| Interview der Woche

Katharina Trost: „Ich habe es immer noch nicht ganz begriffen"

Bei 1:58,68 Minute blieb am Sonntag im polnischen Chorzów die Uhr für Katharina Trost (LG Stadtwerke München) stehen. Neben dem vierten Platz, einer neuen 800-Meter-Bestzeit und der besten Zeit einer deutschen Athletin über diese Distanz seit 2015 bedeutete dies vor allem eines: die Olympianorm (1:59,50 min). Im Interview der Woche spricht die 25-Jährige über ihren Erfolg, welche Ziele sie sich nun für Tokio gesteckt hat und wie sie die derzeitige Entwicklung der deutschen 800-Meter-Läuferinnen einordnet.
Nicolas Walter

Katharina Trost, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem starken Auftritt am Wochenende. Wie fällt Ihre Gefühlslage einen Tag nach dem Wettkampf aus?

Katharina Trost:

Vielen Dank. Ich habe es immer noch nicht ganz begriffen. Ich freue mich natürlich wahnsinnig, aber so ganz fassen kann ich es noch nicht. Ich habe nach dem Rennen gestern erstmal meine Mama, meine Trainer und meinen Freund angerufen, aber so richtig zu mir selbst ist es noch nicht ganz durchgesickert. Vor allem ist es eine große Erleichterung zu wissen, dass ich jetzt mit Tokio rechnen kann und nicht mehr auf die Weltranglistenpunkte schauen muss. Gefreut habe ich mich auch riesig über das Feedback, welches ich bekommen habe. Ich habe so viele liebe Nachrichten und Anrufe erhalten, das ist ehrlicherweise mit das Schönste an diesem Erfolg.

Nehmen Sie uns noch einmal mit, wie haben Sie das Rennen in Chorzów erlebt?

Katharina Trost:

Es waren relativ viele Athletinnen am Start. Es waren sechs oder sieben Mädels mit einer Bestzeit zwischen 1:58 und 2:00 Minuten gemeldet. Mir war klar, dass sie natürlich alle schnell rennen, die Olympia-Norm angreifen wollten und es ein ziemlicher Kampf werden könnte. Ich bin zu Beginn gut rausgelaufen und habe mich dann erstmal etwas weiter hinten eingereiht. Es war super schnell und als wir dann bei 400 Meter vorbeikamen, habe ich zum ersten Mal auf die Uhr geschaut. Sie war gerade auf 58 Sekunden umgesprungen. Die anderen Mädels vor mir waren schon ein gutes Stück weg, die sind bestimmt bei 56,5 oder 57 Sekunden durch. In dem Moment dachte ich mir: ´Da sind noch fünf, sechs Mädels vor mir, ich glaube nicht, dass die alle so schnell anlaufen und das durchhalten können – da werden mir auf der zweiten Runde bestimmt noch ein paar entgegen kommen.´ In der ersten Kurve habe ich dann eine der Polinnen überholt, war dann an sechster Stelle und hatte eine kleine Lücke zur nächsten Polin. Ich habe sie dann etwa 150 Meter vor dem Ziel überholt und mich zu diesem Zeitpunkt noch richtig gut gefühlt. 100 Meter vor dem Ziel habe ich gesehen, dass wir bei 1:42 oder 1:43 Minuten durchgelaufen sind. Da dachte ich mir: ´Du wirst es ja wohl schaffen, in 17 Sekunden ins Ziel zu laufen, das ist ja nicht mal 1.500 Meter-Tempo. Das schaffe ich jetzt auf jeden Fall.´ Als ich dann bei 1:58 Minuten ins Ziel gekommen bin, war ich einfach nur überwältigt.

Auf Instagram haben Sie sich direkt nach dem Rennen bei der polnischen Tempomacherin Anieta Lemesz bedankt. Welchen Anteil hat sie an Ihrer Leistung?

Katharina Trost:

Ich habe mit ihr zusammen letztes Jahr in der Diamond League in Stockholm schon einmal Tempo gemacht, daher kannte ich sie. Sie ist richtig cool, auf sie kann man sich immer verlassen. Sie ist jetzt sogar etwas zu schnell angegangen, aber für mich war das perfekt, weil sich dadurch das Feld etwas entzerrt hat. Ich komme nicht gut klar mit Ellbogen-Rennen. Das finde ich, wie wohl die meisten, äußerst anstrengend. Deswegen hat sie das super gut gemacht. Oft steht und fällt ein Rennen mit der Tempomacherin. Und ich weiß, dass das ein schwerer Job ist. Ich habe das selbst schon ein paar Mal gemacht. Da kann auch einiges schiefgehen. Deswegen ist es richtig cool, wenn man jemanden hat, der das so perfekt durchziehen kann.

Mit der Olympia-Norm in der Tasche: Wie sieht Ihr weiterer Saisonfahrplan aus?

Katharina Trost:

Ich laufe kommende Woche Dienstag nochmal beim Meeting in Luzern. Ich habe mich schon vorher gefreut, dass ich da reinkam. Der Flug nach Tokio wäre, glaube ich, dann etwa Mitte Juli. Davor werde ich vielleicht auch noch einen Wettkampf absolvieren, um nicht komplett aus dem Wettkampf-Geschehen raus zu sein. Ansonsten werden wir uns auf das Training fokussieren und auch versuchen, uns vorab an die Gegebenheiten vor Ort in Tokio anzupassen. Beispielsweise mit Training in der Hitze, um sich an die heißen Temperaturen zu gewöhnen.

Vorbehaltlich Ihrer Nominierung für die Olympischen Spiele: Haben Sie sich schon eine erste grobe Zielsetzung für Tokio ausgemalt?

Katharina Trost:

Ich bin eher der Step-by-step-Mensch. Mein großes Ziel war es, die Norm zu laufen. Jetzt, wo ich das geschafft habe, ist das Ziel auf jeden Fall das Halbfinale. Und dort werden die Karten dann sowieso neu gemischt. Bei Meisterschaften – das habe ich bei der WM 2019 in Doha, aber auch schon bei Deutschen Meisterschaften gemerkt – hängt allerdings auch immer viel davon ab, mit wem man im Vorlauf ist, ob es ein schneller Vorlauf oder ein langsamer Vorlauf ist. Letztlich braucht man eben auch das nötige Glück. Ich werde jetzt in den verbleibenden Wochen auch noch versuchen, ein bisschen Taktik zu üben. Schnelle Rennen kann ich schon ganz gut, aber an der Taktik kann ich eben noch etwas feilen. Dann hoffe ich, gut vorbereitet nach Tokio zu reisen.

Sie sind Dritte bei der Hallen-DM geworden, bei der Hallen-EM in Torun lief es nicht ganz so gut, in Braunschweig wurden Sie Deutsche Vize-Meisterin, jetzt kam die Olympia-Norm. Wie ordnen Sie Ihr Jahr 2021 bisher aus sportlicher Sicht ein?

Katharina Trost:

Es hatte wirklich seine Up und Dows. Sowohl mit der Hallen-DM, aber noch vielmehr mit der Hallen-EM war ich überhaupt nicht zufrieden. Daran hatte ich einige Zeit lang zu knabbern. Ich war danach bei der Leistungsdiagnostik, dort hat sich herausgestellt, dass ich am Anfang der Saison richtig fit war, aber dann relativ schnell abgebaut habe. Wir waren dann zweimal im Trainingslager. Im ersten Trainingslager habe ich mich auch noch mit einigen Einheiten schwergetan, aber beim zweiten Trainingslager war es dann deutlich besser. Anschließend gab es ein paar Wochen, in denen ich mich richtig gut gefühlt habe, und das hat sich bis jetzt durchgezogen. Ich habe das Gefühl, dass ich immer noch etwas draufsetzen kann. Das ist – gerade weil Tokio erst in einem Monat ist – ein richtig cooles Gefühl (lacht).

Katharina Trost:

Sie arbeiten in Teilzeit als Lehrkraft an einer Grundschule im Landkreis Fürstenfeldbruck. Wie bekommen Sie Sport und Beruf unter einen Hut?

Ich habe da ziemlich viel Glück gehabt und einen Schulrat im Landkreis, der sehr viel Verständnis für den Sport hat. Genauso ist es mit der Schulleitung, die mich sehr unterstützt, jedes Rennen von mir schaut, mir die Daumen drückt und immer nachfragt, wie es lief. Das ist echt süß. Für Wettkämpfe bekomme ich auch sehr oft frei, das hilft mir sehr. Das alles ist nicht selbstverständlich. Ab September werde ich dann mein Referendariat beginnen.

Mit Christina Hering hat bereits eine weitere deutsche Läuferin die Olympia-Norm erreicht und auch Tanja Spill und Majtie Kolberg zeigen konstant gute Leistungen. Wie ordnen Sie derzeit das generelle Leistungsniveau der deutschen 800-Meter-Läuferinnen ein?

Katharina Trost:

Ich muss sagen, ich finde es richtig cool. Ich fand es auch schon letztes Jahr bei den Deutschen Meisterschaften stark, wir sind zu viert unter 2:03 Minuten gerannt. Auch Majtie, die jetzt die U23-EM-Norm gerannt ist, zeigt gute Leistungen. Tanja drücke ich die Daumen: Sie hat mir erzählt, dass sie am Dienstag nochmal in Schweden läuft. Ich hoffe, dass sie dort Punkte sammeln kann oder am besten sogar die Norm läuft. Konkurrenz belebt das Geschäft und wir alle können davon nur profitieren.

Mehr:  Katharina Trost stürmt mit Bestzeit über Chorzów nach Tokio

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