Olympiasiegerin Heike Drechsler hat große EM-Pläne
Die Frau ist ein Pänomen. Und immer dann, wenn man nicht mit ihr rechnet, schlägt sie zu. Erbarmungslos. Irgendwie scheint dies das Markenzeichen von Heike Drechsler zu sein. Die Weitspringerin hat alles erreicht, was man als Leichtathletin erreichen kann und hat immer noch nicht genug vom "Hüpfen in die Grube".
EM-Botschafterin Heike Drechsler will es noch einmal wissen (Foto: K+C)
Mit 18 Jahren wurde die hochgewachsene blonde Athletin in Helsinki zum ersten Mal Weltmeisterin, 1993 in Stuttgart wiederholte sie den Erfolg, Olympiasiegerin wurde sie auch gleich zwei Mal - 1992 und 2000 - und sie ist immer noch mit Feuereifer dabei. "Mir macht Weitsprung einfach Spaß", sagt die Mutter eines Sohnes und ihre Augen leuchten. Davon abgesehen verdient sie damit ihren Lebensunterhalt. Auch für die EM in München hat Heike Drechsler wieder große Pläne. Gesund bleiben und dann auf Treppchen springen. Am liebsten natürlich ganz nach oben. Wie sich das anfühlt, weiß die gebürtige Thüringerin, die seit einigen Jahren in Karlsruhe wohnt, ganz genau. Schließlich stand sie dort schon einige Male. Die diesjährige Hallensaison ließ sie ruhig angehen - die 37-Jährige hatte sich wenige Tage vor dem ersten Wettkampf, ausgerechnet in Karlsruhe verletzt und wollte nichts riskieren. Schließlich gibt es Wichtigeres in diesem Jahr. Die Europameisterschaft im eigenen Land bedeutet immer etwas Besonderes. Auch für eine erfolgreiche Athletin wie Heike Drechsler, die bereits vier Mal EM-Gold im Weitsprung geholt hat.
Aufgehört, Erfolge zu zählen
"In der Regel habe ich aufgehört, meine Erfolge und Platzierungen zu zählen", sagt die blonde Leichtathletin und schmunzelt. Schließlich hat sie besseres zu tun. Aufhören ist kein Thema. "Warum soll ich das tun, wenn ich noch Spaß habe und auch der Körper noch mitmacht", sagt die flotte 37-Jährige. Auch wenn die Knochen und Muskeln ihr ab und an doch einen Strich durch die Rechnung machen.
Die hochgewachsene Athletin, die für die EM in München auch als Botschafterin fungiert, hatte in den vergangenen Jahren nicht immer Grund zum Lachen. Sie blickt auf ein bewegtes bisheriges Leben zurück. Doch der Sport half ihr auch immer wieder, über andere Schicksalsschläge hinweg. Allerdings gab es durchaus auch sportliche Durststrecken. Zeiten, in denen sie gezweifelt hat, "warum sie sich das noch antut". Auch wenn diese Phasen in der Regel nicht sonderlich lange andauerten. 1999 bei der WM in Sevilla war sie bereits vor Ort und mußte wenige Tage vor ihrer Weitsprung-Qualifikation wieder abreisen - eine Wadenverletzung hinderte sie an ihrem Start. Da hatte sie wirklich die Nase voll. "Es kamen dann schon so Gedanken auf, warum ich das eigentlich noch mache."
Heike Drechsler taucht immer wieder auf
Doch sie ist wie ein Phoenix aus der Asche: sie taucht immer wieder auf. Dabei versprüht sie enormen Optimismus und Ehrgeiz. Heike Drechsler ist eine Kämpferin. Im privaten Bereich und im Sport. Eine Frau, die nie aufgibt. Sie hat die Scheidung von ihrem Mann Andreas durchstehen müssen, musste um das Sorgerecht für ihren Sohn Tony kämpfen, sie ging psychisch und physisch einige Jahre durch mehr Tiefen als Höhen. Doch Heike Drechsler biß sich durch. Und rappelte sich immer wieder auf. "Ich hatte noch nie das Gefühl, dass ich einen Kampf aufgeben müßte." Spätestens am Abend des 29. Septembers 2000 im Olympiastadion in Sydney wusste sie, es hatte sich gelohnt. Denn da wurde die Lebensgefährtin des ehemaligen Zehnkampf-Europameisters Alain Blondel, zum zweiten Mal Olympiasiegerin. Und es gab in Sydney kaum eine emotionalere, schönere und unglaublichere Geschichte als die ihre. Mit 6,99 m schnappte sich Heike Drechsler den Titel und schrieb Sportgeschichte. Obwohl sie aufgrund von Verletzungsproblemen die Saison schon beinahe abschreiben musste. Aber es war wie so oft: die hochgewachsene Athletin hat auch in Australien bewiesen: mit ihr muss man immer wieder rechnen. Heike Drechsler ist ein Phänomen. Weitsprung ist ihr Leben. Sie hat schon diverse - wohlgemerkt - erfolgreiche Ausflüge in Richtung anderen Disziplinen hinter sich. Zum Sprint, zum Siebenkampf, war auch dort erfolgreich. 1986 bei der EM in Stuttgart holte sie neben dem Weitsprung-Gold auch den Titel über 200 m in Weltrekordzeit von 21,71 Sekunden. Doch letztendlich landete die 37-Jährige immer wieder in der Grube. Im wahrsten Sinne des Wortes. Das soll jedoch nicht heißen, dass sie sich keine Gedanken um die Zukunft macht. Sie würde gerne mit Kindern arbeiten. Vielleicht auch als Trainerin agieren, ihre über 20-jährigen Erfahrungen im Leistungssport weitergeben und junge Talente für die Leichtathletik begeistern.
München kommt gerade recht
"Ich bin ja doch nicht mehr die Jüngste", sagt sie kokett und die EM in München wird erwartungsgemäß ihre letzten kontinentale Meisterschaft sein. Und Heike Drechsler will noch einmal ganz vorne mitmischen. Geht man nach dem Gesetz der Serie, kann eigentlich nichts passieren. Internationale Meisterschaften, die in Deutschland ausgetragen werden, scheinen ein gutes Pflaster zu sein für Heike Drechsler. Da kommt ihr München doch gerade recht...