Zai Lu Shang Beijing - Carolin Nytra
Es war die olympische Taufe für Hürdensprinterin Carolin Nytra und gleich sprintete die junge Bremerin auf dem direkten Weg ins Halbfinale und in die Herzen der deutschen Fans. leichtathletik.de begleitete den Olympianeuling zu seinen ersten Olympischen Spielen in Peking (China) und wollte natürlich auch im Nachhinein wissen, wie es ihr dort hinter den Kulissen ergangen ist.

Mit von der Partie im Mädels-Appartement waren Kugelstoßerin Nadine Kleinert (SC Magdeburg), Langstrecklerin Sabrina Mockenhaupt (Kölner Verein für Marathon), Hindernisläuferin Antje Möldner (SC Potsdam) und Speerwerferin Steffi Nerius (TSV Bayer 04 Leverkusen). „Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich mit Läuferinnen und Werferinnen so gut verstehe, aber es hat prima geklappt“, zieht die Hürdensprinterin ihre Bilanz.
Dabei teilte sich der Olympianeuling im Appartement ein Doppelzimmer mit der Erfahrenen Steffi Nerius und konnte von deren Ruhe noch etwas profitieren.
„Steffi Nerius ist einfach klasse, sie war super entspannt. Leider war sie erst zwei Tage nach mir dran, aber sie hatte immer Ohrstöpsel drin und hat dadurch meist gar nicht gehört, wenn ich mal abends später heim gekommen bin.“
Deutschlands Super-Fan: Nadine Kleinert
Die Stimmungskanone der Wohngemeinschaft war Nadine Kleinert, die immer super gut drauf war und die Olympischen Spiele mit Leib und Seele und absolut aufgeregt vor dem Fernseher im Appartement verfolgt hat. Carolin Nytra musste immer schmunzeln, wenn sie wieder ein ´Komm Deutschland, komm schon, Deutschland muss gewinnen´ oder aber ein ´Komm schon Junge, den packst du noch´-Geschrei aus dem Wohnzimmer hörte. Anschließend wurde dann natürlich auch richtig mitgefeiert, wenn Deutschland gewonnen hatte.
Nicht nur die hervorragende Wohnsituation machte die olympischen Spiele zu einem sehr positiven Ereignis. Carolin Nytra hebt auch die Organisation in Peking hervor.
„Ich habe mich sehr, sehr gut aufgehoben gefühlt“, beschreibt Carolin Nytra ihre erste Olmpia-Erfahrung. Die positive Stimmung im Olympischen Dorf wurde natürlich noch dadurch getoppt, dass Carolin Nytras Liebster, Weitspringer Sebastian Bayer aus Leverkusen, mit von der Partie war. Sehnsucht und endlose Telefonate waren also schon mal vom Programm gestrichen. Stattdessen wurde der sportliche Teil gleich mit einem kleinen Pärchenurlaub gekoppelt.
Mentale Unterstützung durch Sebastian Bayer
Hauptaufgabe des Partners war jedoch die mentale Unterstützung vor den Wettkämpfen. Dabei musste Sebastian Bayer einige Abstriche machen, nachdem er nicht in das Weitsprungfinale eingezogen war. Eigene Enttäuschung verdrängen und die Freundin unterstützen lautete die Devise.
„Sebastian hat das prima gemacht. Er hat mich am Vorlauftag und am Halbfinaltag komplett begleitet, ist morgens mit mir aufgestanden, hat mit mir zusammen gegessen und mich auf den Einlaufplatz begleitet. Dabei war er eine gute Ablenkung für mich und ihm Endeffekt auch für sich selbst, da konnte er nicht viel darüber nachdenken, was er jetzt für einen Blödsinn gemacht hat und warum.“
Aber auch sonst hatte die Pärchensituation seine Vorteile, so musste die junge Bremerin nur zwei Etagen hochgehen und war bei Sebastian im Appartement. Außerdem können sie so ein besonderes Erlebnis teilen. „Das, war wir hier erlebt haben, kann man so gar nicht weitergeben. Man kann zwar Fotos oder Videos zeigen, aber Gefühle kann man nicht real vermitteln. Das können wir noch später unseren Kindern erzählen“, erzählt Carolin Nytra noch immer ganz begeistert.
Unwissendes Publikum kippt Stimmung
Von einer Sache wird sie ihren Kindern später nicht berichten können: Dem einzigartigen Gänsehaut-Feeling.
„ Ich hätte gedacht, dass es mich noch mehr kickt. Ich denke aber, das lag daran, dass man nicht das Gefühl hatte, dass das Publikum weiß, was man da gerade macht. Es war immer so laut während der Starts, dass man sich nicht richtig konzentrieren konnte. Bei einem Hürdenvorlauf verstehe ich das vielleicht noch, aber sogar beim 100 Meter-Finale der Männer herrschte einfach nur Unruhe. Die Zuschauer haben sich gar nicht dafür interessiert, dass gerade ein Jahrhundertweltrekord gelaufen wird. Da haben sie gar nicht drauf geachtet. Schon sehr schade, denn dadurch hat das Kribbeln gefehlt.“
Mit ihrer Leistung ist die 23-Jährige trotzdem sehr zufrieden.
„Hätte mir jemand im Mai gesagt, dass ich bei den Olympischen Spielen laufe und sogar Zwölfte werde, ich hätte wahrscheinlich verlangt, dass derjenige eingewiesen wird. Dabei war es schwieriger als gedacht, ins Halbfinale zu gelangen, da nur die 16 Besten statt wie gedacht die 24 Besten ins Halbfinale eingezogen sind.“
Rummel am Bremer Flughafen
Eines merkten Carolin Nytra und ihre Vereinskollegin Jonna Tilgner (4x400 Meter) erst am Flughafen in Bremen: Ihr Bekanntheitsgrand ist noch mal gestiegen. Nichts ahnend stiegen die zwei aus dem Flugzeug aus, wurden dann schon von dem Zollbeamten beglückwünscht und als sie dann in den Terminal gingen, konnten sie ihren Augen nicht trauen.
„Es war unglaublich, meine Familie hatte riesige Plakate gebastelt, dann stand dort ein Fernsehteam, drei Leute vom Radio, ein Fototeam und unsere komplette Familie, also auch Onkel, Tante, Großeltern und Cousins, alle sind dagewesen.“
Kein Wunder, denn alle aus Carolin Nytras Familie sind mächtig stolz und zudem auch richtige Leichtathletik-Profis geworden. „Die diskutieren nur noch über Weltrekorde und Dopingfälle.“ Um auch alle „Fans“ in ihrer Heimat zu empfangen, wird in Hamburg bald eine „Welcome-Back-Party“ gefeiert, mit chinesischem Essen sowie Fotos und Erzählungen. „Alle warten schon ganz gespannt auf mich!“
Motivation für 2012 getankt
„Mein Ziel für die Zukunft ist natürlich, bei den Weltmeisterschaften 2009 in Berlin das Halbfinale zu erreichen. Ich möchte mich auf meinem jetzigen Niveau stabilisieren und hoffe dann, dass ich bei der WM einen Ausreißer nach oben habe und das Finale erreiche.“ Das würde im eigenen Land natürlich ein super Erlebnis werden, einen Vorgeschmack gab es in diesem Sommer beim DKB-ISTAF in Berlin.
Eines hat Carolin Nytra aus dem Erlebnis „Olympia“ auf jeden Fall mitgenommen: „Jetzt weiß ich, warum ich mich auch beim schlechtesten Wetter auf die Bahn stelle und trainiere. Ich will in vier Jahren wieder mit dabei sein.“
leichtathletik.de begleitete im Olympiasommer mehrere deutsche Top-Athleten in der Serie "Zai Lu Shang Beijing". Sie bekamen dort Einblicke und erfuhren, wie die Hoffnungsträger für die Spiele in Peking (China) ihre Zeit verbrachten, sich auf das Großereignis vorbereiteten, was sie beschäftigte und bewegte.