Wolfram Müller pudelwohl zu neuen alten Erfolgen
"Ich war überheblich", sagte Franek Haschke zu Isabelle Baumann nach dem 1.500-Meter-Lauf bei den Deutschen Hallen-Meisterschaften in Leipzig und ergänzte auf Nachfrage: "Ich dachte, dass er einbricht." Gemeint war sein früherer Trainingskollege Wolfram Müller, der von der Gattin des Vize-Europameisters Dieter Baumann seit dem vergangenen Herbst trainiert wird. Nach einem von vielen Rückschlägen geprägten vergangenen Jahr meldete sich der U23-Europameister am Wochenende eindrucksvoll auf der Bahn zurück.
Wolfram Müller lief in Leipzig offensiv zum Sieg (Foto: Kiefner)
Nach gut einer Minute überrumpelte Wolfram Müller am vergangenen Sonntag in der "Arena Leipzig" seinen stärksten Konkurrenten und erlief sich nach wenigen Augenblicken einen Vorsprung von rund fünfzehn Metern, der am Ende der Schlüssel zu dem beeindruckenden Sieg in 3:40,46 Minuten war. "Ich wollte einen langen Schlussspurt machen", erzählte der Titelträger nach dem Rennen und der genossenen Ehrenrunde.Diese Taktik hatte ihm Isabelle Baumann nach einem erfolgreichen Test wenige Tage vor den Titelkämpfen mit auf den Weg gegeben: "Ich habe zu ihm gesagt, dass er das machen soll, was er am besten kann." Die Trainerin sah dann die erhoffte Meisterleistung von einem Wolfram Müller "wie man ihn kennt."
Aufgeregt beim Wiedereinstieg
Für Wolfram Müller war es erst das zweite Rennen in diesem Winter. Den Wiedereinstieg hatte er abseits des deutschen Leichtathletik-Zirkus' am 9. Februar beim Hallen-Meeting in Gent gewagt. "Da war ich ganz schön aufgeregt", gestand er später. Als Zweiter lief er nach 3:44,83 Minuten hinter dem Ukrainer Ivan Heshko ein. Danach spürte er seinen rechten Oberschenkel, muskuläre Probleme machten ihm zu schaffen. "Ich konnte fünf Tage gar nicht laufen." Der nächste geplante Start in Leverkusen musste ausfallen.
Die anschließende Konzentration auf den Auftritt in Leipzig hat sich umso mehr gelohnt. "So wieder einzusteigen, ist einfach super", strahlte Wolfram Müller als frischgebackener Hallenmeister.
In dieser Woche läuft der Sportsoldat bei der Militär-Cross-Weltmeisterschaft in Frankreich, auch einen Start am 8. März bei der Cross-DM in Bad Dürrheim schließt er nicht aus. Immerhin war er zum Ende des Olympiajahres 2000 Junioren-Europameister im Gelände und kommt auch dort bestens zurecht.
Wieder in Schwung
Der 21-jährige, der vor seiner Zwangspause im letzten Jahr bereits von manchen überschwänglich als Nachfolger von Dieter Baumann hochgejubelt wurde, kommt wieder in Schwung.
Es scheint, dass sich der vollzogene Tapetenwechsel gelohnt hat. Im vergangenen Sommer kam es zum Bruch mit seinem alten Trainer Klaus Müller und zu unschönen Querelen bei der LG Asics Pirna, für die seine alten Trainingskollegen René Herms und Franek Haschke weiter starten. Wolfram Müller beschritt seinen eigenen Weg, wagte den Schritt zu Isabelle Baumann und schloss sich der LAV Tübingen an.
Er lebt jetzt auch in der "Dieter-Baumann-Stadt" und ist dort längst nicht so im Mittelpunkt wie in Pirna. Das tut Wolfram Müller gut: "Ich fühle mich so wohl. Der Unterschied zu Pirna ist, dass ich in Tübingen mehr Ruhe habe." Auch die Nähe zu dem Baumann-Ehepaar hilft viel. "Wir sind uns sehr nahe, ich bekomme viele Sachen unmittelbar mit", erzählte Isabelle Baumann.
Weiterhin ein "eingefleischter Pirnaer"
Doch hat sie auch erkannt, dass ihr Hoffnungsträger nach wie vor ein "eingefleischter Pirnaer" ist, auch wenn er kaum mehr den Weg in seine sächsische Heimat findet. "Aber er soll seine Freunde zuhause nicht vernachlässigen", rät ihm seine Trainerin, die dabei ist, ihm jetzt ein anderes System beizubringen. "Er muss viel selbst entscheiden, er muss sein Training selbst absprechen und seinen Tag selbst gestalten." Wolfram Müller macht offensichtlich als Läufer im Südwesten der Republik einen neuen Reifeprozess durch und davon kann er nichts anderes als profitieren.
Die aktuelle Hallen- und Cross-Saison kann für ihn nur der Aufgalopp für den Sommer sein. Dann will er wieder dort anschließen, wo er vor zwei Jahren als U23-Europameister, Deutscher Meister und WM-Teilnehmer stand. Wolfram Müllers Rezept auf dem Weg dorthin klingt denkbar einfach: "Trainieren, trainieren, trainieren."
Deshalb verwundert es auch nicht, wenn ihn Isabelle Baumann entsprechend lobt: "Er ist ein mustergültiger Athlet." Einer, der sich wieder aufmacht. Zu neuen Erfolgen, eben so wie am Wochenende in Leipzig.