| Interview der Woche

Amanal Petros: „Ich möchte Schritt für Schritt vorankommen“

Die Cross-EM kann kommen. Jedenfalls hat sich Amanal Petros (SV Brackwede) am Sonntag bei der international top besetzten Querfeldein-Gala im niederländischen Tilburg als Gesamt-Siebter und Zweiter der U23 mehr als achtbar aus der Affäre gezogen. Nach Vorjahres-Bronze möchte der gebürtige Äthiopier am übernächsten Sonntag (11. Dezember) bei den Cross-Europameisterschaften in Chia auf Sardinien (Italien) in der U23 wieder Edelmetall holen. Im Interview spricht Amanal Petros über weitere Ziele, seinen längst noch nicht abgeschlossenen Lernprozess und Kraft, die er aus seinem christlichen Glauben schöpft.
Harald Koken

Amanal Petros, war absehbar, dass Sie in Tilburg so weit vorne mitlaufen?

Amanal Petros:

Ab und zu war es ein bisschen gefährlich, weil Wurzeln aus dem Boden herausragten. Da musste man richtig aufpassen. Aber es hat ziemlich gut geklappt. Ich lag die ganze Zeit so zwischen dem achten und dem zehnten Platz. Das hat mir bis zur zweiten und dritten Runde auch gereicht. Dann bin ich auf den vierten und schließlich sogar auf den dritten Platz vorgerückt. Auf den letzten 1.000 Metern habe ich noch einmal aufs Tempo gedrückt, um ganz nach vorne zu kommen. Leider gab es 200 Meter vor Schluss ein Problem. Ich bin gestürzt, zwar nicht so heftig, aber es hat mich aus dem Tritt gebracht.

Was genau ist geschehen?

Amanal Petros:

Das war in einer engen Kurve. Der hinter mir Laufende hatte wohl zum Überholen angesetzt, ist aber mit seinen Spikes irgendwie an mich herangekommen. Statt kontern zu können, bin ich eingeknickt. Ich war ziemlich müde, sodass ich keine Chance hatte, die anderen wieder einzuholen.

Sie sind von Anfang an mutig mitgelaufen und haben das hohe Tempo mitgehalten. Man darf also insgesamt von einem tollen Rennen sprechen, oder?

Amanal Petros:

Das stimmt. Ich habe mich gut gefühlt und bin auch sehr zufrieden. Man muss aus seinen Fehlern lernen und deshalb werde ich mal schauen, was bei der Cross-Europameisterschaft in Italien geht.

Florian Orth (LG Telis Finanz Regensburg) und Richard Ringer (VfB LC Friedrichshafen) haben Sie 20 bzw. 26 Sekunden abgenommen. Macht Sie das stolz?

Amanal Petros:

Beide sind sehr starke Athleten und nicht nur in Deutschland bekannt. Vor ihnen und ihren Erfolgen habe ich großen Respekt. Ich war stolz, neben ihnen in der ersten Startreihe stehen zu dürfen. Aber im Wettkampf habe ich nicht an sie gedacht. Es war nicht mein Plan, mit ihnen mitzulaufen oder sie sogar zu schlagen. Ich habe versucht, meinen eigenen Schritt zu finden und diesen solange wie möglich durchzuhalten.

Macht es für Sie einen Unterschied, ob Sie Crossläufe in Deutschland oder auf internationalem Parkett wie in Tilburg bestreiten?

Amanal Petros:

Ja, die Strecken sind unterschiedlich. In Pforzheim gab es einige Hügel. Die Strecke war komplett aus Gras. In Darmstadt war der Wettkampf schon etwas schwieriger und die Besetzung internationaler. Die Strecke in Tilburg war aber wesentlich komplizierter. Ein für mich wichtiger Unterschied ist aber auch, dass in Tilburg sehr, sehr starke Athleten aus ganz Europa am Start waren. Ich glaube, dass man bei Wettkämpfen wie in Tilburg deutlich mehr Erfahrungen sammeln kann.

Allem Anschein nach reisen Sie gut vorbereitet zur Cross-EM. Wie hoch sind die Erwartungen nach Ihrem dritten Platz im Vorjahr?

Amanal Petros:

(lacht) Das ist eine gute Frage. Zunächst einmal ist es wichtig, dass ich überhaupt dabei bin und meine in Tilburg gemachten Erfahrungen in die Rennplanung einfließen lasse.

Der Schwede Napoleon Solomon, der in Tilburg vor Ihnen die U23-Wertung gewonnen hat, steht in Chia ja wieder mit am Start. Ist das eine besondere Herausforderung?

Amanal Petros:

Ja, auf jeden Fall. Er hat in Tilburg Glück gehabt, dass ich kurz vor dem Ziel gestrauchelt bin. Mal schauen, wie es am übernächsten Wochenende ausgeht. Vielleicht ist dann das Glück auf meiner Seite.

Hilft Ihnen Ihr Glaube bei dieser Denkweise weiter?

Amanal Petros:

Ja, ich bin gläubiger Christ. Vor jedem Wettkampf bekreuzige ich mich, manchmal auch noch während des Rennens. Dieses Gottvertrauen macht mich auch hoffnungsvoll, dass ich noch viel erreichen kann. Es gibt mir Zuversicht.

Das Ziel für den nächsten Sommer ist klar: die U23-Europameisterschaften in Bydgoszcz (Polen). Welche Strecke werden Sie laufen?

Amanal Petros:

Entweder 5.000 oder 10.000 Meter, die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Vielleicht laufe ich aber auch beide Strecken. Mein großes Ziel ist Olympia 2020 in Tokio. Aber ich möchte erst einmal Schritt für Schritt vorankommen.

Sie wollten ursprünglich schon in diesem Jahr bei der EM in Amsterdam Halbmarathon laufen. Aber Ihr Trainer Thomas Heidbreder hat gesagt: Stopp, erst einmal sind die kürzeren Distanzen an der Reihe. Wie beurteilen Sie diese Entscheidung rückblickend?

Amanal Petros:

Ich wäre gerne beim EM-Halbmarathon gelaufen. Aber es war besser, die Pläne zu ändern. Es ist gut, dass ich einen Trainer habe, der wichtige Entscheidungen trifft. Ich muss unter Kontrolle stehen und folge bereitwillig allem, was er sagt. Sonst wäre ich auch nicht so weit gekommen, wie ich jetzt schon bin. Es hat sich gelohnt, dass ich auf ihn gehört habe. Ich muss aber erwähnen, dass ich 5.000 Meter in 13:40 Minuten gelaufen bin und somit nur knapp an der Quali für die Europameisterschaft vorbei. Zuerst war ich enttäuscht, weil ich gut trainiert hatte. Ich war vorher im Trainingslager in Monte Gordo mit Richard Ringer und anderen Spitzenathleten. Das hat super geklappt. Aber dann fehlten doch vier Sekunden. Naja.

Sie sind vor fünf Jahren aus Äthiopien geflohen, haben in Deutschland Asyl beantragt und – das beweist auch dieses Interview – inzwischen sehr gut Deutsch gelernt. Wie sieht Ihre berufliche Entwicklung aus?

Amanal Petros:

Ich habe den Hauptschulabschluss geschafft und werde im Sommer den Realschlussabschluss erwerben. Daran arbeitete ich zur Zeit. Ich werde mich um eine Aufnahme in die Sportfördergruppe der Bundeswehr bewerben. Es würde mir die Gelegenheit bieten, mich aufs Laufen zu konzentrieren. Es ist der zweite Versuch. In diesem Jahr hat es leider noch nicht geklappt.

Mehr:

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