Zehnkämpfer werden aus Erfahrung lernen
Paul Meier, Präsident des Zehnkampf-Teams, sah das Abschneiden der deutschen Zehnkämpfer bei den Olympischen Spielen mit einem lachenden und einem weinenden Auge: „Wir haben mit André Niklaus und Michael Schrader zwei Athleten unter den besten Zehn in der Welt, wobei man vor allen Dingen die Leistung von Michael Schrader in seinem zweiten Jahr in der Männerklasse anerkennen muss. Was uns alle wahrscheinlich ein wenig stört, ist der Abstand zu einer Medaille.“
„Wenn Arthur Abele durchgekommen wäre, hätten sich wohl alle drei unter den Top Ten wiedergefunden. Ich bin davon überzeugt, dass alle aus dieser Saison lernen werden, um bei der WM im nächsten Jahr in Berlin einen Schritt nach vorne zu machen", sagte der WM-Dritte von 1993.Während der neue Olympiasieger Bryan Clay (USA) mit 8.791 Punkten eine Klasse für sich war, war der Berliner André Niklaus zwar einerseits enttäuscht, dass er mit 8.220 Zählern die angestrebte Bestleistung verpasst hatte, anderseits aber auch stolz: „Das Ganze war doch eine ziemliche Quälerei. Ich bin Achter in einem Wettkampf geworden, in dem viele ausgefallen sind. Das zeigt die spezielle Problematik des Zehnkampfs, denn man muss bei solchen Bedingungen erst einmal durchkommen. Die Saison hat mich insgesamt viel Kraft gekostet", sagte der WM-Fünfte des Vorjahres.
Michael Schrader einfach nur glücklich
„Nur happy“ war dagegen Michael Schrader, der seine olympische Feuertaufe mit 8.194 Punkten glänzend bestand und nach dem Sieg im ersten von zwei abschließenden 1.500-Meter-Läufen zu Recht jubelte. „Ich war eigentlich die ganze Zeit locker drauf und habe mich nicht großartig verrückt gemacht. Schade war nur, dass es im 400-Meter-Lauf nicht so gelaufen ist, wie ich mir das vorgestellt hatte. Ansonsten kann ich absolut zufrieden sein“, sagte der Schützling von Trainer Torsten Voss.
Unter der „Regie“ von Claus Marek, Teammanager Zehnkampf im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), und Wolfgang Beck, Coach von Arthur Abele (SSV Ulm 1846), zeigte vor allem Michael Schrader (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen) einen ersten Tag ohne Schwächen und lag sieben Punkte über seinem Durchgangsresultat vom Mehrkampfmeeting in Ratingen, wo er mit 8.248 Punkten seine Bestleistung aufgestellt hatte.
Erstmals über 60 Meter
14,71 Sekunden über 110 Meter Hürden waren zwar nicht der erhoffte Traumstart in den zweiten Tag, doch solide 40,41 Meter mit der Diskusscheibe und 4,80 Meter mit dem Stab ließen den Sportsoldaten weiter von einer neuen Bestleistung träumen. Nach dem ersten Speerwurf seiner Karriere über die 60-Meter-Marke (60,27 m) schien weiter alles möglich. Doch nach 4:26,77 Minuten fehlten dann 55 Zähler zur Bestmarke – die gleiche Punktzahl wie in Peking hatte er übrigens beim ersten „8.000er“ seiner Karriere im Juni in Bernhausen erreicht.
André Niklaus zog nach den kräftezehrenden Wettkampftagen ein gemischtes Fazit. „Ich habe die angestrebte Bestleistung nicht geschafft, bin aber wieder unter den Besten der Welt. Ich werde bei der Analyse der Saison natürlich genau darauf schauen, was ich richtig und was ich falsch gemacht habe, denn im nächsten Jahr steht die WM in Berlin an. Und in meiner Heimatstadt will ich es besser machen. Ich freue mich schon seit Jahren darauf und habe bereits überlegt, ob ich mit der U-Bahn hinfahre“, meinte er scherzend.
Von Platz 16 in die Top Ten
Der Hallen-Weltmeister von 2006 kam auch am zweiten Tag in 14,37 Sekunden durchaus gut aus den Blöcken, sprach trotz akzeptabler 45,39 Metern im Diskuswerfen aber von einer „Zitterpartie“ und war selbst mit den 5,20 Metern im Stabhochsprung nicht zufrieden, obwohl er der beste Stabhochspringer im Zehnkampf-Lager war.
„Auch im Speerwerfen war nicht das Wahre und über 1.500 Meter habe ich die ersten beiden Runden verschlafen“, erklärte André Niklaus im ZDF-Interview. Dennoch führten die 60,21 Meter und 4:32,90 Minuten dazu, dass der Schützling von Rainer Pottel nach Platz 16 am Vortag den Sprung unter die besten Zehn schaffte. „Ich bin mal wieder bester Deutscher und habe gezeigt, dass ich kämpfen kann“, meinte er.
Kritische Worte von Wolfgang Beck
Selbstkritisch zeigte sich unterdessen Wolfgang Beck nach dem frühen Aus für Arthur Abele. Der bislang beste deutsche Zehnkämpfer in diesem Jahr hatte seine Hoffnungen auf eine Top-Platzierung bereits nach einem verpatzten Weitsprung-Auftritt mit nur einem gültigen Versuch auf 6,47 Meter aufgeben müssen, sprang zudem lediglich 1,90 Meter hoch und musste noch vor dem 400-Meter-Lauf wegen eines beim Aufwärmen erlittenen Muskelfaserrisses aufgeben.
„Arthur war natürlich fix und fertig. Er wollte hier eigentlich einem Millionenpublikum zeigen, was er drauf hat. Aber leider hat er schon beim Weitsprung die Brechstange rausgeholt, obwohl die Vorgabe war, den ersten Versuch erst einmal ohne Risiko anzugehen“, erklärte Wolfgang Beck, der bereits den Auftakt über 100 Meter trotz ordentlicher 10,90 Sekunden skeptisch verfolgt hatte: „Er ist nicht in den Rhythmus gekommen, den wir uns vorgestellt haben. Es gibt nichts zu entschuldigen, denn egal wie die Bedingungen sind: Beim Saisonhöhepunkt muss alles auf den Punkt gebracht werden.“