Zai Lu Shang Beijing - André Höhne
Kilometer über Kilometer, das ist es, was für Geher André Höhne im Olympiajahr in der Vorbereitung auf die Spiele in Peking (China) zählt. Der Berliner ist fokussiert auf sein großes Ziel und vertraut dabei auf seine Fähigkeit und die seines Trainers Peter Selzer. leichtathletik.de begleitet den 30-Jährigen durch den Olympiasommer.
Die ganz heiße Phase der Olympia-Vorbereitung ist eingeläutet. Auch für André Höhne, der wie viele andere der deutschen Top-Athleten zum Trainingslager in Kienbaum Quartier bezogen hat. Dort ist die Peking-Stimmung schon fast zum Greifen.„Entsprechend der Erwartungshaltung an Olympia knistert es hier schon. Alle trainieren fleißig. Alle sind relaxt, es herrscht eine freundschaftliche Atmosphäre. Manchmal ist es aber auch ein bisschen langweilig, weil man in Kienbaum nicht so viel machen kann. Ich versuche momentan vor allem zu relaxen, abzuspannen und mir meine gehörige Portion Schlaf zu nehmen, nachdem ich momentan im Training alles gebe und auch schon mal richtig am Ende bin.“
Der Fokus liegt dementsprechend eindeutig auf dem eigenen Programm.
Kienbaum wunderbar
„Ich selbst kann in Kienbaum wunderbar trainieren. Ich habe alles vor Ort. Essen, Sauna, Physiotherapie. Ich komme hier super zurecht, habe eine zweieinhalb Kilometer lange, asphaltierte Runde, auf der ich in Ruhe super trainieren kann. Es ist aber trotzdem so, dass am Wochenende meine Familie vorbeischaut oder ich auch mal kurz zurück nach Berlin könnte, falls Not am Mann wäre.“
Im täglichen Training gibt es für den Spree-Geher aber kein Pardon. Es wird beinhart gearbeitet. Schritt für Schritt.
„In den letzten zwei Wochen hatte ich einen Schnitt von 200 bis 220 Kilometern. Ich mache momentan schon sehr, sehr viel Tempotraining, um für die 20 Kilometer in Peking gerüstet zu sein, nachdem die Russen in diesem Jahr bereits gezeigt haben, dass man über diese Strecke sehr schnell gehen können muss. Daraufhin haben auch wir unser Tempoprogramm hochgefahren. Wir arbeiten aber auch auf die Tempohärte hin und ich hoffe, dass ich bei Olympia von alledem profitieren und so lange wie möglich vorne mithalten kann.“
Lohnende Mühen
Die Mühe lohnt sich, André Höhne macht bei sich auch entscheidende Fortschritte aus.
„Ich bin momentan vom Trainingsstand her weiter als in den letzten Jahren. Ich kann derzeit schnellere Geschwindigkeiten trainieren. Das zeigt mir, dass ich in meiner sportlichen Entwicklung ein Stück weiter bin. Ich kann jetzt Zeiten abspulen, die vor zwei Jahren noch nicht möglich waren.“
Das gibt natürlich Auftrieb mit Blick zum Saisonhöhepunkt, auch wenn es zwischendurch nicht ganz nach Maß lief.
„Mittlerweile bin ich wieder optimistisch gestimmt. Vor dem Trainingslager in Kienbaum war ich ein bisschen in einem kleinen Loch und dachte mir, ob das wohl gut geht. Das war wie eine Flaute. Seit eineinhalb Wochen zeigt die Formkurve aber jetzt schön nach oben. Dieses Gefühl braucht man als Athlet auch, um sich sicher zu fühlen. Ich konnte jetzt Mut für Olympia schöpfen.“
Erinnerungen an Nürnberg
Aus den letzten Wochen blieb André Höhne vor allem eines im Bewusstsein haften, die DM auf der Bahn in Nürnberg.
„Die Deutschen Meisterschaften sind mir am meisten in Erinnerung geblieben. Ich war dort zwar nicht außergewöhnlich schnell, aber nachdem ich praktisch direkt aus dem Höhentrainingslager gekommen bin, war das ein guter Wettkampf. Vor allem die Atmosphäre in Nürnberg war klasse. Das Publikum ist erstmals auch bei uns Gehern so richtig mitgegangen. Dafür habe ich mich dann auch bei den Zuschauern bedankt. Es hat mich auch sehr gefreut, dass eben schon so viele da waren.“
Angereist war der 30-Jährige direkt aus der Höhe von St. Moritz (Schweiz), wo es galt, die nächsten Grundsteine zu legen, was aber nicht ganz rund lief, wie er eingesteht.
Probleme in St. Moritz
„Ich konnte dort trainieren, war nicht krank. Ich hatte aber mit einer leichten Verletzung am Bein im Oberschenkelbeugerbereich zu kämpfen. Das hatte mich insofern zurückgeworfen, dass ich nicht all das machen konnte, was ich wollte. Ich habe mich aber trotzdem irgendwie durchgebissen und jetzt zeigt sich, dass es auch was gebracht hat.“
Je näher die Olympischen Spiele rücken, umso mehr fällt auch auf, dass André Höhne zu den deutschen Leichtathleten gehört, die mehr als andere in der Medienwelt auftauchen. So ist nach der DM in Nürnberg nicht nur eine Agenturmeldung rund um seine Person gelaufen, sondern auch die Zeitung mit den vier Buchstaben schaute zum Foto-Shooting in der Sauna und mit Luftmaske vorbei.
„Ich merke, dass nach dem letzten Jahr das Interesse um meine Person und vielleicht auch am Gehen gestiegen ist, nachdem zuvor fast gar nichts passierte. Wenn ich etwa an die Fotos in der ‚Bild’ denke, das ist so ein Ding. Ich hatte irgendwann mal fallen lassen, dass ich vielleicht mit Luftmaske trainiere. Das haben die Jungs natürlich sofort aufgegriffen und es war ein gefundenes Fressen. Momentan belastet mich aber das Medieninteresse noch nicht, ich kann das genießen und nutzen. In den letzten Tagen vor Olympia werde ich das aber zurückfahren, mich einigeln und mich auf den Wettkampf konzentrieren.“
WM-Aus verarbeitet
Ob das Medieninteresse daran liegt, dass der Berliner bei der WM im letzten Jahr der tragische Held war, weil ihn 200 Meter vor Schluss die Kräfte verließen?
„Es hat mich im letzten Jahr ein bisschen gewundert oder sogar geärgert, dass so eine Sache dann ein solches Interesse geweckt hat. Das hätte ich wahrscheinlich nicht einmal mit einer Medaille erreicht. Jetzt wollen natürlich immer noch alle wissen, ob ich das verarbeitet habe. Ich sage aber immer wieder, dass ich das eigentlich dort sofort verarbeitet hatte. Ich brauche mir keinen Vorwurf zu machen. Ich habe bei der WM bis Kilometer 19,5 einen superguten Wettkampf gezeigt. Wie es dann ausging, war natürlich vor allem für mich schade, aber ich habe das inzwischen völlig ausgeblendet. Es wird auch nicht so sein, dass ich jetzt bei Olympia mit mehr Respekt antrete. Im Gegenteil: Ich werde versuche, das wieder gerade zu rücken.“
Der Tag, an dem das gelingen kann, naht. Vorfreude und Spannung halten mehr und mehr Einzug. Und der Countdown tickt…
Der Countdown
„Ich bin noch bis zum 30. Juli in Kienbaum, danach vier Tage zuhause in Berlin und am 4. August geht es auch schon Richtung Japan ins Vorbereitungslager, dort kommt nur noch der letzte Feinschliff. Es geht dann darum, die Form zu erhalten, gesund zu bleiben und mich zu akklimatisieren. Ich habe an Shibetsu aus dem letzten Jahr auch gute Erinnerungen. Das Essen war gut, wir waren abgeschieden. Wir konnten supergut trainieren. Es ist keine Großstadt, aber ich bin ja nicht dort, um ‚High Life’ zu machen.“
Das steht für André Höhne dann frühestens nach einem oder vielleicht sogar zwei gelungenen Geher-Wettkämpfen in Peking auf dem Programm.
leichtathletik.de begleitet im Olympiasommer mehrere deutsche Top-Athleten in der Serie "Zai Lu Shang Beijing". Dort bekommen Sie Einblicke und erfahren, wie die Hoffnungsträger für die Spiele in Peking (China) ihre Zeit verbringen, sich auf das Großereignis vorbereiten, was sie beschäftigt und bewegt.