Zai Lu Shang Beijing - André Höhne
Kilometer über Kilometer, das ist es, was für Geher André Höhne im Olympiajahr in der Vorbereitung auf die Spiele in Peking (China) zählt. Der Berliner ist fokussiert auf sein großes Ziel und vertraut dabei auf seine Fähigkeit und die seines Trainers Peter Selzer. leichtathletik.de begleitet den 30-Jährigen durch den Olympiasommer.
„Zuletzt hatte ich mit Rückenproblemen zu kämpfen und musste das Training reduzieren, damit die Beschwerden nicht akuter werden. Ich bin aber trotzdem frohen Mutes.“Solche Rückschläge sind bei André Höhne nichts Außergewöhnliches. Der Berliner hat gelernt, damit umzugehen.
„Als Sportler darf man nicht den Kopf verlieren. Das gilt ganz besonders für mich, da ich in den letzten Jahren sehr oft krank war, weil mich mein kleiner Sohn öfters angesteckt hatte. Ich konnte trotzdem meistens einen kühlen Kopf behalten und dann hat es wieder gepasst. Durch meinen super Trainer und durch meinen Trainingsehrgeiz kann ich die verlorene Zeit immer wieder aufholen.“
Norm abgehakt
Was er in guter Form zu leisten vermag, bewies der Berliner bereits Anfang April, als er in Rio Maior (Portugal) die Olympianorm über 20 Kilometer mit dem zweitbesten Wettkampf seiner Karriere frühzeitig abhaken konnte.
„Das war für mich schon eine arge Erleichterung, nachdem ich in dieses Wettkampfjahr nicht optimal gestartet war. Ich wollte eigentlich am 1. März in Portugal bereits die 50 Kilometer gehen, musste diesen Start aber krankheitsbedingt absagen. Deshalb war Rio Maior mein erster Wettkampf und da hatte ich schon erst einmal auch ein wenig Muffesausen. Ich wusste aber, dass ich eine Menge draufhabe. Die Trainingslager im Vorfeld waren gut. So bin ich gestartet, bin gegangen und habe die Norm gemacht.“
Vertrauen konnte André Höhne bei diesem Unternehmen auf die Grundlage, die er sich im Winter im Trainingslager in Südafrika geschaffen hatte.
In südafrikanischer Einöde
„Wir waren in Dullstroom mit einer Gruppe, zu der auch die Marathonläuferin Melanie Kraus gehörte. Am Anfang hatten wir witterungsbedingt noch ein paar Probleme mit dem Training, aber die letzten zwei Wochen waren für mich super. In der kälteren Jahreszeit kann man in Südafrika natürlich viel besser trainieren als hier. Ich verbinde damit aber vor allem Einöde und hartes Training. Wir machen dort oft am Tag 50 oder 60 Kilometer. Dadurch sind wir selbst an den Ruhetagen so platt, dass wir diese nur im Bett verbringen und froh sind, wenn wir uns nicht bewegen müssen. Wir wohnen dort immer in einer Art Cottage auf einer großen Ranch. Dort hocken wir mit ein paar Athleten und einem Trainer aufeinander, sind nur auf uns konzentriert. Dadurch können wir uns aber ganz gut anspornen.“
Dass Trainingslager nicht gleich Trainingslager ist, hat der WM-Vierte von 2005 im Gespräch mit Athleten aus anderen Disziplinen festgestellt. Für die Langstreckler zählt vor allem eines, das Bolzen von Strecken, während andere auch einmal einen Ausflug oder einen Abstecher zum Strand machen können.
„Ich erzähle immer, dass wir in Südafrika in die Einöde gehen. Von anderen höre ich, dass sie schön nach Stellenbosch fahren können. Das ist für uns schon härteres Brot, wir sitzen nur auf dem Land und kucken uns die Bäume an. Inzwischen ist es für mich aber kein Problem mehr. Als Jugendlicher war das anders. Für mich ist klar das Training vorrangig, denn ich habe Ziele, die ich unbedingt erreichen möchte. Ich denke sogar, dass es, wenn wir in einer Gegend wären, in der man am Nachmittag mal shoppen gehen könnte, so wäre, dass uns das ablenken und unsere Ruhephasen neutralisieren würde. Schade ist nur, dass wir nicht so viel von dem Land sehen.“
Gedanken um Boykott und Tibet
Das dürfte auch im August in Peking so sein. Dann gilt es, bei den Olympischen Spielen das harte Training der vergangenen Wochen und Monate in Zählbares umzumünzen. Gedanken zu China beschäftigen André Höhne dabei schon jetzt, allerdings vor allem aufgrund der aktuellen öffentlichen Diskussion.
„Ich muss zugeben, dass ich schon ein wenig Bauchschmerzen habe. Allerdings weniger wegen Olympia an sich, sondern vielmehr wegen der momentanen Debatte. Boykott hin, Boykott her. Als Athlet beschäftigt einen das natürlich. Ich finde es schade, dass nun die Athleten gewissermaßen in eine Bringschuld gestellt werden, nachdem es die Politiker jahrelang versäumt haben, China in die Pflicht zu nehmen. Es macht mich traurig, dass wir Sportler jetzt dafür herhalten sollen. Natürlich gibt es auch andere Länder, in denen die Menschenrechte verletzt werden, man darf nicht nur auf China zeigen. Deshalb muss man das mit Fingerspitzengefühl anpacken.“
Der deutsche Spitzengeher weiß dabei, dass er in der Öffentlichkeit abseits des Geher-Rundkurses einen Spagat schaffen muss.
Vorsicht walten lassen
„Ich will in Peking auf jeden Fall Vorsicht walten lassen. Es ist traurig, dass einerseits die Athleten in die Ecke gedrängt werden, Stellung zu nehmen. Auf der anderen Seite dürfen wir gar keine Stellung beziehen. Am Ende müssen wir also eine Wortwahl treffen, in der wir uns relativ neutral äußern. Der Sport steht in meinen Augen allgemein durchaus für Frieden und für Menschenrechte. Das ist die Meinung, die ich vertreten werde. Es wird aber nicht passieren, dass ich mit einem ‚Free Tibet’-T-Shirt einmarschiere.“
Sportlich macht er sich indes keine Sorgen. Da überwiegen Vorfreude und Selbstsicherheit.
„Olympia ist alle vier Jahre und etwas, das man nicht so oft sieht und erlebt. Ich kann mich gut vorbereiten und habe einen Trainer an meiner Seite, der mich aus dem Eff-Eff kennt, der mich seit 15 Jahren unter seinen Fittichen hat. Er weiß, was ich zu trainieren habe und wann ich eine Pause machen muss.“
Vorbereitet sein
Der eigene Weg ist also klar vorgezeichnet. Den Testwettkampf, der vor kurzem auch im Gehen bereits in Peking stattgefunden hat, verfolgte André Höhne aus der Ferne und über die Medien.
„Man kann sich nur eine Meinung bilden, wenn man wirklich vor Ort ist. Ich habe aber mitbekommen, dass es relativ warm und die Strecke hart war. Das kann aber auch bedeuten, dass sie für den einen hart, aber für den anderen gut und schnell ist. Momentan herrschen in Peking noch wechselnde Bedingungen. Aber im Sommer wird es sicherlich ähnlich schwül sein wie bei der letzten WM in Osaka. Darauf will ich vorbereitet sein.“
Start beim Weltcup über 50 Kilometer
Der nächste Schritt auf dem Weg zu den Olympischen Spielen in Peking ist für André Höhne die Teilnahme am Weltcup in Cheboksary (Russland; 10./11. Mai).
„Dort will ich über die 50 Kilometer an den Start gehen. Ziel ist die Olympianorm, damit ich zu meiner Stammstrecke noch ein Hintertürchen habe. Mit einer Zeit von 3:52 Stunden wäre ich zufrieden. Bis dorthin heißt es jetzt aber erst einmal wieder: Hart, hart, hart und immer wieder hart trainieren.“
leichtathletik.de begleitet im Olympiasommer mehrere deutsche Top-Athleten in der Serie "Zai Lu Shang Beijing" auf ihrem Weg nach China. Dort bekommen Sie Einblicke und erfahren, wie die Hoffnungsträger für die Spiele in Peking ihre Zeit verbringen, sich auf das Großereignis vorbereiten, was sie beschäftigt und bewegt.