Carolina Klüft stellt Siebenkampf-Welt auf den Kopf
Sie trat das erste Mal bei der Halleneuropameisterschaft in Wien auf die internationale Mehrkampfbühne der Frauen, wurde dort auf Anhieb Dritte. Knapp ein halbes Jahr später wurde sie Juniorenweltmeisterin und legte in den Tagen von München einen furiosen Siebenkampf hin. Mit neuem Juniorenweltrekord wurde sie Europameisterin.
Neue Siebenkampfgeneration: Carolina Klüft (Foto:Gantenberg)
Carolina Klüft – Siebenkämpferin, 19 Jahre, blonde geflochtene Zöpfe, in den Nationalfarben lackierte Fingernägel, flippig, und unglaublich temperamentvoll. Sie hat gerade die Schule abgeschlossen und "hat jetzt Zeit zu trainieren". Im letzten Winter konnte sie sich, ohne von Verletzungen oder Krankheiten gebremst zu werden, "gezielt auf die Saison vorbereiten". Die Betonung liegt auf gezielt, denn vorher trainierte sie "immer das, wozu sie gerade Lust hatte". Ihre Leistungen verbesserten sich explosionsartig in allen Disziplinen und so knackte sie den, von Sybille Thiele seit den 80-er Jahren gehaltenen, Juniorenweltrekord bei der U20-Weltmeisterschaft in Kingston. Die junge Schwedin fällt auf, natürlich wegen der hervorragenden Leistungen im Wettkampf, aber auch im Umgang mit den Medien, wegen ihrer ausgelassenen Stimmung auf dem Einlaufplatz oder durch ihre Art sich unmittelbar vor einer Disziplin zu "pushen". Man sieht sie vor jedem Versuch im Hochsprung, wie ein Rumpelstilzchen vor und zurück hüpfen, die Augen weit aufgerissen, motiviert bis in die Haarspitzen, so, als ob sie vor innerer Anspannung "platzen" würde. Auf dem Einlaufplatz tänzelt sie, immer die Kopfhörer auf den Ohren, ausgelassen durch die Gegend, singt laut mit, als wäre sie gerade auf einer Geburtstagsparty. Carolina Klüft ist eben anders als alle Anderen. Sie "denkt nicht an Leistungen, Punkte oder Rekorde", sie will im Wettkampf und auch sonst,"überall Spaß haben". Bei der offiziellen Pressekonferenz im Münchner Olympiastadion, wusste sie nicht einmal,mit welcher Punktzahl sie den Wettkampf gewonnen hatte. Gut, dass da die Medaille war, auf der sie schnell nachschauen konnte.
Scheinbar völlig unbeschwert ging Carolina Klüft aus Schweden in ihre erste Freiluft-Europameisterschaft der Senioren. "Respekt", sagte sie, würde sie haben, wenn sie neben einer Sabine Braun diesen Wettkampf bestreitet. Angesehen hat man ihr das während der zwei Wettkampftage in München nicht. Als wäre es das Normalste von der Welt, marschierte sie, immer lachend und mit der Kamera spielend, von Disziplin zu Disziplin und stellte fünf Saisonbestleistungen auf. Mit 6542 Punkten holte sie sich ihren ersten Europameisterschaftstitel und verbesserte gleichzeitig ihren eigenen Juniorenweltrekord um 72 Punkte. Erster Gratulant nach den abschließenden 800 Metern war ihr Freund Patrick Kristiansson, in München Vierter der Stabhochsprungentscheidung. Nur in diesem Moment sah man bei der jungen Schwedin leichte Sentimentalität aufkommen. Kurzzeitig kullerten ein paar Freudentränen über ihr Gesicht, doch gleich darauf ging es auch schon mit ausgeflippten Gesten und Spielchen von der Kamera weiter.
Carolina Klüft "liebt es" sich vor der Fernsehkamera "darzustellen" und zu "präsentieren". Für sie scheint die Tartanbahn manchmal wie eine Theaterbühne zu sein. Für sie ist es wohl genau das Richtige, ihre Ergebnisse sprechen für sich. Hoffentlich redet ihr niemand ihre Extrovertiertheit aus, schließlich wäre es schade, auf diese Leistungen, kombiniert mit einer ungewöhnlichen "Show", während der nächsten Siebenkämpfe verzichten zu müssen.