einem heute keiner mehr.“
Quelle: Sport-Informations-Dienst