Mentale Stärke & Regeneration

In unserer Initiative #TrueAthletes@Home geht es auch um die wichtigen Themen "Mentale Stärke & Regeneration". Wir alle befinden uns gerade in einer ungewohnten Situation, die uns vor ungeahnte Herausforderungen stellt. Wege zu finden damit umzugehen, die neuen Herausforderungen bestmöglich zu meistern, Nachteil vielleicht sogar in Vorteile oder Schwächen in Stärken umzuwandeln – darum geht es uns, dabei wollen wir helfen. Im Sport wie im Alltag. Unser Service auf diesen Seiten wird regelmäßig erweitert – schauen Sie vorbei und machen Sie mit!


Prof. Dr. Michael Gutmann
Leitender DLV-Psychologe
Professor für Gesundheits- und Sportpsychologie an der PFH Private Hochschule Göttingen
Interview mit Michael Gutmann: Corona kann uns bremsen, aber nicht aufhalten
Umgang mit Sorgen & Ängsten in Krisenzeiten
Ängste sind ganz natürlich und auch ganz wichtig. Sie motivieren uns zum Beispiel zu Schutzverhalten. Aber aus Angst sollte keine Furcht werden, sondern eher Respekt vor der Gefahr: "Ich passe auf und weiß, dass ich mich gut schützen kann." Wie das funktioniert, zeigen uns gerade alle Profis aus dem medizinischen und pflegerischen Bereich. Es geht nicht darum, Ängste zu vermeiden, sondern darum, Ängste zu bewältigen – durch informiertes und angemessenes Handeln. Verständlich sind auch Ängste, die sich aus existenziellen Sorgen ergeben. Davon sind zurzeit leider viele Menschen betroffen! Die Herausforderung besteht darin, diese Situation anzunehmen, sich nicht lähmen zu lassen und selbst aktiv zu werden. Die Sorgen mit anderen zu teilen, schafft Erleichterung und kann Wege zur Unterstützung eröffnen. Mit anderen zusammen kreativ zu werden, kann neue Chancen aufzeigen. Wenn heute nicht mehr funktioniert, womit ich gestern mein Geld verdient habe, so werden jetzt vielleicht andere Dinge gebraucht, zu denen ich vielleicht auch etwas beitragen kann. Nicht jammern, sondern mitmachen!
Halt und Orientierung in ungewohnten Situationen
Unser Alltag ist von vielen großen und kleinen Zielen bestimmt. Das motiviert uns und gibt uns Halt und Orientierung. Plötzlich ist alles anders und die gewohnten Ziele sind weg! Das lähmt und macht viele Menschen antriebslos. Jetzt gilt es, sich zu besinnen und sich darüber klar zu werden, was jetzt wichtig ist – für mich selbst und für alle anderen um mich herum. Wer es schafft, seine Träume und Visionen für den Moment einzufrieren und dennoch im Herzen zu bewahren, kann jetzt neue Ziele stecken und sich daran orientieren, was jetzt wichtig ist. Hier können wir uns nur gegenseitig zu Flexibilität ermuntern und anspornen, denn schon der alte Darwin hat gezeigt: Nur wer sich an die neue Situation anpasst, hat gute Chancen!
Bedeutung von Gewohnheiten innerhalb einer Tagesstruktur
Neben den Zielen spielen auch Gewohnheiten im Tagesablauf eine große Rolle. Jetzt sind viele unserer Gewohnheiten über den Haufen geworfen. Vieles läuft nicht im gewohnten Rhythmus, sondern muss täglich neu geplant und überlegt werden. Das ist anstrengend und nervt. Jetzt hilft es sehr, schnell neue Gewohnheiten zu entwickeln, sich miteinander abzusprechen und umzusetzen: Wer macht was und wann? Wenn Abläufe in einem neuen Rhythmus ablaufen, schafft das wieder Kraft für die wichtigen Dinge. Das gilt natürlich auch für den Trainingsablauf und Sportangebote. Wenn alles seinen Platz im Alltag hat, geht vieles leichter!
Kleine und große Ziele: eine Frage der Perspektive
Es ist wichtig, sich zu informieren, seine eigene Meinung zu bilden und die eigene Perspektive im Auge zu behalten. Aber erstens geht das gar nicht 24/7 und zweitens bringt uns das auch nicht weiter. Wenn alles bedacht und geplant ist, dann geht es darum, die aktuellen Programmpunkte des Alltags auch fokussiert und mit ganzer Aufmerksamkeit in Angriff zu nehmen. Das gilt gleichermaßen für das Training wie auch z.B. für das Lernen. Das ist genau wie im Wettkampf: Nur wer bei der Sache ist, kann gute Leistung bringen. Wenn der Wettkampf vorbei ist, kann man sich wieder mit den Problemen auseinandersetzen und sich neu orientieren. Genau das ist mentale Stärke: Behalte den Überblick, aber sei in der Sache, wenn es darauf ankommt.
Übungen für den optimistischen Blick nach vorne
Die große Kunst besteht darin, auch in einer negativen Situation dennoch kleine positive Dinge wahrzunehmen. Hat jemand bemerkt, dass es trotz der gegenwärtigen Aufregung Frühling geworden ist? Sich vorzunehmen, jeden Tag die positiven Momente – ein nettes Gespräch, eine Blume am Straßenrand, ein leckeres Essen – bewusst wahrzunehmen, ist ein erster Schritt. Wenn man dann am Abend den Tag noch einmal Revue passieren lässt, können diese Momente noch einmal aufleben und den Tag mit einem guten Gefühl beenden lassen. Wer sich abends an nichts Positives erinnern kann, hat dann eine wichtige Aufgabe für den nächsten Tag!
Mit all diesen Tipps geht es nicht darum, sich die Krise schönzureden. Vielmehr sollte uns klar werden, dass schwierige Situationen sich nicht von allein lösen. Und wenn schon Aktivität nötig ist, dann geht das deutlich besser von der Hand, wenn dies gemeinsam erfolgt (aber bitte mit Abstand) und von einer positiven Stimmung begleitet wird. Daran kann man arbeiten.