Wolfram Müller - „Nutzen jetzt unsere Stärken“
Wolfram Müller hat sich nach einer Durststrecke wieder einmal zurückgemeldet. Der Pirnaer gewann in diesem Winter die nationalen Titel in der Halle über 1.500 Meter und auf der Cross-Mittelstrecke. Bei der Hallen-EM wurde er Vierter. Jetzt ruft die WM in Berlin (15. bis 23. August). Im Interview spricht der 27-Jährige über seine Erfolge und das Geheimnis, das dahinter steckt.
Wolfram Müller, bei der Cross-DM in Ingolstadt war ein Mittelstrecken-Duell mit dem Berliner Carsten Schlangen erwartet worden. Am Ende feierten Sie einen ungefährdeten Sieg. Was war der Schlüssel zum Erfolg?Wolfram Müller:
Ich war schon mit dem Ziel angereist, das Rennen zu gewinnen. Es war aber nicht nur ein Duell zwischen Carsten Schlangen und mir, es waren 120 Leute auf der Strecke. Eingangs der letzten Runde, da musste man sich dann irgendwann entscheiden: So, jetzt geh ich, jetzt mach ich Druck. Unterwegs merkt man schon, wie die anderen Läufer atmen, wie sie an bestimmten Steigungen reagieren und wann man versuchen kann, sich abzusetzen.
Wann waren Sie sich Ihrer Sache sicher?
Wolfram Müller:
Ich hatte bei meinem Angriff schon ein sehr, sehr gutes Gefühl. Ich hatte gute Beine. Auch in den letzten Wochen konnte ich das schon spüren. Es war für mich vorher bereits innerlich klar, dass ich eine gute Form habe und ich die Leistung abrufen kann, nachdem ich zuvor konstante Leistungen gezeigt hatte. So wusste ich, dass es sich nur um drei, vier Leute handeln kann, die mit mir vorne mitlaufen.
Bei der Hallen-EM sind Sie auch vorne mitgelaufen, aber zu einer Medaille hat es nicht ganz gereicht. Wie fällt die Analyse zu dem vierten Platz aus?
Wolfram Müller:
Ich wollte eine Medaille holen. Bei dem taktisch geprägten Rennen habe ich mich teilweise nicht richtig verhalten. Teilweise ist es auch für einen so großen Athleten wie mich mit 1,92 Metern sehr schwierig zu laufen. Dennoch bin ich im nachhinein zufrieden mit dem vierten Platz.
Worin begründet sich die konstante Form, die Sie in diesem Winter zeigen konnten?
Wolfram Müller:
Ich hatte am 1. Oktober wieder mit dem Training angefangen und ich konnte seither verletzungsfrei trainieren. Davor hatte ich nach der verpassten Olympia-Qualifikation eine auch verletzungsbedingt sehr, sehr lange Pause von ungefähr zehn Wochen. Ich habe in der Zeit geheiratet, war in den Flitterwochen. Meine Tochter wurde geboren. Das alles gab unheimlich Aufschwung. Ich konnte mich körperlich erholen und frisch in die neue Saison gehen, um über Wochen ganz konstant die Form aufzubauen. Ich habe mich physiotherapeutisch umorientiert. Auch die Zusammenarbeit mit dem Trainer funktioniert jetzt blind, das ist ein ganz wichtiger Baustein. In Leipzig bekommen wir die Unterstützung vom Institut für angewandte Trainingswissenschaften, so dass wir jetzt ordentliche Trainingsmittel gefunden haben, mit denen wir super zurecht kommen.
Sie haben ja schon früher bei Klaus Müller trainiert. Funktioniert das Zusammenspiel damit jetzt blinder als früher?
Wolfram Müller:
Wir haben unsere Stärken und Schwächen, nun nutzen wir unsere Stärken aus. Es funktioniert jetzt wirklich sehr gut. Wir sind ein eingespieltes Team. Dass wir uns so blind vertrauen, ist die entscheidende Sache.
Vor zwei Jahren waren Sie zuletzt Crossmeister und sind damals auch gleich wieder auf der Rechnung vieler Experten als jemand, der sich zurückmeldet, aufgetaucht. Wie sehr lässt sich die Situation vergleichen?
Wolfram Müller:
Die Ausgangssituation war damals eine ganz andere. 2007 bin ich in der Halle bei weitem nicht so stark gerannt wie in diesem Winter. Damals wurde ich nur sehr glücklich und mit einer langsamen Zeit Deutscher Hallenmeister. Ich hatte vorher und nachher keine schnellen Zeiten hinbekommen, da war bei weitem nicht die Konstanz gegeben. Jetzt bin ich, auch für die Sommer-Vorbereitung, ein ganzes Stück weiter.
Die WM in Berlin lockt, keine Frage. Was streben Sie außerdem im Sommer an?
Wolfram Müller:
Es gibt die erste Mannschafts-Europameisterschaft. Das halte ich für eine ganz interessante Sache, gerade nachdem, was sich dort mit den vielen Neuerungen abspielen wird. Das wird spannend. Aber auch dafür muss man sich erst qualifizieren. Die Karten werden jetzt neu gemischt. Es geht in eine neue Trainingsperiode.
Was bedeutet das für den nationalen Vergleich?
Wir sind in der glücklichen und spannenden Situation, dass gleich mehrere, also drei oder vier Athleten über 1.500 Meter für die WM in Frage kommen und sich interessante Rennen liefern werden. Bei uns ist nicht schon immer vorne weg etwas vergeben, sondern es ist spannend im Kampf um die vordersten Plätze. Überhaupt ist es für die Entwicklung einer Disziplin ganz wichtig, dass man sich gegenseitig pushen kann und man die Konkurrenz im Nacken spürt.
Wie wahrscheinlich ist es, dass jene Drei, die bei der Cross-DM auf dem Treppchen standen, also auch Christoph Lohse aus Wattenscheid und Carsten Schlangen aus Berlin, bei der WM am Start sein werden?
Wolfram Müller:
Christoph Lohse hat angekündigt, dass er in diesem Jahr über die Hindernisse gehen will. Er ist ja dort auch im Kader. Wir sind aber schon, ihn eingeschlossen, vier Kandidaten, auch Stefan Eberhardt muss man noch dazuzählen, die das Potenzial haben, in Richtung 3:36,20 Minuten zu laufen und die Norm zu erreichen. Vielleicht gelingt es auch noch anderen Läufern, die im Aufwind sind, an dieses Leistungsniveau anzuschließen.
Zurück zur Cross-DM in Ingolstadt. Wie fanden Sie die Veranstaltung?
Wolfram Müller:
Es hat mir sehr gut gefallen. Ingolstadt hatte eine sehr attraktive Strecke. Es ist wichtig, dass die Strecken schnell sind. Es heißt immer, die deutschen Läufer verstecken sich international. Im Cross aber wird international schnell gelaufen und das auf flachen Grasstrecken mit teilweise unnatürlichen Hindernissen. So muss auch der Cross in Deutschland aussehen, dass schnelle, attraktive Läufe möglich sind. Auf dem Gelände in Ingolstadt war auch schön, dass man die Läufer immer im Blickpunkt halten konnte.
Denken Sie, Ingolstadt wäre auch für eine Cross-Europameisterschaft bereit?
Wolfram Müller:
Von der Anlage her auf jeden Fall, finde ich. Die Strecke wäre international tauglich, zumal man im Wald durchaus noch zwei Hügel einbauen könnte.
Was sind Ihre nächsten Schritte auf dem Weg nach Berlin?
Wolfram Müller:
Ich mache jetzt eine Woche semi-spezifisches Training. Am Freitag habe ich eine Laser-Augen-OP in Potsdam, nachdem ich nur eine eingeschränkte Sehfähigkeit auf beiden Augen habe. Nach einer Woche Urlaub geht es danach ins Trainingslager nach Zinnowitz.