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Stefanie Berndorfer – So lange und so hoch der Spaß sie trägt

Olympia-Verschiebung, EM-Absage, viel Unsicherheit, dann aber doch Deutsche Meisterschaften in Braunschweig. Im Jahr 2020 war coronabedingt vieles anders. Hervorgebracht hat der Sommer dennoch wieder neun DLV-Athleten, die ihren ersten nationalen Einzeltitel bei den Erwachsenen gewonnen haben. Wir stellen sie vor, heute Stabhochspringerin Stefanie Berndorfer (SSV Ulm 1846).
Jan-Henner Reitze

Stefanie Berndorfer
SSV Ulm 1846

Bestleistung:

Stabhochsprung: 4,46 Meter (2019)

Erfolge:

Deutsche Meisterin 2020

Eine unsympathische Schuldirektorin namens Knüppelkuh, die der Kinderbuchheldin „Matilda“ das Leben schwer macht und früher einmal Olympiateilnehmerin im Hammerwurf war, das war die erste Berührung von Stefanie Berndorfer mit der Leichtathletik. Und erstmal der Grund, warum sie diese Sportart lieber nicht selbst ausprobieren wollte.

Mittlerweile bietet die Karriere der 33-Jährigen so viel Stoff, dass damit ebenfalls locker ein Buch gefüllt werden könnte: Viele Trainingsstationen, eine Reihe verletzungsbedingt schwieriger Jahre, der spät erfüllte Traum vom Start im Nationaltrikot  – und als Leitmotiv der gesamten Geschichte die unbändige Leidenschaft für ihre Disziplin, den Stabhochsprung. „Es ist einfach unbeschreiblich anzulaufen, abzuheben und dann zu fliegen.“

Das Kapitel 2020 ist wegen der Coronakrise eher weniger mit positiven Erinnerungen verknüpft. Das Olympia-Jahr sollte der krönende Abschluss vom Leistungssport werden, dann folgten Absage, wegen fehlendem Kaderstatus gesperrte Trainingsstätten und kaum Wettkämpfe für die Vielstarterin. Der mit Ria Möllers (TSV Bayer 04 Leverkusen) geteilte erste deutsche Meistertitel, noch als Stefanie Dauber, bildete dann doch noch ein versöhnliches Saisonende. Privat als Highlight hielt das Jahr noch die Hochzeit mit Freund Timm bereit.

Aus Skepsis wird Stabhochsprung-Leidenschaft

Sportlich war die im kleinen Ort Bermbach, gut 20 Kilometer nördlich von Wiesbaden, aufgewachsene Stefanie Berndorfer schon seit ihrer Kindheit. Auf das Kinderturnen folgten beim TV Bermbach Geräteturnen und „Rope-Skipping“, also Seilspringen. Hervorragende Grundlagen für den Stabhochsprung. Aber damit die heutige Leistungssportlerin zu ihrer Disziplin finden konnte, musste erst einmal mit ihren generellen Vorurteilen gegenüber der Leichtathletik aufgeräumt werden.

„Als ich neun Jahre alt war, wurde mir in meinem Verein empfohlen, es doch mal mit der Leichtathletik zu versuchen“, erzählt die gebürtige Hessin. „Aber ich wollte nicht, weil ich dachte, dort geht es nur um Medizinball werfen, wie ich es aus dem Film Matilda kannte.“ Auf das Angebot ihrer Mutter („Du probierst es einmal aus, wenn es dir nicht gefällt, brauchst du nie wieder hinzugehen.“) ließ sich die damalige Grundschülerin trotz ihrer Skepsis ein. Und ein Training reichte, die Vorstellung völlig zu wandeln und Begeisterung zu entfachen. „Laufen und Springen fand ich super, ich bin dabei geblieben.“

Schneller Erfolg bringt Motivation

Da nach und nach alle anderen Mitstreiter ihres Alters beim TV Bermbach aufhörten, fand sich kurzzeitig im nahegelegenen Idstein und dann in Wiesbaden eine neue Leichtathletik-Gruppe. Im Alter von 15 Jahren nahm die damalige Schülerin erstmals einen Stab in die Hand. Auf die Idee wurde sie von dem Vater einer Trainingskameradin gebracht, der von ihren turnerischen Erfahrungen wusste. „Eine genauere Vorstellung von der Disziplin hatte ich nicht, weil ich nie Leichtathletik im Fernsehen geschaut habe“, erzählt die Stabhochspringerin. „Aber es hat gleich gut funktioniert und schnelle Erfolgserlebnisse im Wettkampf haben mich zusätzlich motiviert.“

Gerald Heinrich, der selbst eine Bestleistung von 5,50 Meter vorzuweisen hat und bei der EM 1980 dabei war, entfachte dann endgültig die Leidenschaft für den Stabhochsprung. „Bis heute liebe ich diesen Sport einfach“, berichtet die Athletin, die viele Jahre für den Wiesbadener LV startete.

Lange Suche nach dem Weg in die deutsche Spitze

Nach 3,20 Meter im ersten U18-Jahr näherte sich Stefanie Berndorfer den vier Metern und gehörte ab 2004, als sie 3,80 Meter übersprang, zur erweiterten DLV-Spitze im Nachwuchsbereich. Größter Erfolg war Bronze bei der Jugend-DM 2006 in Wattenscheid in der Altersklasse U20 mit persönlicher Bestleistung von 3,90 Metern. Überfliegerinnen waren zu dieser Zeit übrigens die ein Jahr ältere Silke Spiegelburg (TSV Bayer 04 Leverkusen) oder die ein Jahr jüngere Lisa Ryzih (ABC Ludwigshafen).

Um eine der Beiden zu einer internationalen Nachwuchsmeisterschaft zu begleiten,dafür reichte es für Stefanie Berndorfer nicht ganz. Sie träumte allerdings von einem Start im Nationaltrikot. Um diesem Traum näherzukommen, wechselte sie in die Trainingsgruppe des damaligen Bundestrainers Herbert Czingon nach Mainz. Doch immer neue Verletzungen von Kreuzbandrissen über muskulären Problemen bis hin zu einem Knorpelschaden verhinderten den weiteren Aufstieg. 2007 gelang in der Halle noch der erste Sprung über 4,00 Meter, diese Bestleistung sollte dann aber neun Jahre Bestand haben.

Verschiedene Trainer, die Probleme bleiben

Obwohl sie nach jeder Verletzung mit Volldampf wieder einstieg und mit verschiedenen Trainern zusammenarbeitete, gelang es nicht, das richtige Rezept zu finden. Nachdem Herbert Czingon in die Schweiz wechselte, übernahm Balian Buschbaum die Gruppe in Mainz, die sich dann aber auflöste. Zwischenzeitlich arbeitete Stefanie Berndorfer mit Jaco van Vuuren zusammen. Der Südafrikaner hatte in Mainz die DLV-Auslandstrainerakademie besucht, ging dann aber in seine Heimat zurück. Die Betreuung aus der Ferne stellte sich auch nicht als praktikable Lösung heraus. Schließlich folgte die Athletin 2014 ihrem damaligen Trainer Julian Rudziok nach Ulm.

Wirklich voran ging es in dieser Zeit nur im Fernstudium im Fach Internationales Management. „Trotz aller Schwierigkeiten habe ich nie den Spaß am Stabhochsprung verloren. Deshalb habe ich nicht aufgehört. Außerdem bin ich davon ausgegangen, dass ich noch höher springen kann“, berichtet die Athletin des SSV Ulm 1846, die 2014 auch ein Jahr lang für den USC Mainz angetreten ist.

Wolfgang Beck bringt die Wende

Der Umzug nach Ulm entpuppte sich dann doch noch als goldrichtig, denn 2016 erfolgte der nächste, aber auch bis heute letzte Trainerwechsel. Wolfgang Beck hatte seine hauptamtliche Tätigkeit zwar schon längst beendet, übernahm mit all seiner Erfahrung aber doch die Betreuung. Vor allem gelang es ihm, die richtige Dosierung zu finden, damit seine nach wie vor hochmotivierte Athletin nicht wie schon so oft mit dem wieder aufgenommenen Aufbau gleich die nächste Verletzung produziert.

„Wolfgang weiß genau, was mein Körper verkraftet. Wir trainieren sehr individuell und flexibel. Je nachdem, wie ich drauf bin, passen wir die Einheit von Tag zu Tag an und folgen keinem festen Plan“, erzählt die DLV-Athletin, die gleich im ersten Jahr der neuen Zusammenarbeit endlich ihre langjährige Bestleistung auf 4,10 Meter steigern konnte. Seitdem ging es Stück für Stück bergauf. „Zu Wolfgang zu wechseln war das Beste, was mir passieren konnte.“ Mit Stephan Munz, Landestrainer in Stuttgart, hat noch ein zweiter Experte ein Auge auf die Technik und steuert Impulse bei.

Der SSV Ulm 1846 als Verein bot neben der Unterstützung auf sportlicher Ebene auch noch die passende Lösung, um nach dem Studienabschluss 2017 ein finanzielles Standbein aufzubauen. Eine halbe Stelle, mittlerweile in der Geschäftsstelle des Hauptvereins, lässt sich gut mit dem Training vereinbaren. 22 Abteilungen und knapp 10.000 Mitglieder halten abwechslungsreiche Aufgaben bereit.

Traum vom Nationaltrikot erfüllt sich bei Heim-EM

Sportlich war Stefanie Berndorfer endlich so fit, dass sie in der von ihr bevorzugten Form an sich arbeiten konnte. Und das heißt: Im Wettkampf. „Da besteht eine ganz andere körperliche und mentale Spannung als im Training. Ich kann ganz andere Stäbe springen“, berichtet sie. „Ich brauche immer wieder viele Wettkämpfe, um mich zu finden.“

Wohin das führen kann, zeigte sich 2018. In der Freiluft-Saison waren Ende Juli die Deutschen Meisterschaften in Nürnberg bereits der 16. Wettkampf des Sommers. Und gleich im ersten Anlauf blieb die Latte bei 4,45 Metern oben. Das bedeutete nicht nur DM-Silber und damit die erste Medaille bei nationalen Titelkämpfen seit Bronze bei der Jugend-DM 2006, sondern auch die Norm für die Heim-EM in Berlin.

Dort ging der lang gehegte Traum vom Start im Nationaltrikot endlich in Erfüllung. Weitere DM-Silbermedaillen jeweils mit der aktuell gültigen Bestleistung von 4,46 Metern gingen im Sommer 2019 und in der Hallensaison 2020 aufs Konto.

Für Olympia wird ein Jahr drangehängt

Die Olympia-Absage hat auch die Planung für das Karriere-Ende von Stefanie Berndorfer um ein Jahr verschoben, auch weil nicht wirklich eine zufriedenstellende Höhe in die Ergebnislisten eingegangen ist. „Die Deutschen Meisterschaften waren der erste Wettkampf, bei dem ich das Gefühl hatte wieder zu wissen, wie Stabhochsprung funktioniert. Dann war die Saison aber auch schon wieder vorbei.“

Wenngleich der aktuelle Teil-Lockdown das Training wieder erschwert: Die Olympia-Teilnahme ist näher als die doch noch weit entfernte direkte Qualifikations-Norm von 4,70 Metern vermuten lässt. „Das Ziel, mich über diese Höhe für Tokio zu qualifizieren, wäre vermessen“, so Stefanie Berndorfer. „Ich sehe eine Chance, es über das World Ranking zu schaffen.“

In der bereinigten Rangliste des Weltverbandes World Athletics ohne Athletinnen aus Russland liegt die DLV-Athletin momentan auf Platz 33. Geplant ist bisher, dass 32 Teilnehmerinnen für die Spiele zugelassen werden. Um ihre Position zu verbessern, hofft die Vielstarterin möglichst schon in der Hallensaison auf ein breites Wettkampfangebot, auch um nochmal etwas auf ihre Bestleistung draufzupacken.

Das sagt Bundestrainer Stefan Ritter:

Steffi springt seit drei Jahren auf einem konstanten Niveau. Seit 2018 liegt ihre Jahresbestleistung bei 4,45 Metern beziehungsweise 4,46 Meter. Außerdem schafft sie es fast immer, ihre beste Leistung beim Saison-Höhepunkt abzuliefern.

Eine große Stärke ist ihre Einstellung zum Stabhochsprung. Sie springt mit viel Freude und großer Leidenschaft. Steffi ist immer bereit, einen Wettkampf zu bestreiten und ihr Bestes zu geben. Eine ihrer größten Reserven ist das starke Unterlaufen. Mit weniger starkem Unterlaufen sollte es ihr möglich sein, härtere Stäbe zu springen und damit auch noch ein paar Zentimeter auf ihren Hausrekord draufzupacken.

Steffi ist ein Energiebündel, sie braucht immer etwas zu tun und beim Stabhochsprung kann sie dies ausleben. Sie ist immer fröhlich, positiv und verfolgt ihre Ziele mit langem Atem. Ich denke, dass Steffi sich eine sehr gute Ausgangsposition geschaffen hat, um ihre persönliche Bestleistung noch zu verbessern. Damit hat sie wieder die Chance im nationalen Vergleich um Medaillen zu springen und vielleicht auch eine Chance, über das World Ranking ein Ticket für Tokio zu erspringen.

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