WM-Generalprobe durch den Nachwuchs
392 Tage vor dem Startschuss zu den Weltmeisterschaften in Berlin nehmen Deutschlands Nachwuchshoffnungen anlässlich der Deutschen Jugend-Meisterschaften das Olympiastadion von Freitag bis Sonntag (18. bis 20. Juli) in Beschlag. Für manch einen Athleten aus der A-Jugend könnte das zu einer Generalprobe für das Großereignis im nächsten Jahr werden.
Für die Sporttechnik und die Kampfrichter, aber auch für viele der angehenden freiwilligen WM-Helfer sind die Deutschen Jugend-Meisterschaften bereits der offizielle Testlauf. „Die Jugend-Meisterschaften sind mit fast 2.300 Teilnehmern aus 575 Vereinen die teilnehmerstärksten Deutschen Meisterschaften“, erklärt der Geschäftsführer des Berliner Leichtathletik-Verbandes, Peter Schubert, „und sie sind damit bestens geeignet, um die Abläufe maximal und möglichst realitätsnah zu testen.“Die jugendlichen Athleten im Alter von 16 bis 19 Jahren werden sich in nahezu allen Aspekten wie die WM-Teilnehmer ein Jahr später fühlen dürfen. Als eine der Ersten werden sie beispielsweise Bekanntschaft machen mit der nagelneuen Bahn im für das Aufwärmen vorgesehenen Hanns-Braun-Stadion, die - wie könnte es in Berlin anders sein? - natürlich ebenso blau sein wird wie der Belag im großen Stadion nebenan.
Nur Raphael Holzdeppe fehlt
Daher erwartet Dietmar Chounard, Bundestrainer U23/U20 im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), auch „hochmotivierte Athleten“ in der „herausragenden Wettkampfstätte“ Deutschlands. Dass die Zuschauerränge in dem großen Stadion nur spärlich gefüllt sein werden, findet er nicht störend. „Für die Athleten wird die Vorstellung zählen, im WM-Stadion zu starten.“
Von den erfolgreichen Teilnehmern der U20-WM in Bygdgoszcz (Polen) werden fast alle in Berlin dabei sein. Einzig Goldmedaillengewinner Raphael Holzdeppe (LAZ Zweibrücken) wird fehlen. Der Stabhochspringer, der mit 5,80 Metern auch die Bestenliste bei den Aktiven anführt, bereitet sich auf seine nächste internationale Aufgabe vor, die Olympischen Spiele in Peking (China; 15. bis 24. August).
Doppelerfolg für Robert Hering?
Im Sprintbereich führt der Weg zu den Titeln über 100 und 200 Meter über Robert Hering (TuS Jena). Zusätzlichen Rückenwind hat er durch seine Bronzemedaille über 200 Meter aus Polen. Bei den Frauen sind die Wattenscheiderin Yasmin Kwadwo (100 m) und die Oldenburgerin Ruth Sophia Spelmeyer (200 m) die Gejagten.
Auf Bahn zwei laufend ging 800 Meter-Läufer Sebastian Keiner bei den U20--Weltmeisterschaften im Halbfinale am Ende die Luft aus und er verpasste den Sprung in den Endlauf. Vielleicht gelingt dem Erfurter im Olympiastadion eine Revanche, indem er den 20 Jahre alten deutschen U20-Rekord attackiert. Mit seiner Saisonbestmarke von 1:45,98 Minuten ist er nicht mehr allzu weit entfernt von den 1:45,45 Minuten, die Andreas Busse 1978 gelaufen ist.
Spannung über die Stadionrunde
Spannende Entscheidungen verspricht sich Dietmar Chounard von den 400 Metern, sowohl beim männlichen als auch weiblichen Nachwuchs. Die U20-WM Finalisten Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt) und Niklas Zender (TSV Friedberg-Fauerbach) nehmen die Favoritenrolle ein. Dahinter befinden sich jeweils zwei bis drei Athleten, die ebenfalls Ansprüche anmelden.
Mit ihrem fünften Platz in Bydgoszcz über 400 Meter Hürden mit persönlicher Bestleistung (57,46 sec) zählte Laura Hansen (SV Sonsbeck) zu den absolut positiven Überraschungen im DLV-Team. In Berlin warten mit Fabienne Kohlmann, Christiane Klopsch (TSV Friedberg-Fauerbach) und Inga Maria Müller (TSV Wiepenkathen) starke Konkurrentinnen auf dem Weg zu einem möglichen Erfolg.
Starke Werfer
Ein Weltmeister und eine Vize-Weltmeisterin von Bydgoszcz werden im Diskus-Ring auf Weitenjagd gehen. Keinen Geringeren als den großen Favoriten Mykyta Nesterenko (Ukraine) ließ der Potsdamer Gordon Wolf bei seinem Triumph in Polen hinter sich. Hinter dem Schützling von Diskus-Weltrekordler Jürgen Schult kommen eine Handvoll Werfer für die weiteren Podiumsplätze in Betracht. Einzige deutsche Silbermedaillengewinnerin der U20-Weltmeisterschaften war die Berlinerin Julia Fischer, die sich bei ihrem Heimspiel mit der WM-Vierten aus Dortmund, Anna-Katharina Weller, duellieren wird. Für Daniela Fink (TSV Bayer 04 Leverkusen) wäre die Wiederholung ihres dritten Platzes aus dem Vorjahr ein Erfolg.
Kugelstoßer David Storl, Freund von Julia Fischer, startete mit seiner Goldmedaille zum Auftakt der U20-Weltmeisterschaften die medaillenträchtigen Tage von Bydgoszcz. Der Chemnitzer siegte mit einem neuen deutschen U20-Rekord von 21,08 Metern und geht natürlich auch in Berlin als großer Favorit in den Ring. Dass er erneut seine Bestmarke angreift, glaubt Dietmar Chounard nicht: „Das wird schwierig sein, weil sein Saisonhöhepunkt vorbei ist.“
Hohe Leistungsdichte im Stabhochsprung
Durch das Fernbleiben von Raphael Holzdeppe bei den Jugend-Meisterschaften scheint der Weg für den Dritten von Bydgoszcz, Karsten Dilla (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen), zum Titel im Stabhochsprung frei. Eine enge Entscheidung erwartet Dietmar Chounard bei den weiblichen Höhenjägerinnen. Neben den beiden U20-WM-Finalistinnen Natasha Benner und Ann-Kathrin Schwarz (beide LAZ Zweibrücken) sind drei weitere Springerinnen in dieser Saison bereits über 4,00 Meter geflogen.
„Überglücklich“ war Weitspringerin Ksenia Achkinadze (LG Eintracht Frankfurt) nach ihrem vierten Platz bei den U20-Weltmeisterschaften. In Berlin wird sie zusammen mit Lokalmatadorin Eileen Matthes, der Wattenscheiderin Sosthene Moguenara und drei weiteren Athletinnen um die Top-Platzierungen springen. In Abwesenheit des bereits in Bydgoszcz erkrankten Hallensers Mario Kral ist der Mannheimer Julian Howard Sieganwärter bei den Weitspringern.
Wie in den Vorjahren locken auch diesmal nicht nur die sportlichen Höchstleistungen im Stadion, sondern auch das attraktive Rahmenprogramm vor der Arena. Unter anderem präsentiert am Freitag und Samstag der fünfmalige Europameister über 400 Meter Hürden, Dr. Harald Schmid, den in Zusammenarbeit mit dem DLV und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ins Leben gerufenen Wettbewerb „Kinder stark machen - Freu Dich auf die WM!", bei dem es als Hauptpreis eine Reise für den gesamten Verein zur WM 2009 zu gewinnen gibt. Die DLV-Jugend wird Autogrammstunden mit den Siegern veranstalten.