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Oskar Schwarzer – Kleiner Verein, großer Erfolg

Sieben DLV-Athletinnen und Athleten haben bei der Hallen-DM in Dortmund ihre ersten Titel auf nationaler Ebene gewonnen, einige von ihnen überraschten damit sich, favorisierte Konkurrenz und die Zuschauer, die coronabedingt wieder „nur“ per Livestream dabei sein konnten. Wir stellen sie vor, heute 800-Meter-Läufer Oskar Schwarzer (TV Groß-Gerau).
Jan-Henner Reitze

Oskar Schwarzer
TV Groß-Gerau

Bestleistung:

800 Meter: 1:48,89 (2020); 1:47,63 (Halle; 2021)

Erfolge:

Deutscher Hallenmeister 2021

Wie deutschlandweit eine ganze Reihe von Vereinen hat sich der TV Groß-Gerau besonders der Nachwuchsarbeit und der Kinderleichtathletik verschrieben. Mehrere Athletinnen und Athleten gehörten in den vergangenen Jahren dem Nachwuchs-Bundeskader an, sammelten fünf deutsche Jugendtitel und auch drei Top-Ten Platzierungen bei internationalen Jugendmeisterschaften. Mit Oskar Schwarzer hat sich jetzt einer dieser Athleten seinen ersten nationalen Titel in der Aktivenklasse gesichert und damit die Erfolgsgeschichte seines Vereins weitergeschrieben, der sich überschwänglich mitfreute.

Der junge Mittelstreckler schätzt den familiären Umgang in seinem Heimatverein, in dem sein Potential erkannt und gefördert wurde, daher kommt für den 21-Jährigen ein Vereinswechsel nicht infrage. Obwohl der Überraschungssieger mittlerweile in der Frankfurter Gruppe von Bundestrainer Georg Schmidt trainiert, sind die Verbindungen in Sachen Trainingsgestaltung in die Heimat nicht abgerissen. Sein erster Trainer Dr. Dierk Feyerabend aus Groß-Gerau, dessen Tochter Jenna Fee zu Deutschlands besten Nachwuchs-Siebenkämpferinnen zählt, schaut immer noch gern vorbei, hat Einblick in die Trainingsinhalte und tauscht sich darüber mit Georg Schmidt aus.

Die Entwicklung der Bestzeit verlief in den vergangenen Jahren ohne große Ausreißer kontinuierlich Richtung nationaler Spitze. Nächste Station war dabei die Hallensaison, auch mit seinem ersten großen internationalen Start in der Männerklasse bei der Hallen-EM in Torun (Polen). So soll es weiter gehen und langfristig vermehrt auf die internationale Bühne. Eine wichtige Säule, diesen Weg gehen zu können, ist auch sein Studium bei der Landespolizei Hessen.

Kein Verein, kein Titel als Südhessenmeister

Erstmals auf einer Laufbahn gestanden hat der 800-Meter-Spezialist eher spät. Sportlich war er in seiner Kindheit von Anfang an, ging zum Fußball oder Judo, ohne Ambitionen daraus mehr als ein Hobby zu machen. Mit elf Jahren nahm Oskar Schwarzer erstmals an einem Laufwettbewerb teil, nachdem sein Vater vom Darmstädter Stadtlauf in der Zeitung gelesen hatte. „Nur zum Spaß habe ich teilgenommen, bekam als Dritter einen Pokal und hatte mein erstes Erfolgserlebnis im Laufen“, erzählt der heutige Leistungssportler. „Ich habe dann weitere Straßen- und Crossläufe mitgemacht. Eines Tages habe ich mich darüber gewundert, dass ich ein Rennen gewonnen hatte, aber trotzdem nicht zur Siegerehrung aufgerufen wurde.“

Es stellte sich heraus, dass bei der Südhessen-Meisterschaft nur Läufer mit einem Verein in die Wertung kamen. Deshalb trat der damals 13-Jährige in seiner Heimat in den TV Groß-Gerau ein, schaute sich dort das Leichtathletik-Training an und fand Gefallen daran. Nicht nur am Laufen, auch Mehrkampf stand auf dem Programm. Die Mittelstrecke blieb aber die Lieblingsdisziplin, auf der Dierk Feyerabend auch das Talent des Neuzugangs entdeckte und das Training mehr und mehr darauf ausrichtete.

Im Alter von 15 Jahren kratzte Oskar Schwarzer erstmals an der Zwei-Minuten-Marke (2:00,45 min) über 800 Meter, wurde Deutscher Vizemeister und nahm damit 2014 Position vier in der DLV-Bestenliste seiner Altersklasse M15 ein. Seitdem mischte er in seinem Jahrgang immer vorne mit, zog etwa in Finals bei Deutschen Jugendmeisterschaften ein. 2018 gelang in der Halle sogar der nationale U20-Titel, im darauffolgenden Sommer die erste Zeit unter 1:50 Minuten und die Qualifikation für die U20-WM in Tampere (Finnland).

Individualisiertes Training trägt zu Leistungsschub bei

Seine Schul- und berufliche Laufbahn verband Oskar Schwarzer mit seiner sportlichen. Als sowohl sein Trainingspensum wie auch seine Ambitionen zunahmen, wechselte er in der neunten Klasse auf die Carl-von-Weinberg-Schule, Eliteschule des Sports in Frankfurt. Dorthin pendelte er täglich von seinem Elternhaus im heimischen Groß-Gerau. Nach dem Abitur entschied sich der Mittelstreckler für ein Studium bei der Landespolizei Hessen, das er im Sommer 2019 aufnahm. Der Abschluss ist für 2023 angepeilt. „An der Polizeiarbeit hatte ich ohnehin Interesse. Für den Leistungssport bekomme ich jetzt Rückhalt und habe nach der Karriere gleichzeitig etwas für die berufliche Zukunft in der Hand.“

Es erfolgte auch der Umzug nach Frankfurt. Fließend erfolgte der Übergang in die dortige Trainingsgruppe von Georg Schmidt, der den Athleten aus der unmittelbaren Nachbarschaft schon von Kaderlehrgängen kannte. Dierk Feyerabend begleitete seinen Schützling weiterhin eng, auch bei Wettkämpfen. Das Jahr 2020 wurde durch die Corona-Pandemie durcheinander gewirbelt, brachte mit 1:48,89 Minuten dennoch eine Bestzeit und mit dem sechsten Platz bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig auch ein versöhnliches Ergebnis.

Die Vorbereitung auf die zurückliegende Wintersaison lief dann besser denn je. Details im Trainingsplan wurden individualisiert. „Wir haben beispielsweise gemerkt, dass bei mir Tempoläufe mit eher kurzen Pausen und etwas weniger Geschwindigkeit besser anschlagen“, erzählt Oskar Schwarzer. Diese Programme absolvierte er dann etwas anders als seine starken Trainingspartner. Auch bei denen lief es gut, etwa bei Marvin Heinrich oder Dennis Biederbick (beide Eintracht Frankfurt). Und so war die Truppe heiß zu zeigen, was sie drauf hat. „Das schaukelt sich dann schon ein bisschen auf“, so Oskar Schwarzer.

Kontinuierliche Entwicklung fortsetzen

Schon im Dezember verbesserte sich der Aufsteiger über 600 Meter (1:18,01 min) und 800 Meter (1:48,05 min) und blieb damit auch jeweils unter seinen Bestzeiten im Freien. Ende Januar fiel mit der Steigerung auf 1:47,92 Minuten auch noch die Norm (1:48,00 min) für die Hallen-EM in Torun. Da er unter den sechs Normerfüllern des DLV im Winter die schwächste Zeit vorzuweisen hatte, und mit Marc Reuther (Eintracht Frankfurt) und Christoph Kessler (LG Region Karlsruhe) zwei höher eingeschätzte Kontrahenten am Start waren, rechnete Oskar Schwarzer allerdings nicht damit, bei der Hallen-DM in Dortmund das EM-Ticket oder gar den Titel klar zu machen.

Er profitierte dort im Rennen vom für sein Niveau perfekt hohen Tempo, das Marc Reuther anschlug, aber allein von vorn nicht ganz durchstehen konnte. Die Reserven waren sogar groß genug, um auch noch an Christoph Kessler vorbei zu spurten und in 1:47,63 Minuten die schnellste Siegerzeit einer Hallen-DM seit 2003 hinzulegen. Die Teilnahme an der Hallen-EM war damit klar. Der Vorlauf-Einsatz in Torun bot dann eine wertvolle Erfahrung in einem taktischen Rennen mit viel Ellenbogeneinsatz, auf den sich der junge Athlet nach Bekanntschaften damit bei der U20-WM und den European Games 2019 eingestellt hatte. Was von diesem Winter bleibt, ist vor allem die Motivation, sich Stück für Stück weiter voran zu arbeiten und dabei auch Defizite zu verkleinern.

„Bisher laufe ich vor allem Zeiten und Normen hinterher. Das schafft man nur in gemachten Rennen. Darunter leiden etwas das Gespür und die Erfahrungen mit taktischen Rennen“, sagt Oskar Schwarzer. Langfristig möchte er ein Niveau erreichen, um in mehr internationalen Rennen auch an diesen Fertigkeiten zu feilen, im kommenden Sommer vor allem bei der in Bergen angesetzten U23-EM (Norwegen; 8. bis 11. Juli). Mit der Erfüllung des olympischen Traums lässt sich der Newcomer noch etwas Zeit.

Video: Oskar Schwarzer mach im Endspurt das Überraschungs-Gold perfekt
Video-Interview: Oskar Schwarzer: Ich wusste, ich bin ganz nah dran"

Das sagt Bundestrainer Georg Schmidt:

Schon in der Jugend war Oskar in seinem Jahrgang in Deutschland immer dabei und auch im Kader, aber kein großer Überflieger. Er hat sich immer weiter gesteigert. Er ist ein sehr entspannter Athlet und auch im Hinblick auf die Hallen-DM und seinen Einsatz bei der Hallen-EM gelassen geblieben. Gleichzeitig wollte er in Dortmund auch angreifen und jede Chance nutzen, die sich ihm bietet. Das hat er getan und sich zu Recht sehr gefreut. Dass mit dem Titel auch noch die direkte EM-Qualifikation gelingt, hätte kaum jemand für möglich gehalten. Klar ist auch, dass noch ein Stück zur europäischen Spitze fehlt. Das Rennen im EM-Vorlauf ist nicht so günstig für ihn verlaufen, einen Fehler hat Oskar aber nicht gemacht. Er schätzt sich realistisch ein und die U23-EM für den Sommer ist das richtige, erklärte Ziel.

Auch nach seinem Wechsel in meine Gruppe ist Dierk Feyerabend bis heute ins Training involviert. Ich schreibe die Pläne und er schaut drüber. Auch zu wichtigen Einheiten und bei Wettkämpfen ist Dierk dabei. Das ist ein wertvoller Austausch in einer Qualität, die es selten gibt.

Das weiter individualisierte Training hat bei Oskar ganz besonders gut angeschlagen. Er hat vergleichsweise kurze Trainingsblöcke absolviert. Seine vorbereitete Wettkampfphase im Dezember hat er nach nur acht Wochen Training bestritten. Das ist zu diesem Zeitpunkt für Mittelstreckler zumindest bei uns eher ungewöhnlich, die im Dezember sonst wenn überhaupt Wettkämpfe aus dem Training machen. Was dieses Modell angeht, tausche ich mich mit dem Trainerteam in Frankfurt aus. Ausgereizt ist das Training bei Oskar noch nicht.

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