| Ausblick

Alexandra Burghardt trotz Medaillenmärchen längst nicht am Ziel

Medaillen bei DM, EM, WM und sogar den Olympischen Winterspielen – Sprinterin Alexandra Burghardt scheint seit 2021 auf einer Erfolgswelle zu reiten. Doch trotz der Erfolge verlief das Jahr alles andere als reibungslos. Mit leichtathetik.de blickt sie zurück und nach vorn.
Jane Sichting

Olympisches Silber bei ihrem Ausflug in den Bobsport, WM-Bronze mit der 4x100-Meter-Staffel, dazu der Finaleinzug über 200 Meter und Staffel-Gold bei der Heim-EM in München – auf dem Papier gleicht 2022 für Alexandra Burghardt einem Traumjahr. Da verwundert die eigene Bilanz der Sprinterin von der LG Gendorf Wacker Burghausen ein wenig, denn wenngleich für sie „sehr viel sehr gut“ lief, sei die Saison „ehrlich gesagt alles andere als reibungslos“ verlaufen.

Nachdem Alexandra Burghardt im Winter die Tartanbahn gegen den Eiskanal getauscht hatte, gemeinsam mit Mariama Jamanka bei den Winterspielen in Peking (China) zu Silber fuhr und „in der Form meines Lebens war“, folgten einige Rückschläge. Erst hatte sie „immer wieder kleinere Verletzungen, dann Corona, dann einen Faserriss und schließlich noch den doofen Norovirus.“ Dies habe sie ziemlich aus der Bahn geworfen, stellt sie rückblickend fest, und „dass ich dann kurzfristig bei den Deutschen Meisterschaften nicht antreten konnte, war besonders bitter“, sagt sie.

Doch obwohl sportlich nicht alles nach Plan lief, konnte Alexandra Burghardt sich „doch irgendwie wieder fangen“ und rechtzeitig zu den beiden Höhepunkten im Sommer fit auf der Bahn stehen. Zu verdanken habe sie dies nicht zuletzt auch ihrem großen Vertrauen in die eigene Leistung sowie ihrer mentalen Stärke.

Erster Sommerurlaub seit Jahren

„Ich wusste, wie gut meine Form am Anfang der Saison war, und normalerweise verschwindet die nicht einfach. Mein Trainer Patrick Saile hat immer gesagt: ‚Es ist schon da, du musst es nur wieder aufwecken‘. Der Stress war dann da und ich habe Druck verspürt, meine Leistungen zu zeigen. Aber ich habe auch gemerkt, es wird jede Woche besser – auch wenn ich immer ein paar Wochen hintendran war und das nicht nur körperlich, sondern auch mental an den Kräften gezerrt hat“, sagt Alexandra Burghardt.

Dass es dann bei der Heim-EM in München sogar im Einzel über die halbe Stadionrunde für das Finale reichte, sei „ein versöhnliches Ende“ gewesen. „Dafür, wie wenig wir die 200 Meter durch alles vorbereiten konnten, hat es ganz gut geklappt“, schmunzelt sie, gibt aber zugleich zu, dass sie vor dem 4x100-Meter-Finale am Limit gewesen sei. Dennoch habe sie sich den Start zugetraut und auf ihre Routine sowie das Training vertraut – auch wenn es für den Körper Extremsituationen gewesen seien und sie am nächsten Tag für vier Wochen erst einmal völlig k.o. gewesen sei. „Aber auch das gehört im Sport dazu“, sagt sie.

Über das Jahr verteilt mit einem ganzen Medaillensatz auf der internationalen Bühne dekoriert, ging es für Alexandra Burghardt dann im Spätsommer erstmals nach langer Zeit in einen ausgedehnten Urlaub. „Selbst vor der Saison 2020 hatte ich keinen klassischen Sommerurlaub, weil ich in einem Reha-Prozess war“, sagt sie. Knapp drei Wochen reiste sie gemeinsam mit ihrem Ehemann und dem Hund durch Südeuropa – das Paar hatte in diesem Sommer Hochzeit gefeiert und Burghardt verrät: „Privat bin ich momentan sehr glücklich und zufrieden“.

„Wenn es drauf ankommt, bin ich da“

Die Flitterwochen seien für die 28-Jährige „extrem wichtig“ gewesen. Zum einen, weil sich in den vergangenen Jahren zeitlich alles um sie als Sportlerin gedreht habe und die gemeinsame Auszeit im Camper und „ab vom Schuss“ beiden und der Beziehung sehr gut getan habe. Und zum anderen, weil sie zum ersten Mal Gelegenheit hatte, zu entspannen und die sportlichen Ereignisse der letzten Monate Revue passieren zu lassen.

„Ein bisschen komisch ist es aber immer noch, was alles passiert ist. Besonders dieses Jahr – WM-Bronze und EM-Gold sind irgendwie ein bisschen an mir vorbeigezogen. Das ist einfach passiert“, sagt sie. Die beiden Gold-Medaillen bei den Deutschen Meisterschaften 2021 dazu genommen, hat Alexandra Burghardt im entscheidenden Moment trotz kleinerer Rückschläge letztlich immer abgeliefert. Und sagt von sich selbst: „Wenn es drauf ankommt, bin ich da“.

Dass sie bei großen Meisterschaften noch immer sehr aufgeregt ist vor dem Start, sei „Teil des Plans“ und wichtig für die Spannung und das Adrenalin. „Wenn ich Aufregung verspüre, weiß ich, dass alles passt und bilde mir ein, dass ich dann besser bin und zusätzlich über die ein oder andere Grenze gehen kann.“ An ihren Grenzen angekommen sei sie hingegen längst noch nicht.

Erklärtes Ziel: Endlich die 23 Sekunden knacken

Auf ihre Ziele angesprochen, sei da auf der einen Seite der Traum von einer Einzelmedaille bei einer internationalen Meisterschaft. Und auf der anderen Seite „hätte ich körperlich und fitnessmäßig gern noch einmal so eine Saison wie 2021, denn dann ist noch richtig viel möglich und ich kann mit Sicherheit auch unter 11 Sekunden über 100 Meter laufen. Da bin ich mir ganz sicher“, sagt sie.

Auch über 200 Meter sieht sie – besonders im Verhältnis zu ihren 100-Meter-Zeiten – noch deutlich Potenzial und sagt: „Die 23,00 Sekunden sind ehrlich gesagt endlich einmal Pflicht, dass die fallen. Hätte es in München Rückenwind gegeben und wäre es ein paar Grad wärmer gewesen, wäre das mindestens in einem Lauf passiert.“ Wenn alles normal läuft, ist Alexandra Burghardt zuversichtlich, dass es im nächsten Jahr mit der 22 vor dem Komma funktioniert.

Auf dem Weg dahin will sie verstärkt an ihrem fliegenden Bereich arbeiten. Denn während vor allem der Start und die Beschleunigung, wie auch Bundestrainer Roland Stein bestätigt, zu ihren Stärken gehören, ist noch viel Training nötig, um vor allem über 200 Meter auch ihre Körpergröße besser für sich nutzen zu können und bis ins Ziel hinein das Tempo hochzuhalten. Hier gilt es, viel zu laufen – und das kann sie nur, wenn sie gesund ist und nichts wehtut.

Die Liebe für das Leiden im Herbst

Aktuell gewöhnt die Oberbayerin ihren Körper mit Crossfit und lockeren Läufen oder Wandertouren wieder an die Bewegung. In der kommenden Woche beginnt dann das Aufbautraining für den Winter mit ihrer Trainingsgruppe in Zürich. „Ich freue mich schon auf das gemeinsame Training in der Gruppe und auch auf die harten Einheiten. Ich mag das ganz gern – das Leiden im Herbst, auch mal im Schlamm und bei Nässe zu laufen“, sagt sie. Eine Einstellung, die für sonnenverwöhnte Sprinter eher untypisch ist – vielleicht aber auch ein Stück weit der im Bobsport gewonnen Robustheit zu verdanken ist.  

Ihre volle Aufmerksamkeit widmet Alexandra Burghardt künftig dennoch wieder ganz der Leichtathletik. Bereits für die Hallensaison hat sie konkrete Ziele und sagt: „Ich würde sehr gern in Istanbul bei der Hallen-EM starten. Denn bei Hallen-Europameisterschaften habe ich bisher immer gute Erfahrung gemacht. Einmal war ich schon Fünfte – den 5. Platz würde ich gern wieder angreifen. Die 60 Meter sind auch meine Stärke“. Zudem wolle sie auch endlich ihre Hallen-Bestleistung toppen. „Die steht immer noch bei 7,19 Sekunden – und ich glaube, da geht mehr.“ 

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024