Zai Lu Shang Beijing - Carolin Nytra
Der 17. August wird von Carolin Nytra (Bremer LT) sehnlichst erwartet. Das ist der Tag, an dem der Vorlauf über die 100 Meter Hürden bei den Olympischen Spielen in Peking (China) stattfindet und das Wohnzimmer von Carolins Oma in eine Public Viewing Arena umgebaut wird. Endlich rückt der Saisonhöhepunkt der jungen Bremerin immer näher, leichtathletik.de begleitet die Hürdensprinterin auf ihrem Weg zu ihren ersten Olympischen Spielen.
Carolin Nytra im Audio-Interview (01.08.08; mp3)Die letzten beiden Testwettkämpfe sind überstanden und das mit einer neuen Bestleistung, die am letzten Mittwoch beim Bayer-Meeting in Leverkusen herauskam (12,82 sec). Bei zwei Wettkämpfen in einer Woche und im Anschluss an ein Trainingslager kann man die 13,08 Sekunden bei der DAK Leichtathletik-Gala in Wattenscheid schnell entschuldigen.
„Mit Leverkusen bin ich mehr als zufrieden. Ich war vor dem Wettkampf super aufgeregt, da ich nicht wusste, was ein Trainingslager Ende Juli noch für Auswirkungen hat und wo ich jetzt stehe. In der Woche zu Hause, nach dem Trainingslager, ging nämlich gar nichts mehr, weil ich so K.O. war. Dass dann eine Bestzeit rauskommt, hätte ich nie für möglich gehalten, auch weil sich der Lauf nicht mal perfekt angefühlt hat. Ich bin auf jeden Fall glücklich mit dem Resultat.“
Nicht nur die Zeit hat in Wattenscheid zwei Tage später nicht gepasst, auch das Spiel mit dem Wind ist nicht aufgegangen.
„Ich hatte mir gewünscht, endlich mal einen Lauf zu bekommen mit starkem Rückenwind, das hatte ich dieses Jahr noch gar nicht und hätte ich gerne mal getestet. Jetzt hatte ich zwei Läufe mit starkem Gegenwind, dementsprechend war dann auch die Zeit nicht so gut. Ich hätte mir schon gewünscht, mich mit einer Zeit unter 13 Sekunden zu verabschieden. Aber innerhalb dieser Woche habe ich das ja auch getan.“
Sachenpacken als logistisches Problem
Die letzten Tests sind nun also überstanden und jetzt geht es an das Kofferpacken. Dabei hat sich Carolin Nytra das noch als kleinste Hürde vorgestellt.
„Meine Wohnung steht komplett Kopf. Hier fliegen 5.000 Zettel vom DLV rum, dann zig Broschüren vom DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund), dann bilden sich so langsam zwei riesige Wäschehügel mit gewaschener und schmutziger Wäsche und dann noch mal zwei Hügel mit Sachen, die auf jeden Fall mit müssen und einem Fragezeichen-Hügel. Wobei täglich wieder Sachen ausgetauscht werden. Ich will auf keinen Fall etwas vergessen, was grundlegend wichtig für meine Leistung ist.“
Dabei schaut die junge Olympia-Teilnehmerin täglich Sendungen über Peking an, um herauszufinden, was so die ersten Erfahrungen sind und um dann mit den Rückschlüssen daraus möglicherweise noch mal umpacken zu können.
Public Viewing bei der Oma
Die daheim gebliebene Familie rüstet sich auch schon für die Olympischen Spiele, so wird der Vorlauf an jenem Sonntag, dem 17. August bei der Oma im Wohnzimmer geschaut.
„Meine Oma hat einen riesigen Fernseher, da wollen sich dann alle treffen und wie bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland im Trikot eben nun meinen Lauf verfolgen.“
Auch die Öffentlichkeit profitiert von der Olympia-Teilnahme der jungen Bremerin, so hat Carolins Mutter (Café-Besitzerin) extra einen TV-Anschluss verlegen lassen und sich einen großen Fernseher gekauft, um die Olympischen Spiele live übertragen zu können.
Ein kleines Steinchen für ein Sternchen
Glücksbringer dürfen bei so einer langen Reise natürlich auch nicht fehlen. Für Peking hat Carolin Nytra sogar gleich doppelt vorgesorgt.
„Einmal habe ich mein Armband, das ich immer trage. Das habe ich zu Weihnachten von Sebastian und seinen Eltern bekommen und seitdem ich es trage, hat es mir schon viel Glück gebracht.“
Ihre Mutter bleibt jedoch bei all dem Rummel um Carolin Nytra auf dem Boden.
„Von meiner Mutter habe ich eine Kette bekommen mit einem kleinen Steinchen, weil sie meinte ´du bist ja noch kein Star, sondern ein Sternchen´. Die Kette hatte ich am Mittwoch in Leverkusen das erste Mal um und sie hat mir auch schon Glück gebracht.“
Im Zimmer mit Steffi Nerius?
Mit wem der Olympia-Neuling sich im Olympischen Dorf ein Zimmer teilen wird, steht noch nicht fest.
„Ich hatte Steffi Nerius gefragt, ob ich mit ihr auf ein Zimmer könne, falls Franka Dietzsch Olympia absage. Jetzt wird Steffi schauen, ob sie da was geregelt bekommt, da sie schon früher anreist als ich.“
Steffi Nerius hatte über leichtathletik.de schon gelesen, dass Carolin Nytra, falls Kirsten Bolm nicht mit nach Peking kommt, gerne an die Hand von der Speerwerferin genommen werden wollte.
„Das fand sie total niedlich und sie würde gerne mit mir auf ein Zimmer gehen wollen.“
Ziel ist Halbfinale und Chinesische Mauer
Wenn alles drum herum geklärt ist, stehen dem großen Ziel „Halbfinale“ ja nur noch zehn Hürden und eine Menge schnelle Hürdensprinterinnen im Weg.
„Ich denke, ich muss meine Bestzeit schon angreifen, um ins Halbfinale zu kommen. Wenn ich um die 12,80 bis 12,85 Sekunden laufe, sollte es, denke ich, reichen. Es gibt natürlich immer welche, die von 13,00 Sekunden kommend explodieren oder aber natürlich auch das Favoritensterben bei Olympischen Spielen könnte eine Rolle spielen.“
Wenn Carolin Nytra ins Halbfinale kommt und ihr Freund, Weitspringer Sebastian Bayer, ins Finale, kann sie sich wenigstens das nach ihrem Halbfinale in Ruhe anschauen. Außerdem auf dem Programm stehen bereits die Chinesische Mauer, Peking Downtown und viele Wettkämpfe, die sie verfolgen will.
„Natürlich werde ich mir nach meinem Wettkampf alle Final-Entscheidungen der Leichtathletik ansehen, aber auch Turnen, Schwimmen und Turmspringen interessieren mich sehr.“
Jetzt kann es endlich losgehen
„Ich habe jetzt keine Lust mehr zu trainieren und möchte, dass der 17. August ist und ich endlich laufen kann!“
Die gleiche Einstellung lässt sich bei so ziemlich allen Athleten ausmachen und auch bei den Zuschauern wächst eine immer größer werdende Vorfreude. Da können die Olympischen Spiele ja endlich beginnen.
leichtathletik.de begleitet im Olympiasommer mehrere deutsche Top-Athleten in der Serie "Zai Lu Shang Beijing". Dort bekommen Sie Einblicke und erfahren, wie die Hoffnungsträger für die Spiele in Peking (China) ihre Zeit verbringen, sich auf das Großereignis vorbereiten, was sie beschäftigt und bewegt.