Yohan Blake setzt auf Bananen-Power
Alle reden über Usain Bolt (Jamaika). Sein Landsmann Yohan Blake ist der Mann, der ihn schlagen kann. Dafür schreckt er auch vor ungewöhnlichen Essgewohnheiten nicht zurück.
Noch ist das Biest ganz zahm. Mit Flip-Flops an den Füßen, die Baseball-Kappe falsch herum über den Kopf gestülpt und das riesige T-Shirt schlabbernd am muskulösen Oberkörper, schlendert Yohan Blake wenige Tage vor dem wohl spektakulärsten Ereignis dieser Spiele durch das Olympische Dorf.Lässig, unaufgeregt, fast ein bisschen schüchtern. Doch spätestens am späten Sonntagabend wird Yohan Blake explodieren. Im Finale über 100 Meter gilt der junge Mann aus Jamaika als größter Herausforderer von Superstar Usain Bolt.
16 Bananen pro Tag
Schon vor vier Wochen hatte Yohan Blake seinen Trainingspartner entzaubert: Bei den nationalen Ausscheidungen ließ er ihn hinter sich. Der 22-Jährige hat in dieser Saison noch kein Rennen verloren, niemand rannte in diesem Jahr schneller (9,75 Sekunden).
Die Welt staunt über den Lehrling, der in London zum Meister aufsteigen will - und dafür zu ungewöhnlichen Ernährungsmethoden greift. "Ich esse jeden Tag 16 Bananen. Mein Körper verliert sehr viel Kalium, das muss ich ausgleichen. Und es funktioniert. Ich habe mehr Energie."
Doch seine Power holte sich Yohan Blake nicht immer aus Südfrüchten. Vor drei Jahren wurde er positiv auf ein Stimulanzmittel getestet und für drei Monate aus dem Verkehr gezogen. Ein Energy-Drink soll schuld gewesen sein. Ein Jahr darauf schrieb er im Alter von 19 Jahren und 197 Tagen Geschichte: Als jüngster Sprinter blieb er unter zehn Sekunden.
Mehr als nur Geheimtipp
Bei der WM 2011 in Daegu (Südkorea) sicherte sich der strenggläubige Yohan Blake ("Gott ist immer bei mir") nach dem Fehlstart-Debakel von Usain Bolt den Titel über 100 Meter - damals galt er noch als Verlegenheitssieger.
Doch mittlerweile ist das 1,80 Meter große und 76 Kilo schwere Kraftpaket, das ein einziger Muskel zu sein scheint, mehr als nur ein Geheimtipp für die wichtigste Goldmedaille von London.
"Ich esse, schlafe, denke und bete für dieses Finale", sagt Yohan Blake, "ich schließe meine Augen und träume davon. Deshalb nennt mich Usain Biest. Wenn die anderen Jungs schlafen, arbeite ich. Ich höre nie auf zu arbeiten. Selbst an Weihnachten." Nur als Pop-Ikone Michael Jackson 2009 starb, kam der Cricket-Liebhaber eine Woche nicht zum Training. "Ich habe nur geweint", sagt Yohan Blake.
Stiftung für unterprivilegierte Kinder
Usain Bolt ist für Yohan Blake immer noch das große Vorbild. Dabei könnten sie unterschiedlicher kaum sein. Usain Bolt ist ein Showman, Hobby-DJ und Partygänger, der mit seinen Mätzchen die Massen begeistert. Yohan Blake dagegen gibt sich reserviert, er ist abends gerne früh zu Hause und spielt Domino, wenn andere um die Häuser ziehen.
Im vergangenen Jahr gründete er außerdem eine Stiftung, die sich um unterprivilegierte Kinder kümmert. "Ich bin auch nicht mit einem goldenen Löffel im Mund aufgewachsen", sagt er, "darum arbeite ich auch so hart, um meine Träume zu verwirklichen. Ich möchte für andere ein Vorbild sein. Wenn ich helfen kann, warum nicht?"
Und warum sollte er nicht auch in London die Nummer eins über die 100 Meter sein? Maurice Greene, Olympiasieger aus den USA von 2000, hat sich jedenfalls schon festgelegt. "Usain wird rausgehen und alles geben. Aber Blake wird gewinnen." Und auch 400 Meter Hürden-Legende Edwin Moses glaubt, dass der Trend gegen Usain Bolt spricht. "Er hat nicht die besten Karten - also tippe ich auf Blake."
Spätestens am Sonntag wird das Biest kaum noch zu zähmen sein.
Quelle: Sport-Informations-Dienst