Zai Lu Shang Beijing - Cathleen Tschirch
Langsam wird es ernst. Das Olympische Feuer ist entfacht und auf dem Weg rund um den Erdball. Währenddessen bereiten sich die Top-Athleten akribisch auf diesen möglichen Höhepunkt ihrer Sportlerkarriere vor. Zu ihnen gehört Cathleen Tschirch (LG Weserbergland). Sie will bei den Spielen in Peking (China) in der 4x100 Meter-Staffel und, wenn alles ideal läuft, auch über die 200 Meter an den Start gehen. Auf leichtathletik.de berichtet sie aus ihrem Alltag.

„Klar ist man ein bisschen aufgeregter, wenn man dieses olympische Ziel so dicht vor Augen hat. Das ist schon etwas anderes als eine Welt- oder Europameisterschaft. Man geht alles ein wenig ernster an, hat im Hinterkopf, dass es da um etwas geht, was einem persönlich sehr wichtig ist. Aber es ist nicht so, dass ich alles komplett umstelle und den Rest ringsherum vergesse. Das, was mich in den Jahren zuvor zum Erfolg geführt hat, kann ja nicht plötzlich schlecht gewesen sein.“
Ganz sicher nicht, denn im vergangenen Jahr hat die 28-Jährige sowohl mit dem Deutschen Meistertitel über 200 Meter als auch mit einer neuen persönlichen Bestzeit von 22,97 Sekunden überzeugt. Zuvor standen zwei Trainingslager auf dem Trainingsplan, eines in Südafrika, das andere in Portugal.Die Vorbereitung auf die olympische Saison soll nun genauso ablaufen.
Mit den Sprinterinnen in Südafrika
Die ersten kraftraubenden Trainingseinheiten hat die gebürtige Dresdnerin schon hinter sich. Ende März ging es mit DLV-Disziplintrainer Thomas Kremer, Vereinskameradin Jala Gangnus sowie Verena Sailer (LAC Quelle Fürth/München) und Marion Wagner (USC Mainz) für zwei Wochen nach Potchefstroom, zwei Autostunden entfernt von der südafrikanischen Metropole Johannesburg.
„Wir hatten einen kleinen Bungalow mit offenem Wohn- und Küchenbereich. Davon gingen dann drei Zimmer ab. Jala und Marion hatten ihr eigenes Zimmer, während Verena und ich uns eines geteilt haben. Wir beide fahren ja jetzt schon seit zwei Jahren zusammen weg, und da hat sich das so eingespielt. Wir telefonieren häufig miteinander und versuchen, uns so oft wie möglich privat zu sehen. So ein Trainingslager ist dann schon ein Wiedersehen, auf das wir uns alle freuen.“
Training, Training, Training - und Safari
Die Sportanlagen waren in zehn Minuten mit dem Fahrrad zu erreichen, und im Stadion trafen die Sprinterinnen häufig auch auf die deutschen 400 Meter-Läufer rund um DLV-Disziplintrainer Volker Beck, die ihr Lager ebenfalls in Potchefstroom aufgeschlagen hatten.
Viel Zeit, die Gegend zu erkunden, blieb aufgrund des straffen Trainingsplans nicht.
„Wir hatten nie einen ganzen Tag frei, nur mal einen Vor- oder Nachmittag. Einmal sind wir in der Nähe vom Stadion brunchen gewesen. Und wir haben eine kleine Raftingtour auf einem Fluss mitgemacht. Zuvor durften wir sogar eine kostenlose Safari miterleben, sind durchs Gelände gefahren und haben Giraffen und jede Menge Springböcke gesehen. Das war super.“
Olympia-Boykott überall ein Thema
Die Diskussion um einen möglichen Boykott der Olympischen Spiele war für die Athleten auch in Südafrika ein Thema, mit dem sie sich auseinander setzen mussten.
„Es beschäftigt wirklich alle, nicht zuletzt deswegen, weil wir ständig darauf angesprochen werden. Man kann der Materie also gar nicht aus dem Weg gehen.“
Und was denkt Cathleen Tschirch selbst darüber?
„Ich gehe davon aus, dass wir wie angekündigt starten werden. Das Ganze ist ein heikles Thema, es gibt sehr viele Facetten. Der Tibet-Konflikt existiert ja schon seit Jahren, und eigentlich hätte man sich schon Gedanken machen müssen, als über die Vergabe der Spiele entschieden wurde. Es ist verständlich, dass jetzt der Fokus darauf gerichtet wird, aber ich würde es schon sehr bedauern, wenn man uns die Teilnahme deswegen verbieten würde.“
Zeit für Freunde und Entspannung
Schließlich fühlt sie sich topfit, das erste Trainingslager hat sie gut überstanden, und auch ihre Mitstreiterinnen sind ohne Verletzungen oder Beschwerden aus Südafrika zurückgekommen. Nach der Ankunft am Frankfurter Flughafen stand für die sympathische Sprinterin noch ein kurzer Abstecher über Köln und Leverkusen zur Hochzeit des Hammerwerfers Markus Esser auf dem Programm. Insgesamt ist sie drei Wochen in Deutschland, bevor es Ende April wieder losgeht zum nächsten Trainingslager.
„Ich bin ganz froh, dass wir jetzt wieder hier sind und man mal etwas Ruhigeres machen kann, am Wochenende nicht ausgelastet ist und nicht immer irgendwo hinfahren muss. Das kommt ja erst alles noch. Ich gehe ab und zu mit Freunden einen Kaffee trinken, mal zum Geburtstag - das verpasst man sonst häufig. Am Samstag habe ich mit Jala trainiert und dann waren wir zusammen in der Stadt und haben eine Shoppingtour gemacht.“
Staffeltraining in Portugal
Die neu erstandene Sommerkleidung kommt dann hoffentlich spätestens Ende April in Portugal zum Einsatz. Zwei Wochen lang sollen dort vor allem die Staffelwechsel perfektioniert werden.
„Alle, die potenziell für die Staffel in Peking in Frage kommen, wenn wir uns qualifizieren, sind mit dabei. Wer letztendlich nominiert wird, entscheidet sich in der Wettkampfphase. Deswegen ist es wichtig, dass wir alle aufeinander wechseln können.“
Nicht zuletzt fördert die Arbeit am gemeinsamen Ziel auch den Teamgeist.
„Normalerweise konzentriert man sich ja vor allem auf sich selbst. Bei diesen Trainingseinheiten motivieren wir uns gegenseitig, versuchen, einander zu helfen. Außerdem lernt man sich besser kennen, kann danach die Eigenarten der anderen besser einschätzen. Bei Wettkämpfen wie zum Beispiel der WM in Japan oder jetzt, wenn wir nach Peking fahren, ist man schließlich darauf angewiesen, gut miteinander auszukommen.“
Wettkampfphase als Bewährungsprobe
Ob das viele Training Früchte getragen hat, werden die ersten Wettkämpfe zeigen. Für den 24. Mai ist ein Start bei der Kurpfalz Gala in Weinheim geplant, anschließend würde Cathleen Tschirch gerne in Dessau und beim DKB-ISTAF in Berlin laufen.
„Das Publikum beim ISTAF war so klasse im letzten Jahr, das war ein echtes Gänsehaut-Feeling.“
Die Olympia-Norm des DLV für die 200 Meter liegt bei 22,70 Sekunden, fast drei Zehntel schneller als ihre derzeitige Bestmarke.
„Die Staffel steht bei mir im Vordergrund. Für die 200 Meter habe ich mir vorgenommen, meine Zeit aus dem letzten Jahr zu bestätigen. Und dann schauen wir mal.“
Wer weiß, vielleicht motiviert das Berliner Publikum sie ja schon Anfang Juni zu einer neuen Bestleistung?
Fotos: Bauer
leichtathletik.de begleitet im Olympiasommer mehrere deutsche Top-Athleten in der Serie "Zai Lu Shang Beijing". Dort bekommen Sie Einblicke und erfahren, wie die Hoffnungsträger für die Spiele in Peking (China) ihre Zeit verbringen, sich auf das Großereignis vorbereiten, was sie beschäftigt und bewegt.