Wolfram Müller - „Bittere Monate“
Um Wolfram Müller (Erfurter LAC) war es nach seinem Achillessehnen-Riss still geworden. Bei den Deutschen Cross-Meisterschaften meldete er sich Anfang März als Deutscher Vizemeister zurück. Am 29. April steht ihm als Tempomacher beim Hamburg-Marathon die nächste Bewährungsprobe bevor. Im Interview spricht der 30-Jährige über diese für ihn neue Aufgabe und über seine persönlichen Ziele für den Sommer.
Herr Müller, in Hamburg wollen einige der besten deutschen Marathonläufer die Norm für die Olympischen Spiele knacken, und Sie sollen ihnen dabei helfen. Wie kam es dazu?Wolfram Müller:
Das hängt damit zusammen, dass Frank Thaleiser [Geschäftsführer der Marathon Hamburg Veranstaltungs GmbH] auch mein Manager ist und meine Wettkämpfe organisiert. Er wollte einen zuverlässigen Tempomacher für den Hamburg-Marathon buchen und hat mich gefragt, ob ich so weit bin im Training und ob ich das machen kann. Da habe ich gesagt: Ja, und ich mache das gerne.
Sind Sie zuvor schon einmal als Tempomacher engagiert worden?
Wolfram Müller:
Nein, was das betrifft, habe ich noch keine Erfahrungen. Aber ich werde mich noch darauf vorbereiten. Außerdem absolviere ich ja in einem ganz normalen Trainingszyklus viele Tempo-Dauerläufe, die sich in dem Schnitt bewegen, in dem ich für die beiden anlaufen soll.
Die angestrebte Olympia-Norm liegt bei 2:12 Stunden. Welche Vorgabe haben Sie als Tempomacher?
Wolfram Müller:
Ich versuche, bis zur Halbmarathon-Marke Tempo zu machen. Der soll in 65:30 Minuten absolviert werden. Das bewegt sich im Bereich von 3:08 Minuten pro Kilometer.
Wie gut kennen Sie Falk Cierpinski und Martin Beckmann, die Sie auf ihrem Weg zum Olympia-Ticket unterstützen sollen?
Wolfram Müller:
Ich war vor drei Jahren mit Falk zusammen im Trainingslager. Falk und Martin haben außerdem denselben Sponsor wie ich. Wir sind schon zusammen gelaufen, und in der Läuferszene kennt man sich sowieso insgesamt ziemlich gut. Sicher werde ich auch vor dem Marathon noch einmal mit beiden sprechen. Ich will meine Sache da ja so gut wie möglich machen.
Ist ein Marathon-Start auch für Sie selbst ein Thema?
Wolfram Müller:
Nein, an den Marathon denke ich überhaupt nicht. Ich habe mich dazu entschieden, von der Mittelstrecke wegzugehen und mich auf die Langstrecke zu konzentrieren. Ich möchte in Zukunft die 5.000 und die 10.000 Meter laufen – insofern passt auch der Halbmarathon in Hamburg super in meinen Trainingsplan.
Welche Ziele haben Sie persönlich für die kommende Saison?
Wolfram Müller:
In diesem Jahr würde ich mich gerne über eine der beiden Langstrecken für die Europameisterschaften qualifizieren. Die Normen für die Olympischen Spiele – da muss ich realistisch sein – sind für mich erst mal nicht in Reichweite. Aber man weiß ja nie: Vielleicht gibt es doch die Möglichkeit, dass man mit darf, wenn man eine gute Europameisterschaft läuft. Auf jeden Fall will ich mich wieder der deutschen Spitze annähern und wieder vorne mitlaufen.
Danach sah es vor einiger Zeit noch nicht aus. Nach Ihrem Achillessehnen-Riss vor 17 Monaten konnten Sie lange nicht trainieren…
Wolfram Müller:
Im Oktober 2010 habe ich mir die Achillessehne gerissen und erst im August 2011 wieder mit dem Training angefangen. Ich habe neun Monat komplett pausiert, ich konnte nicht laufen, nicht radfahren – gar nichts. Dafür ist die Sehne jetzt vollständig ausgeheilt, ich habe keine Schmerzen mehr, kann jegliche Trainingsmittel nutzen und einfach alles machen. Nach so vielen Jahren wieder schmerzfrei trainieren zu können, gibt mir eine innerliche Zufriedenheit.
Wie schwer war es, wieder in den Trainingsalltag zu finden?
Wolfram Müller:
Das waren schon ein paar bittere Monate. Ich konnte die zehn Kilometer am Anfang nicht mal in 40 Minuten laufen. Aber es ging doch relativ schnell, dass sich mein Körper wieder an die Belastung gewöhnt hat. Ich bin viel Fahrrad gefahren, habe zwei Ski-Trainingslager gemacht, und in den vergangenen vier bis sechs Wochen haben wir versucht, das dann wieder auf das Laufen umzumünzen.
Wer hat Sie in dieser schweren Zeit besonders unterstützt?
Wolfram Müller:
Auf jeden Fall meine Familie, besonders meine Frau, die die ganze Zeit hinter mir stand. Mein Trainer Enrico Aßmus. Auch mein Verein, der Erfurter LAC, hat zu mir gehalten. Außerdem habe ich Unterstützung von der Thüringer Polizei erhalten. Ich bin während meiner Verletzung aus der Sportfördergruppe ausgeschieden und habe ein Jahr lang im normalen Dienst meine Ausbildung gemacht. Dafür bin ich jetzt wieder ein Jahr lang für den Sport freigestellt.
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem jetzigen Leistungsstand?
Wolfram Müller:
Absolut zufrieden! Noch schneller geht es in dieser kurzen Zeit von Oktober bis März einfach nicht. Und noch habe ich ja sechs bis acht Wochen intensives Lauftraining vor mir. Im April werde ich, wenn alles klappt, noch mal nach Portugal ins Trainingslager fahren und mich der Berliner Gruppe von Carsten Schlangen anschließen. Ich hoffe, dass ich dann mit meiner Leistungsfähigkeit in die Nähe der EM-Norm komme.
In wenigen Wochen geht die Sommersaison so richtig los. Worauf freuen Sie sich am meisten?
Wolfram Müller:
Ich freue mich am meisten, dass ich wieder Wettkämpfe machen kann! Nach zwei Jahren Wettkampf-Pause ist es unheimlich schwer, da wieder reinzukommen – die ganzen Abläufe, die Motivation, die Bereitschaft, 100 Prozent zu geben... Jeder Wettkampf ist für mich wieder eine neue Herausforderung, und diese Herausforderung will ich annehmen.