| Leute

Christina Hering will in Berlin noch einmal Gas geben

Standort-Wechsel und Trainer-Wechsel: 800-Meter-Ass Christina Hering hat nach der Heim-EM in München die Weichen ganz neu gestellt. Und will damit auch auf der 400-Meter-Strecke einen Schritt nach vorne und in Richtung DLV-Staffel machen.
Silke Bernhart

„Ich hatte zum ersten Mal das Gefühl, ich muss raus.“ Raus aus München, meint Christina Hering damit. Raus aus ihrer Heimatstadt. Raus aus dem gewohnten Umfeld mit ihrem langjährigen Trainer Andreas Knauer. Aus ihrer Trainingsgruppe mit der EM-Finalistin über 1.500 Meter Katharina Trost. Und auch raus aus den Routinen, die sie in den vergangenen Jahren immerhin zu zwei Olympischen Spielen, in drei WM-Halbfinals und zuletzt bis auf Platz sieben ihrer Heim-EM gebracht haben.

Die Europameisterschaften in München waren für 800 Meter-Läuferin Christina Hering im August zugleich der bisherige Höhepunkt ihrer Karriere als auch ein Scheideweg. „War’s das jetzt? Höre ich jetzt auf?“ habe sie sich anschließend lange überlegt. Und sich dann entschieden weiterzumachen. Aber radikal anders: Mit Beginn des neuen Jahres wird die 28-Jährige nach Berlin ziehen und sich dort der Trainingsgruppe von Sven Buggel um 400-Meter-Sprinterin Alica Schmidt (SCC Berlin) anschließen. Ihrem langjährigen Verein, der LG Stadtwerke München, bleibt sie dabei weiter treu.

Schneller werden – auf zwei Strecken

Dass sie in Berlin nicht mehr mit Mittelstrecklern, sondern mit Langsprintern trainieren wird, ist für Christina Hering ein wesentlicher Grund für den Wechsel. „In München war ich lange die Grundschnellste, in Berlin kann ich von der Schnelligkeit der anderen profitieren“, erklärt sie. „Ich bin mir sicher, dass ich sowohl über 400 als auch über 800 Meter noch nicht alles ausgereizt habe. Und man sieht, dass die internationalen Medaillen-Gewinnerinnen über 800 Meter alle richtig schnell 400 Meter laufen können.“

Dasselbe darf die vielfache Deutsche Meisterin auch jetzt schon von sich behaupten: Bereits 2015 rannte sie die 400 Meter in 52,91 Sekunden. Mit 53,58 Sekunden sortierte sie sich 2022 in ihrem einzigen Freiluft-Rennen auf Platz 15 der deutschen Jahres-Bestenliste ein, in der Halle war sie zuvor in Bestzeit von 53,86 Sekunden in die deutschen Top Ten des Jahres gesprintet.

Schnelligkeit und Ausdauer: Die beiden Komponenten haben sich bei Christina Hering schon früh in ihrer Karriere gut vertragen: 2013 lief die damals 18-Jährige bei der U20-EM in Rieti (Italien) erst über 800 Meter zur Bronzemedaille. Und dann nur einen Tag später mit der deutschen 4x400 Meter Staffel ebenfalls auf Platz drei. Bevor sie eine Woche darauf Deutsche U20-Meisterin über 400 Meter wurde. Diese Kombination kann sich Christina Hering auch für die Zukunft vorstellen: „Ich möchte im Einzel weiterhin die 800 Meter laufen – aber ich will auch für einen Platz in der Staffel kämpfen!“ sagt sie.

Neue Trainingsphilosophie

Einen ersten Eindruck davon, was sie in Berlin erwarten wird, konnte sich die Münchnerin schon im November bei einem Besuch in der Hauptstadt und im Training gemeinsam mit ihrer neuen Gruppe machen: „Ich bin mir sicher, dass die Trainingsphilosophie von Andi [Andreas Knauer] und Jonas [Jonas Zimmermann] auch weiterhin funktioniert hätte. Aber in Berlin ist es jetzt was ganz Anderes: Sven Buggel setzt auf Blocktraining, und ich habe dort auch zum ersten Mal eine vierstündige Einheit absolviert.“

Schon jetzt trainiert Christina Hering nach den neuen Trainingsplänen, welche die Sportsoldatin in den kommenden Wochen zunächst begleiten werden bei einem Lehrgang bei der Bundeswehr – bevor dann im neuen Jahr der Umzug ansteht.

Andreas Knauer wird Christina Hering auch weiter als Bundestrainer sowie in gemeinsamen Trainingslagern mit Rat und Tat zur Seite stehen. Die Athletin hat ihren langjährigen Coach früh in ihre Überlegungen mit einbezogen. „Zunächst einmal hat er sich gefreut, dass ich weitermache“, sagt sie. „Er war traurig über den Wechsel, aber er unterstützt mich.“

Verzicht auf die Hallensaison

Damit sie Zeit hat, sich an die neuen Reize zu gewöhnen, wird Christina Hering voraussichtlich erstmals in ihrer Karriere keine Hallensaison bestreiten. „Während des Corona-Lockdowns haben wir auch ein langes Grundlagen-Training absolviert, da sah man schon den Effekt“, erklärt sie, und: „Ich habe die tolle Situation, dass ich die WM-Norm für Budapest schon in diesem Jahr erfüllt habe und daher in der Halle keine Punkte für das World Ranking sammeln muss.“

Mit der WM in Ungarns Hauptstadt, die vom 19. bis zum 27. August des kommenden Jahres stattfinden wird, ist schon der erste Fixpunkt auf dem Kalender von Christina Hering benannt. Weitere sollen folgen: „WM in Budapest, EM in Rom, Olympische Spiele in Paris, das sind tolle Ziele“, sagt sie. Nach der Heim-EM sei genau der richtige Zeitpunkt gekommen, um dafür noch mal die Weichen neu zu stellen. „Wenn nicht jetzt, wann dann?!"

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024