| Interview

Norbert Demmel: "Kein Rekord ist für die Ewigkeit"

Norbert Demmel (TSV Unterhaching) hat Ende Mai im österreichischen Linz wenige Tage nach seinem 60. Geburtstag einen Weltrekord im Wurf-Fünfkampf der M60 aufgestellt. Die neue Marke steht nun bei 4.726 Punkten (neue Wertung). Ein Gespräch mit dem früheren 8.100-Punkte-Zehnkämpfer über die Faszination (Wurf-)Mehrkampf, den Umgang mit Verletzungen und den ungebrochenen Spaß am Wettkampfgeschehen.
Bettina Schardt

Norbert Demmel, herzlichen Glückwunsch zum Weltrekord im Wurf-Fünfkampf der M60! Sie halten bereits die Weltrekorde in der M50 und M55. War das jetzt ein Rekord mit Ansage?

Norbert Demmel: 
In gewissem Maße ja. Es war von Anfang an dieses Jahr mein Ziel, den Weltrekord zu verbessern. Ich war in den letzten zwei Jahren leider im Speerwerfen durch angerissene Sehnen und Arthrose in der Wurfschulter eingeschränkt, aber jetzt geht es wieder. Ich habe letztes Jahr langsam wieder angefangen und kann mittlerweile wieder gut trainieren.

Knapp drei Wochen nach dem Weltrekord haben Sie in Neuhofen/Krems mit 4.723 Punkten – nur drei Punkte unter dem Weltrekord – gleich den nächsten Top-Wurf-Fünfkampf nachgelegt. Eine weitere Verbesserung des Rekordes ist nur eine Frage der Zeit. Für wann haben Sie sich das vorgenommen?

Norbert Demmel: 
Meinen nächsten Wurf-Fünfkampf bestreite ich Anfang Juli in Moosach. Der Saisonhöhepunkt wird bei den Masters-Europameisterschaften Ende September in Pescara/Italien sein. Dort peile ich den Titel und eine weitere Steigerung des Rekordes an. 

Verletzungen gehören seit jeher zu Ihrer Leichtathletik-Laufbahn. Zuletzt wie bereits erwähnt große Probleme mit der Schulter. Was motiviert Sie, sich immer wieder in den Wettkampfsport zurückzukämpfen?

Norbert Demmel: 
Ich mache seit meiner Jugend Leichtathletik. Ich mache das einfach sehr gerne und ich liebe es, wenn ich Ziele habe. Ohne Ziele ist Sport für mich schwierig. Deshalb bin ich immer motiviert wieder fit zu werden und Wettkämpfe bestreiten zu können. 

Kommen Ihnen die in der M60 nun nochmal leichteren Geräte entgegen oder ist es schwierig? 

Norbert Demmel: 
Das ist für mich generell okay. Ich habe mit leichten Geräten kein Problem. In den ersten sechs Wochen hatte ich kleine Anpassungsschwierigkeiten. Man muss es erstmal trainieren und die Technik etwas anders gestalten. Aber dann läuft es. Auch den Ein-Kilo-Diskus kann ich gut werfen.

Wie häufig trainieren Sie?

Norbert Demmel: 
Ich komme auf fünf Mal Training pro Woche. Zwei- bis dreimal Krafttraining und zwei- bis dreimal Wurftraining auf dem Sportplatz. Als Leiter eines Fitnessstudios habe ich die Luxussituation, dass ich Beruf und Training insofern verbinden kann, als dass ich das Training auch mal in der Mittagspause absolvieren kann. 

Was hat Sie vor zehn Jahren dazu gebracht, wieder in die Leichtathletik – nun in die Masters-Leichtathletik – einzusteigen? 

Norbert Demmel: 
Ich hatte drei, vier Jahre Pause gemacht. Mein Wiedereinstieg mit 50 Jahren war ein lustiger Zufall. Ich war mit jemandem im Urlaub, der die 100 Meter laufen wollte. Also bin ich mit ihm im Herbst auf den Sportplatz gegangen und habe dort Leute getroffen, die ich von früher kannte. Ich bekam selbst wieder Lust auf Leichtathletik, habe zwei Wochen trainiert und in Bogen meinen ersten Wurf-Fünfkampf gemacht. Das waren gleich 4.101 Punkte (alte Wertung). So habe ich schnell den Faden wiedergefunden. 

Wie war das in der Szene, als plötzlich jemand „aus dem Nichts“ kam und eine internationale Top-Leistung gebracht hat?

Norbert Demmel: 
Natürlich waren alle erstmal verwundert. Als Wurf-Fünfkämpfer konnte mich noch keiner kennen. Und mein starker Einstieg mit 4.100 Punkten hat schon Eindruck gemacht und für etwas Rumoren in der Szene gesorgt. Ich habe dann angefangen zu trainieren, mich weiter gesteigert und schließlich mit 53 meinen ersten Weltrekord geholt. Langsam war allen klar, dass ich schon immer ein guter Werfer war.

Sie waren früher Zehnkämpfer mit einer Bestleistung von 8.152 Punkten. Ihre Stärken lagen schon damals in den Würfen. Besonders mit Kugel (17,19 m) und Diskus (55,14 m) gehörten Sie international zu den besten Zehnkämpfern. Wann haben Sie Hammer- und Gewichtwerfen gelernt, die für den Wurf-Fünfkampf wichtig sind? 

Norbert Demmel: 
Ich habe erst mit Anfang 50 angefangen, Hammer- und Gewichtwerfen zu trainieren. Besonders Hammerwerfen ist immer meine Schwäche, aber ich habe es gut in den Griff bekommen. Mit dem Gewicht und dessen geringeren Radius tue ich mich leichter. 

Was macht die Masters-Leichtathletik für Sie aus?

Norbert Demmel: 
Sie ist nicht zu vergleichen mit der Zeit als Leistungssportler, wenn man jung ist. Sie ist anders. Auf jeden Fall eine sehr schöne Sache. Man findet weltweit Kontakt, trifft immer wieder die gleichen, aber auch neue Leute. Ich habe viele Sportler getroffen, die ich von früher kenne und seit Jahren nicht gesehen habe. Ich freue mich immer, wenn ich zu einem Wettkampf fahre. 

Wie verfolgen Sie als ehemaliger Zehnkämpfer die Mehrkampf-Szene und die deutschen Top-Zehnkämpfer Niklas Kaul und Leo Neugebauer?

Norbert Demmel: 
Ich verfolge sie wie alle Leichtathletik-Interessierten, schaue mir die Ergebnisse an und bin ganz fasziniert, wie starke Zehnkämpfer wir in Deutschland gerade haben. 

Leo Neugebauer hat sich Anfang Juni den deutschen Rekord im Zehnkampf (vorbehaltlich Ratifizierung) geholt. Auf dem Weg dahin hat er den Diskus auf 55,06 Meter geworfen und Ihnen damit eine inoffizielle Bestmarke entrissen: Sie hielten mit 54,78 Metern (1995 in Ratingen | 8.011 pt) die beste Diskusleistung eines Europäers in einem 8.000-Punkte-Zehnkampf. 

Norbert Demmel: 
Der Rekord hat lange gehalten – 28 Jahre. Schade, dass Leo Neugebauer ihn mir nun abgenommen hat. Kein Rekord ist für die Ewigkeit. Aber ich freue mich immer, dass ich in Götzis noch mit dem Meetingrekord von 55,14 Metern auf der Anzeigentafel erscheine, wenn es zum Diskuswerfen geht. 

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024