München verbeugt sich vor Sabine Braun
Wenn etwa 15.000 Menschen in einem Stadion verweilen, ohne das ein Startschuss fällt, ein Speer fliegt oder ein Staffelstab übergeben wird, muss noch etwas ganz Besonderes ausstehen. Lange nachdem die portugiesische Staffelläuferin Claudia Tavares als Letzte die Ziellinie überquerte, erklang noch einmal "stand up for the champion" und 15.000 taten prompt wie geheißen.
Sabine Brauns letzter Jubel (Foto: Kiefner)
Allerdings nicht nur für den Champion. Carolina Klüft, die an den zwei Siebenkampftagen mit 6542 Punkten ihren eigenen Juniorenweltrekord verbesserte, läutete mit ihrer unkonventionellen Art sicherlich eine Generation im Frauen-Mehrkampf ein - die Verehrung galt aber eher der Athletin, die sie ablöst. Sabine Braun beendet nach 66 Siebenkämpfen mit sieben internationalen Medaillen, darunter je zwei Welt- und Europameistertiteln ihre Karriere.Cancan der Marathon-Läuferinnen
Dabei konnten Sportler, Zuschauer, Helfer, Organisatoren und Journalisten doch zum ersten Mal ausschlafen. Mit der Ausnahme von den 26 Läuferinnen, die sich um 11.45 Uhr auf dem Odeonsplatz auf die Marathonstrecke machten. Besonders ausgeschlafen präsentierten sich dabei die deutschen Läuferinnen den Abertausenden an der Strecke. Luminita Zaituc Tempowechsel-erlief sich die Silbermedaille, Sonja Oberem wurde für ihren couragierten Kampf mit Bronze belohnt – lediglich die Italienerin Maria Guida absolvierte die 42,195 Kilometer schneller. Zusammen mit Ulrike Maisch (8.) und Melanie Kraus (17.) entschieden die beiden dekorierten Deutschen zudem die Europa-Cup-Wertung für sich. Zu viert liefen sie die verdiente Ehrenrunde und tanzten ausgelassen den Cancan.
Die Hüften kreisen ließ auch Lars Börgeling – ausgiebiger hätte es der 23-Jährige jedoch getan, wenn er statt Silber Gold gewonnen hätte. Doch der Israeli Alexander Averbukh tauchte wie so oft aus der Versenkung auf und sicherte sich mit 5,85 Metern den Europameistertitel. Tim Lobinger blieb im Nieselregen nur der Bronzerang. "Es war wie russisches Roulette bei diesen wechselnden Windverhältnissen", meinte der extrovertierte 29-Jährige danach.
Silberne Überraschung aus Finnland
Der Wind war es indes auch, der eine neue Weltjahresbestleistung im Dreisprung der Frauen verhinderte. Ashia Hansen entriss der Überraschungsführenden Heli Koivula mit ihrem letzten Versuch die Goldmedaille – allerdings wurde sie bei ihren 15,00 Metern zu sehr von hinten angeschoben.
Schub von hinten brauchte Colin Jackson diesmal nicht mehr. Der Waliser reihte sich mit seinem 25. Titel bei einer internationalen Meisterschaft in die illustre Reihe mit Nadyezhda Chizhova, Janis Lusis, Heike Drechsler und Steve Backley ein, die ebenfalls vier Mal bei Europameisterschaften ganz oben standen. Seine 13,11 Sekunden nach 110 Metern und zehn Hürdenüberquerungen verwiesen den Letten Stan Olijar (13,22 sec) und den Polen Artur Kohutek (13,32 sec) auf die Plätze. Knapp dahinter reckte Florian Schwarthoff seinen langen Hals zum vermeintlich letzten Mal über die Ziellinie. Der 34-Jährige Sprint-Schlacks überlegt sich, ob seines erneuten vierten Rangs und seiner ansteigenden Formkurve, allerdings noch einmal, ob er wirklich in die sportliche Rente geht: "Fragen sie mich im Herbst wieder im Moment macht es mir einfach zu viel Spaß."
Ein spanisches und ein russisches Sandwich
Das Kugelstoßen der Frauen machten einmal mehr die Damen aus dem Osten untereinander aus. Die Russinnen Irina Korzhanenko (20,64 m) und Svetlana Kriveloyova (19,56 m) nahmen auf dem Siegerfoto die ukrainische Titelverteidigerin Vita Pavlysh (20,02 m) in ihre Mitte. Astrid Kumbernuss stieß ihr 4 Kilogramm schweres Arbeitsgerät lediglich auf 19,22 Meter und belegte den vierten Rang. Nadine Kleinert wurde 18,68 Metern Sechste.
Ebenfalls in die Mangel nahmen über 3000 Meter Hindernis die beiden Spanier Antonio Jimenez (1. in 8:24,34 min) und Luis Miguel Martin (3. in 8:24,72 min) den holländischen Europarekordhalter Simon Vroemen (2. in 8:24,45 min). Über 5000 Meter, gewann die Spanierin Marta Dominguez in 15:14,76 Minuten die Goldmedaille. Die Titelverteidigerin Sonia O'Sullivan bog nach zwölf absolvierten Runden als Erste aus der Kurve auf die Zielgerade. Schulter an Schulter absolvierten die ungleichen Läuferinnen die finalen 100 Meter. Am Ende hatte die Irin O'Sullivan um neun Hundertstel (15:14,85 min) das Nachsehen, aber immerhin Silber in den Händen.
In den letzten Vorläufen dieser 18. Europameisterschaften rückten die Staffelhölzer ins Rampenlicht. Die deutschen Übergabegeräte fühlten sich dabei besonders wohl. Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen erreichten jeweils beide Lang- und Kurzsprintquartett die Endläufe. Danach gehörte das Olympiastadion wieder ganz allein der großen deutschen Siebenkampf-Dame.