Wilson Kipketer hat noch eine Rechnung offen...
Vier Jahre ist es her. Damals in Budapest stahl ein junger Thüringer namens Nils Schumann dem Weltrekordhalter die Show. Er drängelte sich in einem unvergessenen Finish an Wilson Kipketer vorbei und holte sich den Europameistertitel. Viel ist in der Zwischenzeit passiert. Der Deutsche wurde Olympiasieger, der Däne musste eine verletzungsbedingte Zwangspause einlegen.
Jubelt Wilson Kipketer wieder in München wie beim Grand-Prix-Finale vor drei Jahren?
Aber jetzt kommt es im Münchner Olympiastadion zu einer mit Spannung geladenen Neuauflage des Duells von 1998. Die Vorzeichen haben sich zwar ein wenig verschoben, aber doch nicht so ganz, denn es ist wieder Wilson Kipketer, der als Weltjahresbester (1:43,76 min) die Favoritenrolle übernimmt. "Damit habe ich kein Problem", meint er. Es ist damit zu rechnen, dass der Däne für ein schnelles Rennen sorgen wird, weiß er doch die Taktiker Pawel Czapiewski (1:44,56 min in diesem Jahr) und Nils Schumann, der mit einem Sieg in Leverkusen in einer Zeit von 1:45,11 Sekunden noch einmal vor der EM das nötige Selbstvertrauen tankte, in seinem Nacken. Der deutsche Star zählt sich nun nach einem erfolgreichen Trainingslager in Oberhof wieder selbst zu den Medaillenkandidaten für die EM. Grübelnder Weltmeister und Verzicht des Jungstars
Der Schweizer Weltmeister André Bucher stieg nach einer Verletzung erst am 19. Juli in Monaco mit einer Zeit von 1:46,38 Minuten in das Wettkampfgeschehen ein und grübelte noch über den Sinn eines EM-Starts. Vor kurzem traf er aber die Entscheidung, den Weg ins Olympiastadion anzutreten: "Ich habe nichts zu verlieren." Das Erreichen des Finales ist sein bescheidenes Ziel. Ganz auf seine Paradestrecke verzichtet der Zweite der europäischen Jahresbestenliste, der Russe Yuri Borzakovsky. Er gibt den 400 Metern den Vorzug, wo ihn der deutsche Vize-Weltmeister Ingo Schultz gelassen erwartet.
Außenseiterchancen kann man auf den 800 Metern auch dem Belgier Joeri Jansen, den Holländern Bram Som und Arnoud Okken sowie den Franzosen Florent Lacasse und Nicolas Aissat einräumen. Die Zugabe wäre für den jungen Deutschen Meister Rene Herms von der LG Asics Pirna das Erreichen des Endlaufs, nachdem er sich das Überstehen der ersten Runde als Minimalziel gesteckt hat.
Rui Silva der Gejagte über 1.500 Meter
Ein interessantes Rennen zeichnet sich auch auf den 1500 Metern ab. In die Rolle des Gejagten schlüpft nach seinen 3:30,07 Minuten von Monaco der Portugiese Rui Silva. Wenn die Franzosen Mehdi Baala und Driss Maazouzi sowie die schnellen Spanier Reyes Estevez und Juan Carlos Higuero mit an der Startlinie stehen, ist allerdings höchste Vorsicht geboten. Aber auch die Briten haben mit Anthony Whiteman, der in diesem Sommer schon eine 3:32,43 auf die Bahn brachte, ein heißes Eisen im Medaillenfeuer. Dagegen kann der Deutsche Meister Franek Haschke befreit und ohne großen Druck auflaufen. Bereits beim Europacup in Annecy zeigte er Biss in der europäischen Spitze und verkaufte sich als Vierter teuer.