Yelena Isinbayeva - „Bin für sauberen Sport“
Für Stabhochsprung-Star Yelena Isinbayeva ist die Hallensaison schon abgeschlossen. Sie bereitet sich nun auf ihre WM-Titelverteidigung in Berlin vor. Im Interview mit der Russin erfahren Sie unter anderem mehr über die Tränen, die zuletzt in Prag (Tschechische Republik) geflossen sind, ihre Meinung zur Dopingproblematik und die Möglichkeiten, die ihr Vertrag mit Li Ning anderen Sportlern eröffnen soll.
Yelena Isinbayeva, Sie werden am Wochenende bei der Hallen-EM in Turin (Italien) nicht dabei sein. Was ist der Grund?Yelena Isinbayeva:
Der Frauen-Stabhochsprung gehört in diesem Jahr zur Golden League, das heißt, meine Sommersaison beginnt schon recht früh. Würde ich in Turin springen, könnte ich erst um einiges später ins Trainingslager gehen. Die Zeit würde mir fehlen. Ich habe große Ziele. Ich konzentriere mich stark auf die WM in Berlin. Natürlich will ich dort meinen Titel verteidigen.
Wie sehr hat es Sie geärgert, dass Sie in der letzten Woche in Prag zum Ausklang der Hallensaison nicht noch einmal den Weltrekord auf 5,01 Meter verbessern konnten?
Yelena Isinbayeva:
Im ersten Moment habe ich mich schon schlecht gefühlt. Aber ich habe gewonnen und bin mit 4,90 Metern so hoch wie noch nie in der Tschechischen Republik gesprungen. Trotzdem war ich enttäuscht. Ich hatte gemerkt, dass der Weltrekord möglich ist. Es war wirklich so knapp. Obwohl es technisch gute Sprünge waren, ist etwas schief gelaufen. Ich glaube, der Stab war zu weich.
Am Ende sind in Prag sogar Tränen geflossen…
Yelena Isinbayeva:
Ich habe geweint, weil es mit dem Weltrekord nicht geklappt hat. Ich wollte den tschechischen Fans, die mich gut unterstützt haben, und den Organisatoren, die alles für mich getan haben, diesen Weltrekord so gerne schenken. Es war mein innerster Wunsch, ich wollte etwas zurückgeben. Aber ich komme im nächsten Jahr wieder. Es ist ein perfekter Ort, um Weltrekord zu springen.
Sie lagen weinend in den Armen Ihres Trainers Vitaly Petrov, was hat er Ihnen gesagt?
Yelena Isinbayeva:
Er hat gemeint, ich solle mit dem Weinen aufhören und zu mir gesagt: ‚Du bist die Beste, die Stärkste. Es war knapp. Ich weiß, dass Du es beim nächsten Mal schaffen kannst. Du musst nicht weinen, Du hast eine lange Sommersaison. Dann kannst Du es wieder versuchen.’ Ich habe ihm dann nur gesagt, wie gerne ich in Prag Weltrekord gesprungen wäre. Und Vitaly hat nur geantwortet: ‚Bitte, hör auf zu weinen!’
Mit welchen Leistungssprüngen kann man von Ihnen im Sommer rechnen?
Yelena Isinbayeva:
In diesem Jahr planen mein Trainer und ich noch drei oder vier Weltrekorde. Bei der WM in Berlin will ich meinen Titel auch mit einem neuen Weltrekord verteidigen. Konkret kann ich meine Leistung nicht vorhersagen, aber ein bisschen höher als 5,05 Meter könnte es schon gehen.
Sie springen oft gegen sich selbst und die Latte. Welche Bedeutung haben die Gegnerinnen überhaupt noch für Sie?
Yelena Isinbayeva:
Ohne Gegnerinnen würde es für mich keinen Sinn machen. Ich nehme sie alle ernst und auch als solche wahr. Sie kommen ebenso an die Anlage, um zu gewinnen und um mich zu schlagen. Deshalb nehme ich es nicht auf die leichte Schulter. Ich versuche, immer gewappnet sein. Diese Situation ist es auch, die mich zu neuen Höchstleistungen treibt.
Wie bewerten Sie die Dopingproblematik in der russischen Leichtathletik?
Yelena Isinbayeva:
Ich denke, Doping ist ein großes Problem und das nicht nur in Russland, sondern im Sport im allgemeinen. Doping ist eine Bedrohung für den Sport. Eltern haben in Russland Angst, dass ihre Kinder mit dem Sport beginnen, weil ihnen die Trainer unerlaubte Mittel verabreichen könnten.
Sind die Sperren, die verhängt werden, ausreichend?
Yelena Isinbayeva:
Ich finde, dass gedopte Sportler noch stärker bestraft werden sollten. Ich scheue mich nicht, das einzufordern. Ich bin für sauberen Sport. Wenn man durch Betrug Medaillen gewinnt, betrügt man vor allem sich selbst. Ich hoffe, dass in Zukunft die WADA den Anti-Doping-Kampf noch erfolgreicher gestalten kann.
Sie haben vor kurzem einen hochdotierten Vertrag mit dem chinesischen Ausrüster Li Ning abgeschlossen. Welche Auswirkungen könnte das haben?
Yelena Isinbayeva:
Ich hoffe, mein Beispiel hilft dem Sport, sich weiterzuentwickeln. Leichtathletik ist die Kernsportart. Mein Vertrag ist der erste Schritt. Vielleicht interessiert man sich später noch für andere Leichtathleten, die es auch verdient haben, und nicht nur Fußball- und Tennisspieler.
Spielt es für Sie vor dem historischen und politischen Hintergrund und aus der Vergangenheit heraus eine Rolle, dass die WM in diesem Jahr in Berlin stattfindet?
Yelena Isinbayeva:
Für meine Großeltern würde es vielleicht eine andere Bedeutung haben als für mich. Es ist keine andere WM, nur weil sie in Berlin stattfindet. Ich war schon einmal in Berlin, habe aber nur das Olympiastadion gesehen. Bei der WM würde ich die Stadt gerne besser kennen lernen.