| Doppel-Interview Erfurt

Yasmin und Keshia Kwadwo: "Besonderes Gefühl gegen die Schwester zu laufen"

Entspannt und gelöst verfolgten die Schwestern Yasmin (MTG Mannheim) und Keshia Kwadwo (TV Wattenscheid 01) die weiteren Wettbewerbe des Erfurt Indoor Meetings am vergangenen Freitag. Und sie hatten auch allen Grund dazu, hatten sie doch beide nur eine Stunde vorher im 60-Meter-Finale überzeugt: Yasmin lief als Dritte mit 7,26 Sekunden bis auf zwei Hundertstel an ihre Bestleistung heran und die Norm für die Hallen-EM, U18-Europameisterin Keshia behauptete sich im Frauenfeld nur einen Platz dahinter mit Saisonbestleistung (7,42 sec). Im Interview berichten die beiden, warum es etwas Besonderes ist, mit der eigenen Schwester auf der Bahn zu stehen.
Katharina Giel

Yasmin mit der EM-Norm und Keshia mit einer neuen Saisonbestleistung – wie zufrieden seid ihr mit eurem Start in Erfurt?

Yasmin Kwadwo:

Also ich bin auf alle Fälle super zufrieden. Nach der letzten Saison ist es natürlich enttäuschend für mich gewesen, dass ich meine Ziele nicht erreicht habe. Ich war dann für drei Monate in England, und dass ich danach zurückkomme und die EM-Norm renne, ist einfach toll. Das war der beste Einstieg, den ich jemals hatte, nur zwei Hundertstel über meiner persönlichen Bestleistung. Es hat alles gehalten, und damit kann es weitergehen.

Keshia Kwadwo:

Ich bin auch sehr zufrieden, weil ich eigentlich nicht damit gerechnet habe, bei den Frauen überhaupt ins Finale zu kommen. Dass ich dann noch den vierten Platz mache, ist sozusagen ein Wunder. Und dann noch gegen meine Schwester zu laufen, das ist auf jeden Fall ein besonderes Gefühl.

Wie fandet ihr die Stimmung und die Bedingungen hier in Erfurt?

Yasmin Kwadwo:

Ich war vorher noch nie in Erfurt, weil hier bisher eher der Männer-Sprint dominant war. Es ist ein absolut schönes Meeting. Julian Reus und der LAC Erfurt haben wirklich gute Arbeit geleistet. Ich komme auf alle Fälle sehr gerne zurück. Ich finde, solche Meetings braucht Deutschland einfach.

Keshia Kwadwo:

Ich kann mich da nur anschließen. Vor allem auch für die Jüngeren wie mich ist es ein sehr guter Wettkampf, um Erfahrungen zu sammeln.

Ihr habt es ja selber schon angesprochen: Zwei Schwestern auf der Laufbahn, beide im Finale und beide sehr stark vertreten. Wie ist das so, mit der eigenen Schwester in einem Lauf zu stehen? Das gibt es ja sicher auch nicht so häufig für euch?

Yasmin Kwadwo:

Nein, das gibt es nicht häufig. Das gab es vor zwei Jahren das erste Mal, als wir bei den Deutschen Meisterschaften in der Staffel gegeneinander gelaufen sind. Für mich ist es immer nochmal ein besonderer Anreiz, weil ich dann doch meine Position klar machen will (lacht). Ich bin absolut stolz auf meine kleine Schwester. Ich finde es super, dass sie schon so mithalten kann und ich wünsche ihr auch weiterhin alles Gute auf ihrem Weg zu den Besten.

Keshia Kwadwo:

Man kann natürlich immer zu seiner Schwester aufschauen und sich vieles abkucken, beim Warmmachen zum Beispiel. Sie gibt mir auch viele Tipps, wie ich Dinge besser machen kann. Vorallem wenn der Trainer nicht da ist, ist das schon eine sehr gute Situation.

Ihr trainiert an verschiedenen Orten, Mannheim und Wattenscheid. Tauscht ihr euch trotzdem regelmäßig darüber aus, wie es im Training läuft?

Yasmin Kwadwo:

Wir Geschwister verstehen uns alle sehr gut. Da schreibt man sich schon regelmäßig, was die anderen so machen, wie es im Training und in den Wettkämpfen läuft. Unser Bruder spielt Fußball, da fragt man natürlich auch, wie es bei ihm im Training geht. Das heißt, der Kontakt ist immer da. Ich bin die Älteste, und wenn meine jüngeren Geschwister mal einen Rat braucht, gebe ich ihnen den gerne.

Was würdet ihr sagen, in welchen Punkten seid ihr Euch ähnlich, wenn es um den Sport geht, und in welchen unterscheidet ihr euch eher?

Yasmin Kwadwo:

Ich denke, wir sind beide auf jeden Fall ehrgeizig. Es ist witzig, weil eigentlich sehe ich in ihr quasi mich in meinen jüngeren Jahren. Sie ist bis jetzt den gleichen Weg gegangen und hat die ersten Titel im Jugend-Bereich gesammelt. Aber Unterschiede, ich weiß gar nicht. Da muss ich kurz nachdenken (beide lachen). Ich denke, Keshia ist definitiv lockerer als ich, sie hat noch diese jugendliche Unbekümmertheit. Ich denke trotzdem, dass wir gar nicht so viele Unterschiede haben. Wir sind uns sehr ähnlich. Allein schon das Aussehen, sie ist so groß wie ich, hat dieselben Gesichtszüge, einen ähnlichen Laufstil. Wir werden deshalb sehr häufig verwechselt.  Wir haben viel mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede.

Yasmin, du hast vorhin angesprochen, dass du in England warst. Was hast du dort gemacht und wie ließ sich das mit dem Sport vereinbaren?

Yasmin Kwadwo:

Ich war für drei Monate in Loughborough, das ist eine Stunde von Birmingham entfernt. Dort habe ich an der Uni ein Auslandssemester gemacht. Ich studiere Englisch und Geschichte und habe mir immer die Option offen gelassen, irgendwann einmal ins Ausland zu gehen, um meine Sprache zu verbessern. Da hat sich der Zeitpunkt nach den Olympischen Spielen einfach perfekt angeboten. Ich habe mich bewusst für diese Uni entschieden, da ich wusste, dass ich dort Trainingsmöglichkeiten direkt auf dem Campus und kurze Wege überallhin habe.

Mit wem hast du in der Zeit trainiert?

Yasmin Kwadwo:

Mit Asha Philip, die in Rio mit der britischen 4x100-Meter-Staffel Bronze geholt hat, habe ich dort eine gute Freundin kennengelernt, mit der ich, egal zu welcher Uhrzeit, auf den Trainingsplatz gehen konnte. Es war interessant für mich zu sehen, wie die Engländer trainieren. Die Mentalität, die sie haben, ist, so wie ich das empfunden habe, deutlich lockerer als bei uns Sprintern hier. Und ich denke, dass ich die Lässigkeit und Lockerheit mit übernommen habe. Interessant war auch zu sehen, wie die Engländer ihr Training gestalten. Vor allem bei Asha konnte ich mir für mich persönlich etwas abschauen und ein paar Sachen mit nach Deutschland nehmen. In diesem Zusammenhang möchte ich mich auch nochmal beim Landessportverband Baden-Württemberg bedanken. Er hat es mir ermöglicht, diesen Wunsch des Auslandssemesters wahr zu machen.

Jetzt bist du die Norm für die Hallen-EM in Belgrad (Serbien; 3. bis 5. März) schon gelaufen, was hast du noch für Ziele für die Hallensaison?

Yasmin Kwadwo:

Man will immer gerne noch schneller laufen, das ist natürlich das primäre Ziel. Ich möchte diese Hallensaison für mich nutzen, diese Lockerheit wieder zu erlangen, die mir in der letzten Zeit echt abhanden gekommen ist. Diesen Spaß zu haben und dann einfach zu sehen, welche Zeit dabei rauskommt. Das ist eigentlich das Wichtigste für mich. Auch im Hinblick auf die Freiluftsaison.

Keshia, deine Schwester kam zum Beispiel bei den Weltmeisterschaften 2011 in der DLV-Frauen-Staffel zum Einsatz und reiste mit zu den Olympischen Spielen nach London (Großbritannien). Wie schaust du zu ihr auf? Würdest du sie als dein Vorbild bezeichnen?

Keshia Kwadwo:

Ja, das auf alle Fälle. Sie ist ein Vorbild. Ich persönlich mag es aber nicht, wenn man mich mit ihr vergleicht, weil ich erst einmal das erreichen muss, was sie geschafft hat. Ich sage auch allen anderen immer, dass man beachten muss, was sie schon für Leistungen gebracht hat.

Du hast ein sehr erfolgreiches U18-Jahr hinter dir, unter anderem mit dem U18-Europameistertitel über 100 Meter. Was hast du dir für dein erstes U20-Jahr vorgenommen?

Keshia Kwadwo:

Erst einmal möchte ich gut in die Saison reinkommen und auf jeden Fall die Freude nicht verlieren. Ich weiß, dass die anderen in der U20 sehr stark sind, sowohl national als auch international. Mal sehen, was sich dann daraus für mich ergibt.

Was hast du dir für konkrete Ziele für die Hallensaison gesteckt?

Keshia Kwadwo:

Ziel sind auf jeden Fall die Deutsche Jugend-Meisterschaften. Dort möchte ich eventuell einen Medaillenrang erreichen. Dann will ich die Deutschen Hallen-Meisterschaften in Leipzig laufen, um dabei das gewisse Etwas vom Sport mitzubekommen. Und Ende der Saison staht ja auch noch der U20-Länderkampf an.

Die letzte Frage werdet ihr wahrscheinlich öfter hören: Wenn die Jüngere eines Tages schneller ist als die Ältere, ändert sich dann für euch oder zwischen euch irgendetwas?

Yasmin Kwadwo:

Auf gar keinen Fall. Ich freue mich wahnsinnig, wenn dann der Punkt erreicht ist. Dann heißt es für mich wahrscheinlich auch so langsam, den Staffelstab an sie weiterzugeben. Ich bin schon gespannt darauf, wenn es irgendwann knapp wird, es enge Entscheidungen gibt, und der Moment einfach da ist, dass sie schneller ist als ich.

Keshia Kwadwo:

Ich glaube, ich hätte einfach viel zu sehr Respekt, um dann irgendwie doof zu ihr zu sein oder zu ihr zu sagen: 'Ich bin schneller als du! Sie ist ja neun Jahre älter als ich und ich glaube, das gehört sich dann einfach nicht.

Mehr:

<link news:53494>Erfurt Indoor: Starke Bestzeiten für Rebekka Haase und Alexandra Burghardt

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024