Sportförderung in Entwicklungsländern
Werner Steinmann (Studienkursleiter; Dezember 2008)
Die Auslandstrainerakademie Mainz – ein Beitrag zur Sportförderung in Entwicklungsländern im Rahmen der deutschen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik.
Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist eine der drei Säulen deutscher Außenpolitik neben den wirtschaftlichen und politischen Beziehungen - und eines ihrer wichtigsten und nachhaltigsten Instrumente. Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland fördert im Rahmen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik Sportbeziehungen zu Ländern der Dritten Welt, zu Ländern Osteuropas, zur Volksrepublik China und zur Mongolei.
Vertrauensbildung zwischen Partnerländern
Der deutschen Sportförderung im Ausland kommt insofern eine wichtige Rolle der Vertrauensbildung zwischen Deutschland und seinen Partnerländern zu, weil mit dem deutschen Sport weltweit positive Assoziationen verbunden sind und durch Sport dazu beigetragen werden kann, dass Kontakte geknüpft werden, wie dies in anderen Kulturformen so nicht möglich ist, weil vielfach die Menschen nicht unmittelbar erreicht werden. Außerdem erschließt Sport einfach andere Gruppen von Menschen, vor allem junge Menschen. Das ist somit zugleich eine Investition in die Zukunft.
Auf einer Auslandsreise im Frühjahr 2008 beschrieb Außenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier die Funktion des Sports als Problemlöser der besonderen Art: "Wir sehen es ganz gerne, wenn wir über den Sport Gesprächssituationen schaffen, die wir in der Politik nicht hinbekommen."
Als ein Kernelement glaubwürdiger und nachhaltiger Sportförderung in Entwicklungsländern im Rahmen deutscher Auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten die Mainzer Auslandstrainerakademie erwiesen. Ihre Gründung im Jahre 1978 seitens der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und des Deutschen Leichtathletik-Verbandes sowie die Einrichtung der Studienkurse "Spezialtrainer für Leichtathletik" wird inzwischen von nationaler und internationaler Seite als sporthistorisches Ereignis von besonderem Rang gewertet.
"Auswärtiges Amt des Sports"
Mit der Einweihung des Berno-Wischmann-Hauses auf dem Uni-Campus direkt neben dem Universitätsstadion bekam das in dieser Form einmalige Kooperationsmodell im Jahre 1995 zusätzliche Impulse, weil hier nicht nur die DLV-Trainerschule, sondern auch Büroräume des Rheinhessischen Leichtathletik-Verbandes, des Landssportbundes Rheinland-Pfalz und des Sportinstitutes der Universität Mainz untergebracht sind. Das fördert nicht nur Kooperationen und Synergieeffekte, das Haus bietet den internationalen Gästen nunmehr neben eigenen Vorlesungs- und Seminarräumen auch attraktive Wohnmöglichkeiten.
Wenn die Mainzer Auslandstrainerakademie seitens des Auswärtigen Amtes wiederholt als "Perle der Entwicklungshilfe" bzw. als "Auswärtiges Amt des Sports" und von anderer Seite als "Schmuckstück unserer deutschen Außenpolitik" oder als "Schule der Eisbrecher" tituliert worden ist, dann macht uns dies mächtig stolz, ist aber auch gleichzeitig eine Verpflichtung für uns, den gestellten Aufgaben zukünftig mit noch größerem Engagement nachzukommen.
Es ist aber nicht die Fachausbildung allein, die uns dieses Prädikat verleiht. Für das Auswärtige Amt sind die interkulturelle Kommunikation sowie die Völkerverständigung wichtige Teilziele, zu der die Auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland einen besonderen Beitrag leisten will. Aus dieser Begründung legt das Auswärtige Amt als Geldgeber großen Wert darauf, dass alle Teilnehmer vor Beginn der Fachausbildung in einem viermonatigen Sprachkurs bei Dr. Thomas Bleicher vom Fremdsprachenzentrum der Universität Mainz die deutsche Sprache erlernen, damit später einerseits der Unterricht in der deutschen Sprache erfolgen kann und andererseits die Stipendiaten möglichst viele Kontakte zur deutschen Bevölkerung knüpfen und Deutschland als Kulturland besser kennen lernen können.
Kultur-Vermittlung
Vermittelt wird den Studierenden ein realistisches und facettenreiches Bild Deutschlands: Sie lernen Deutschland als ein fröhliches, offenes, innovatives, tolerantes und leistungsstarkes Land kennen. Nach Beendigung des Studienkurses kehren die Mainzer Stipendiaten in ihre Heimatländer zurück und berichten von ihren positiven Erfahrungen, die sie in Deutschland und im Umgang mit Deutschen gemacht haben. Sie werden also für die Bundesrepublik Deutschland wertvolle Multiplikatoren.
Bei uns ist Multikulturalität kein abgenutztes Schlagwort sondern gelebte Realität. Es ist immer wieder eine Freude zu erleben, wie aus rund einem Dutzend junger Menschen aus allen Himmelsrichtungen und verschiedenen ethnischen Gruppen, Religionen und Kulturen in Mainz ein Team und eine Gemeinschaft geworden ist.
Das ist Völkerverständigung pur, zu der die Auswärtige Kulturpolitik der Bundesregierung ja einen Beitrag leisten will. Das funktioniert deshalb so hervorragend, weil über die erlernte deutsche Sprache eine Brücke zur gegenseitigen Verständigung geschaffen wird. Deutsch ist also Kontaktsprache innerhalb einer hetero-lingualen Gruppe. Schon allein aus den genannten Gründen darf der viermonatige Deutschsprachkurs in Zukunft weder gekürzt noch in Frage gestellt werden.
Ein ehemaliger Absolvent äußerte sich nach Beendigung des Mainzer Studienkurses - stellvertretend für viele - wie folgt: "Es war wichtig, die deutsche Sprache zu lernen. So konnte ich viel über die deutsche Kultur lernen und viele Freundschaften mit Deutschen schließen. Ich werde zu Hause allen von meinen positiven Erfahrungen berichten. Auch das Zusammenleben mit den anderen Sportlern aus vielen Ländern der Welt war schön. Das fördert die internationale Kommunikation. Man lernt auch Toleranz und gegenseitige Rücksichtnahme."
Entwicklungspolitik
Dass in den vergangenen 36 Jahren 432 Stipendiaten aus 88 Ländern zur Ausbildung nach Mainz gekommen sind, macht uns sehr stolz. Wir werten dies als Zeichen, dass sie die in der internationalen Fachwelt geschätzten Mainzer Studienkurse ebenfalls als sehr bedeutsam ansehen. Da unter Berücksichtigung von Gender-Aspekten die Frauenförderung (auch im Sport) ein wesentliches Element der deutschen Entwicklungspolitik ist, wurde die ausgeprägte Unterrepräsentanz von Frauen in den Studienkursen in den vergangenen Jahren abgebaut.
Diesen Veränderungsprozess verdanken wir in erster Linie dem Engagement der Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, der Bundestagsabgeordneten Dagmar Freitag, die weiß, dass zunehmend auch der Sport in der Entwicklungsarbeit eingesetzt werden muss, um ein Empowerment von Mädchen und Frauen zu fördern. Während einer Lehrtätigkeit im Ausland erzählte eine Frau dem Mainzer Studienkursleiter, dass Entwicklungsförderung wie ein Fahrrad mit zwei Rädern funktioniert. Ein Rad ist männlich und eines weiblich. Wenn eines der Räder sich nicht bewegt, fährt das Fahrrad nicht weit.
Unter bildungsbezogenen Aspekten wird das Studium an der Mainzer Auslandstrainerakademie am häufigsten mit dem Wunsch begründet, die deutsche Sprache zu erlernen, der Erwartung, in Mainz gute Studienbedingungen vorzufinden und dem primären Interesse, spezielle Fachkenntnisse erwerben und die vorhandenen vertiefen zu wollen. Daneben wird vor allem die Erwartung geäußert, durch das Studium in Mainz die eigenen Berufschancen zu verbessern.
Menschen für Leichtathletik begeistern
Lehr- und Trainertätigkeit im Hochleistungssport im Bereich der Leichtathletik ist nur ein zentrales Abbildungsziel der zweisemestrigen Mainzer Studienkurse. Auf Grund der recht unterschiedlichen Voraussetzungen der Lehrgangsteilnehmer sowie der nicht voll planbaren Berufsmöglichkeiten werden in Mainz bewusst weitere Ziele als sinnvoll erachtet. Dies bedeutet: Die ausländischen Stipendiaten sollen auf Grund der Ausbildung nicht nur befähigt werden, Trainingsprozesse in den Blöcken Sprint, Lauf, Sprung, Wurf und Mehrkampf unter dem Aspekt der sportlichen Höchstleistung zu planen sowie zu realisieren, sondern ihnen wird auch ein breite Palette neuer Ideen und Anregungen vermittelt, um in ihren Heimatländern möglichst viele Menschen für die Leichtathletik zu gewinnen und zu begeistern.
Bewusst werden in Mainz auch Kursinhalte auf die Bedürfnisse einer kind-, jugend- und schulorientierten Leichtathletik abgestimmt. Auch breitensportliche Aspekte der Leichtathletik fehlen nicht (Sport für Alle: Jogging, Walking, Nordic Walking, Straßenlauf wie der Gutenberg-Marathon Mainz sowie gesundheitsorientiertes Fitness- und Gesundheitstraining). Diese Themen sind enorm wichtig für die Einstufung der Mainzer Ausbildung als entwicklungspolitisches Instrument.
Das Ziel des Mainzer Studienkurses ist es also, die ausländischen Stipendiaten nicht nur in vielen Fächern, sondern leichtathletikspezifisch auch sehr variantenreich aus- und weiterzubilden. Gemäß dem Motto von Immanuel Kant "Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie" vertreten die Mainzer Lehrkräfte das Postulat von ausgewogener theoretischer und praktischer Ausbildung.
Beruflichen Aufstieg im Sport erleichtern
In Bezug auf realisierte Ausbildungsziele sind die folgenden Befunde besonders interessant: Alle Absolventen schätzen ihre Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme für wichtige Aufgaben, ihre Fähigkeit zur Zusammenarbeit im Team und ihre sportwissenschaftliche und leichtathletikspezifische Kompetenz als wesentlich höher ein als zu Beginn der Ausbildung in Mainz. Mehrheitlich sind die Studierenden der Meinung, dass die in Mainz erworbenen Schlüsselqualifikationen und fachspezifischen Kompetenzen ihnen in ihren Heimatländern den beruflichen Aufstieg erleichtern.
Stolz können wir auf Grund vielfältiger Kontakte zu ehemaligen Absolventen konstatieren, dass unsere gemeinsame Arbeit auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Dies untermauern heutige Tätigkeiten ehemaliger Absolventen in verantwortungsvollen Positionen in Universitäten, Ministerien sowie nationalen und internationalen Sportverbänden und Sportorganisationen. Erfolgreiche Leichtathletiknationen wie Kenia, Marokko oder Jamaika haben einige ihrer Trainer bzw. Cheftrainer in Mainz ausbilden lassen. Dass ihre Athleten bereits auf internationaler Ebene (Weltmeisterschaften, Olympische Spiele) Medaillen gewonnen haben, sei hier nur am Rande vermerkt. Ein ehemaliger "Mainzer" hat es sogar zu Ministerehren gebracht (Ministry of Social Transformation, Public Service, Human Resource Development, Youth & Sports).
"Hilfe zur Selbsthilfe" - dieses Motto ist ein sehr wichtiges Ausbildungsziel der "Mainzer Auslandstrainerakademie". Von Maria Montessori wurde einst der Satz geprägt: "Hilf mir, es selbst zu tun!", der die "Hilfe zur Selbsthilfe" vielleicht etwas fassbarer macht. Dass uns die Hilfe zur Selbsthilfe gut gelungen ist, bekunden nicht nur die genannten beruflichen Erfolge ehemaliger Stipendiaten, sondern das unterstreicht auch die Aussage einer früheren Studentin: "In Mainz haben wir gelernt, wie man einen Baum pflanzt, ihn pflegt, gießt und schützt bis er selber Früchte trägt und man schließlich aus dem Samen neue Bäume pflanzen kann." Insofern sind anscheinend die an der Ausbildung beteiligten Lehrkräfte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und des Deutschen Leichtathletik-Verbandes verantwortungsvolle Lehrer gewesen, denn es gilt: "Ein guter Lehrer hat nur eine Sorge - zu lehren, wie man ohne ihn auskommt."
Ansehen in der Politik
Dass die deutsche Sportförderung im Rahmen der Auswärtigen Kulturpolitik (hier: die Mainzer Auslandstrainerakademie) ein großes Potenzial besitzt, konnte Dr. Frank-Walter Steinmeier als Außenminister im Frühjahr 2008 auf seiner Asienreise feststellen. Begleitet wurde er vom damaligen DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop, der ehemaligen DLV-Vizepräsidentin und Bundestagsabgeordneten Dagmar Freitag sowie dem Leverkusener Ex-Stabhochspringer Danny Ecker.
Ziel war es unter anderem, in Gesprächen mit Sportpolitikern auf die Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2009 in Berlin aufmerksam zu machen. In Vietnam, Singapur und Indonesien traf unser Außenminister ehemalige Absolventen unserer Trainerschule, die ihm - in deutscher Sprache - von ihrer tollen Zeit in Deutschland berichtet haben. Unser Außenminister hat am Schluss seiner Reise betont, dass die deutsche Sportförderung im Allgemeinen und die Mainzer Auslandstrainerakademie im Besonderen eine wichtige Dimension der deutschen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik ist. Zudem wurde gesagt: "Die Mainzer Auslandstrainerakademie - das ist beste Sympathiewerbung für Deutschland."
Wenn nach Aussage des ehemaligen Außenministers Steinmeier das Auswärtige Amt sich auch in Zukunft entschieden dafür einsetzen wird, dass die Bedeutung der Sportförderung in Entwicklungs- und Schwellenländern als Teil der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik politisch und gesellschaftlich noch mehr anerkannt wird und die Förderung des Mainzer Studienkurses ein gemeinsames Anliegen bleibt, dann stimmt das die Johannes Gutenberg-Universität und den Deutschen Leichtathletik-Verband sehr zuversichtlich.
Netzwerke pflegen
Die Mainzer Auslandstrainerakademie wird im außenpolitischen Interesse Deutschlands auch zukunftsorientiert tatkräftig daran mitarbeiten, dass mit langfristig angelegter internationaler Zusammenarbeit über die spezifische Kraft des Sports Netzwerke aufgebaut und gepflegt werden, auf welche die Bundesrepublik Deutschland sich später verlassen kann.
Zwecks Bewältigung der anstehenden Aufgaben zur vollen Zufriedenheit unserer Stipendiaten und des Auswärtigen Amtes werden die Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der Deutsche Leichtathletik-Verband die vorhandenen Potenziale und Ressourcen noch stärker bündeln.
Eine Erhöhung der Effizienz ist unser Ziel. Es darf nicht verkannt werden, dass die Mainzer Auslandstrainerschule insofern ein besonderes Sportförderprojekt ist, als hier mit dem DLV und der Universität Mainz ein leistungsstarker Fachverband und eine Universität kooperieren, die sich als europäische und internationale Hochschule versteht. Inzwischen hat die Universität Mainz ein weltweites Kooperationsnetz in Forschung und Lehre geknüpft und sichert damit einen hohen Ausbildungsstandard.