Kulturpolitischer Kontext
Wiebke Fabinski (Dezember 2008, Statistiken in 2014 aktualisiert)
Was wird eigentlich aus unseren "Mainzer" Trainerinnen und Trainern, nachdem sie ein Jahr in Deutschland verbracht und das Leben hier kennen gelernt haben, sich durch die Tücken einer fremden Sprache gekämpft und mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus allen Teilen der Welt die Schulbank gedrückt haben? Was ist überhaupt geblieben, nachdem sie 5, 10 oder 20 Jahre wieder in ihrem Heimatland gelebt und gearbeitet haben?
Die Teilnehmer
Frauen sind nicht mehr unbedingt unterrepräsentiert: Der einjährige Aufenthalt in Mainz stellt, je nach Lebenssituation der Trainerinnen und Trainer, einen gewaltigen Schritt dar. Ob Familie, Kinder, Ehepartner - gerade im mittleren Lebensabschnitt gilt es, einige Faktoren im Vorfeld zu bedenken. Vielleicht ist das auch der Grund, dass der Frauenanteil unter den Teilnehmern durchschnittlich nur etwa 30 Prozent beträgt.
Das eigene soziale Umfeld für ein Jahr zu verlassen bedeutet für Frauen häufig eine ungleich höhere Hürde als für die männlichen Trainer, insbesondere wenn Familie und Kinder im Spiel sind. Hier gilt es, auch weiterhin die Verbände zu motivieren, geeignete Trainerinnen nach Mainz zu entsenden und Rahmenbedingungen zu schaffen, die Frauen die Teilnahme am Programm der Trainerschule ermöglichen.
Geographische Schwerpunkte
Auch wenn die geographische Verteilung der Herkunftsländer der in Mainz ausgebildeten Trainer weit gestreut ist, gibt es gewisse geographische Schwerpunkte der Zusammenarbeit: Jeweils mehr als 10 Personen kamen aus den Ländern Tunesien, Senegal, Kenia, Chile und Bolivien. Fast 30 - und damit mit Abstand am meisten - kamen aus Indonesien. Seit 1978 nahmen 29 Personen aus Indonesien an den Kursen teil, an 22 der insgesamt 31 Kursen waren sie mit mindestens einer Teilnehmerin oder einem Teilnehmer vertreten; bereits beim 1. Kurs 1978 war Indonesien mit 3 Trainern vertreten.
Woran es liegt, dass sich Indonesien als Schwerpunktland herausgebildet hat, mag viele Gründe haben. Ein gewichtiger Grund ist die kontinuierliche Kulturpolitik im Sport mit dem Inselstaat. Insbesondere die Deutschen Langzeitexperten, die in Indonesien für das Auswärtige Amt Kulturarbeit im Sport leisten, schlagen sozusagen die Brücke zwischen talentierten indonesischen Trainern und der Auslandstrainerschule Mainz. Einerseits haben sie die Arbeit der Auslandstrainerakademie erst in indonesischen Leichtathletikkreisen bekannt gemacht, andererseits können sie Empfehlungen für geeignete Trainerinnen und Trainer aussprechen oder den Verband bei den Formalitäten unterstützen.
Einschätzungen und Rückmeldungen von Ex-Teilnehmern
Ein wichtiger Teil des Trainerkurses ist der Sprachkurs – ohne Frage kommt ihm eine Schlüsselstellung im Mainzer Programm zu. Nur so haben die Trainer die Möglichkeit, am Alltagsleben und der Alltagskultur in Deutschland teilzunehmen und Bekanntschaften und Freundschaften vor Ort zu knüpfen. Bevor die sportliche Ausbildung beginnt, drücken alle gemeinsam vier Monate die Schulbank und lernen Deutsch – zur Alltagsverständigung, aber auch für die folgende sportpraktische Ausbildung.
Denn der gesamte Unterricht und die Prüfungen finden auf deutsch statt. Eine anspruchsvolle Herausforderung, der sich die Trainer, aber auch die Ausbildenden stellen. Daher bereiten sich manche bereits in ihrem Heimatland mit einem Deutschkurs, z.B. beim Goethe-Institut vor.
Für die Teilnehmenden steht natürlich die sportliche Ausbildung und der Erwerb von fachlichen Qualifikationen und Know-How im Vordergrund, wenn sie die Reise nach Deutschland antreten. Dabei steht zum einen das Interesse an neuesten Erkenntnissen für das leistungssportliche Training für sie im Vordergrund. Gleichzeitig besteht jedoch großes Interesse an Themen des Breitensports und der Sportentwicklung.
Methoden- und Vermittlungskompetenzen entwickeln
Leichtathletik in der Schule, Seniorensport, Sport und Gesundheit, Organisation von Veranstaltungen - alles Aspekte, die für die spätere Arbeit im Heimatland wichtig sind, je nachdem, in welchem Bereich die Trainer ihren Arbeitsschwerpunkt haben. Die Ausbilder in Mainz sind also mit jedem Kurs aufs Neue gefordert, hier ein ausgeglichenes Verhältnis von leistungs- und breitensportlich relevanten Inhalten zu vermitteln und gleichzeitig auf die besonderen Schwerpunkte jeder Gruppe einzugehen.
Neben dieser fachlichen Kompetenz sind weitere Ziele der Ausbildung in Mainz, die Erweiterung von Sozialkompetenzen sowie Methoden- und Vermittlungskompetenzen der Kursteilnehmer zu ermöglichen. Das Konzept des Trainerkurses sieht dabei vor, sich mit jeder Disziplingruppe längere Zeit zu beschäftigen, sodass die Themen von Grund auf behandelt werden können und die verschiedenen Vorkenntnisse der – teils relativ heterogenen Gruppen - Berücksichtigung finden können. Dieses Vorgehen gibt allen Beiteiligten die Möglichkeit, im Unterricht mit den Dozenten und untereinander zu diskutieren.
"In den Unterrichtsstunden haben wir die Inhalte diskutiert. Dabei habe ich gelernt, nicht alles für bare Münze zu nehmen, was mir erzählt wird oder was ich in Büchern lese, sondern mir meine Meinung selbst zu bilden. Gemeinsam haben wir überlegt, wie kann man dieses oder jenes in Indien, wie in Uruguay oder im Senegal umsetzen", so einer der Trainer.
Dass der Kompetenzerwerb im Mainzer Konzept im Mittelpunkt steht, unterscheidet es auch von anderen Kursprogrammen - z. B. der Lehrgänge des Internationalen Leichtathletik Verbandes - denn Kompetenzen können nicht auf die Schnelle vermittelt, sie müssen in einem zeitlich andauernden Prozess erworben werden. Das kann nur geschehen, wenn die Ausbildung Zeit und Raum für diesen Prozess zulässt.
Faktoren für die Nachhaltigkeit des Trainerkurses
Ein besonderer Punkt für die Mainzer Absolventen aus Indonesien ist, dass sie die Möglichkeit haben, in ein bestehendes Netzwerk aus "Ehemaligen" zurückzukommen; das hilft bei der beruflichen Wiedereingliederung im Heimatland. Von Vorteil ist es außerdem, wenn sie bei der Wiedereingliederung von einem deutschen Langzeitexperten unterstützt werden. Diese Einbettung der Arbeit der Mainzer Trainerschule in die Gesamtstrategie der auswärtigen Kulturarbeit im Sport - aber auch über den Sport hinaus - ist in Bezug zur Nachhaltigkeit und Kontinuität des Programms nicht unwichtig, insbesondere, wenn Mainzer Absolventen Schlüsselpositionen im Verband oder anderen Institutionen ihres Heimatlandes einnehmen.
Dazu passt auch, dass einige der indonesischen Trainerinnen und Trainer aktiv den fachlichen Kontakt zu Deutschland halten. Wenn ein Experte zu einer Veranstaltung angefragt werden soll, wird zuerst auf die Kontakte in Deutschland zurückgegriffen, steht ein Trainingslager in Europa an, werden die Kontakte in Mainz aktiviert.
In diesem Zusammenhang sollte nicht vergessen werden, dass sich durch die Auslandstrainerschule ein Netzwerk von Mainzer Absolventen um die ganze Welt spannt. Wer ein Jahr lang in einem fremden Land gemeinsam "durch dick und dünn" gegangen ist, bleibt seinen Kolleginnen und Kollegen über viele tausend Kilometer verbunden.
Jedoch gibt es hier noch viel Potenzial: Bisher vernetzen sich die Trainerinnen und Trainer auf eigene Initiative. Trotz Internet und eMail ist der überregionale Austausch noch relativ gering. Deshalb wurde im Sinne einer Nachhaltigkeit, eine Internetplattform für die ehemaligen Teilnehmer - ein Alumni-Netzwerk- geschaffen, sodass diese sich austauschen und über aktuelle Aktivitäten der Mainzer Trainerschule informieren können. Dies könnte die Wirksamkeit der Auslandstrainerschule Mainz als Teil auswärtiger Kulturpolitik im Sport weiter positiv verstärken.
Geographische Verteilung der Herkunftsländer der Teilnehmer seit 1978