| Interview

Barbara Gähling: „Niemals den Kopf in den Sand stecken“

Mehrkampf- und 300 Meter Hürden-Weltrekordlerin Barbara Gähling (W55; LT DSHS Köln) galt schon im Vorfeld als Mitfavoritin auf den Titel als „Leichtathletin des Jahres" im Bereich Masters. 2021 hatte die Kölnerin den Titel gewinnen können. Für 2022 galt die Rheinländerin durch ihre sportlichen Erfolge mit zwei Weltrekorden und zwei Weltmeistertiteln ebenfalls als Anwärterin auf das Siegertreppchen. Beim Sieg von Melitta Czerwenka-Nagel schaffte es Barbara Gähling dieses Mal in die Top Drei. leichtathletik.de sprach mit der ambitionierten Masters-Athletin über ihre Gefühle und Erwartungen für die kommende Saison.
Jörg Valentin

Barbara Gähling, Sie sind das Siegen gewöhnt. Bei der Wahl zum „Masters-Leichtathletin des Jahres“ sind Sie denkbar knapp unterlegen. Weil Melitta Czerwenka-Nagel das Rennen gemacht hat, konnten Sie Ihren Titel aus dem Jahre 2021 nicht verteidigen. Hat Sie das Votum der Leichtathletik überrascht?

Barbara Gähling:
Nein, ich freue mich sehr für Melitta-Czerwenka-Nagel. Sie hat es sich so etwas von verdient. Die Leichtathletik-Gemeinschaft hat mit dem Votum Fingerspitzengefühl bewiesen und die Richtige ausgewählt. Auch von meiner Seite Glückwunsch ins Saarland.

Wie sieht es bei Ihnen aus? Was macht die Form? Wo plant Barbara Gähling, 2023 Ihre Akzente zu setzen?

Barbara Gähling:
Wenn in den kommenden Wochen bis zur Hallen-WM alles planmäßig verläuft, werde ich mich mit dem Zug in Richtung Torun nach Polen auf den Weg machen. Dort habe ich vor, im Fünfkampf, im Hochsprung, beim Kugelstoßen und möglicherweise über 400 Meter zu starten. Ob und was ich dort erreichen kann, wird sich zeigen, denn ich bin gefühlt eine Ewigkeit nicht mehr in der Halle gestartet. Grundsätzlich bin ich ein optimistischer Mensch und werde natürlich mein Bestes versuchen. Bei den 400 Metern mache ich aber noch dickes Fragezeichen hinter meinem Start. Sollte die Form nicht passen, verzichte ich auf die Strecke. Zudem versuche ich, im Sommer noch meinen eigenen aktuellen Weltrekord über die 300 Meter Hürden von 46,74 Sekunden zu attackieren. Da sehe ich noch Potenziale.

Nach der WM im vergangenen Jahr im finnischen Tampere mit Ihrem phantastischen Weltrekord im Siebenkampf der W55, mit Ihrem imponierenden Schlussspurt beim finalen 800-Meter-Lauf und zuvor mit Ihrem Weltrekordlauf über die 300 Meter Hürden hatten Sie im weiteren Jahresverlauf das Pech an den Händen und auch an den Füßen kleben. Was ist da passiert?

Barbara Gähling:
Stimmt. Zuerst habe ich mir die Hand gebrochen als ich beim Hürdentraining hängen geblieben und anschließend auf meine Stützhand gefallen bin. Zudem habe ich mich verhoben und anschließend einen Muskelfaserriss in der Wade zugezogen. Manchmal kommt eben vieles zusammen. Aber ich bin ein Steh-Auf-Fräuchen. So schnell lasse ich mich nicht unterkriegen. Mein Motto heißt: Niemals den Kopf in den Sand stecken. Beim Kugelstoßen habe ich zwar noch Probleme, aber ansonsten geht alles wieder seinen Gang. Ich bin eine Kämpferin.

Nichtsdestotrotz, was macht eine Barbara Gähling eigentlich, wenn sie nicht um die Rundbahn kreist, Athletiktraining betreibt oder Gewichte stemmt?

Barbara Gähling:
Man glaubt es kaum, aber ich verreise gern, bin vielseitig interessiert und schätze zudem die Geselligkeit im Freundeskreis. Das Drumherum ist für mich genauso wichtig wie der Sport. Ich glaube, alleinig auf die Karte Sport zu setzen, macht nicht nur glücklich. Was ist das schönste Hobby, wenn es kein Leben danach gibt?

Sie arbeiten beruflich als Lehrerin an einer Hauptschule. Das stelle ich mir nicht immer einfach vor. Dazu braucht man Gelassenheit, Einfühlungsvermögen und sicher auch viel innere Kraft und Stärke, die Sie auch für die Leichtathletik gut gebrauchen können?

Barbara Gähling:

Da sagen Sie etwas. Der Beruf fordert einen ganz schön. Zuletzt waren immer wieder viele Kolleginnen und Kollegen erkrankt, dann muss man kurzfristig vertreten und einspringen. Aber man kann aus der Erfahrung im Sport zehren und vieles davon lässt einen die Belastung besser verarbeiten.

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