| Interview der Woche

André Pollmächer: „Ich arbeite Tag für Tag auf Rio hin“

André Pollmächer (Rhein-Marathon Düsseldorf) ist nach Muskelproblemen, die ihm zum Startverzicht beim Berlin-Marathon Ende September zwangen, wieder fit. Im Interview spricht der 32-Jährige über seinen Trainings-Marathon in New York (USA), sein Vorhaben, wie er sich in seinem letzten Jahr als Laufprofi den olympischen Traum erfüllen will und die Diskussion um die Olympia-Normen im Marathon.
Martin Neumann

André Pollmächer, haben Sie Ihre 2:26 Stunden lange Sightseeing-Tour durch New York gut überstanden?

André Pollmächer:
Ja, sehr gut sogar. Das Training lief nach meiner Rückkehr ganz normal weiter. Es war für mich eine Art Belastungstest für den Körper.

Für Hobbyläufer ist der Start in New York ein Lebenstraum. Wie haben Sie den Marathon am 1. November erlebt?

André Pollmächer:
Es ist ein toller Lauf. Eigentlich wollte ich ja erst nach meinem Karriereende in New York starten. So konnte ich das jetzt schon als „Freizeitläufer“ erleben. Es war schön, auch einmal diese Perspektive kennenzulernen. Inklusive: Abholen der Startnummer, Weg zum Startpunkt und Warten im Startblock. 90 Minuten habe ich dort gestanden. Als Profi sieht die Rennvorbereitung natürlich ganz anders aus.

Wie kam es überhaupt zum Start in New York?

André Pollmächer:
Der Metro Group Marathon Düsseldorf, für dessen Ausrichterverein ich ja starte, war auf der Marathonmesse vertreten. Da noch ein Hotelzimmer frei war, hat Marathon-Chef Jan Winschermann mich gefragt, ob ich nicht mitkommen wolle. Schließlich konnte ich auf der anspruchsvollen Strecke in New York auch einen Belastungstest nach meinen muskulären Problemen im Herbst absolvieren.

Waren die muskulären Probleme der Grund für Ihren Startverzicht beim Berlin-Marathon Ende September?

André Pollmächer:
Genau. Ich hatte häufiger Probleme, besonders in der Wade. Erst nach längerer Zeit hat sich herausgestellt, dass die Wadenkrämpfe das Resultat eines Hüftproblems sind. Das habe ich mit viel Physiotherapie und speziellen Einlagen in den Griff bekommen. Darum war der Lauf in New York auch so wichtig. Er hat gezeigt, dass mein Körper die lange und intensive Belastung verträgt.

Durch Ihren Berlin-Verzicht ist Ihnen allerdings eine von zwei Chancen verloren gegangen, um die Olympia-Norm von 2:12:15 Stunden zu laufen. Es bleibt der Düsseldorf-Marathon am 24. April 2016 …

André Pollmächer:
… das ist nicht ganz richtig. Ich plane noch einen Marathon-Start im Januar oder Februar. Zunächst hatte ich noch mit Fukuoka Anfang Dezember geliebäugelt. Aber der Marathon kommt noch zu früh. Sollte es Anfang des Jahres immer noch nicht hundertprozentig passen, kann ich aus dem Rennen gehen und dann alles auf Düsseldorf setzen.

Welche Start-Optionen haben Sie ins Auge gefasst?

André Pollmächer:
Am wahrscheinlichsten ist der Start bei einem Marathon in Spanien oder Marokko, da dort die Zeitumstellung keine Rolle spielt. Ich werde das spontan entscheiden. Denn zuerst muss die Form da sein, dass ich Richtung Olympia-Norm anlaufen kann.

Wie sehen Sie Ihre Chance, kommenden August in Rio de Janeiro (Brasilien) dabei zu sein?

André Pollmächer:
Die ist da und sie ist nicht allzu klein. Sonst würde ich nicht Tag für Tag darauf hinarbeiten, sondern würde schon voll ins Trainergeschäft einsteigen.

Seit den Marathons in Berlin und Frankfurt wird heftig über die deutsche Marathon-Norm für Rio gestritten. So hat Philipp Pflieger mit 2:12:50 Stunden die Vorgabe nur um 35 Sekunden verpasst. Sollte man ihn trotzdem für Rio vorschlagen – sofern nicht drei andere Läufer schneller sind – und sich an der internationalen Norm von 2:17:00 Stunden orientieren?

André Pollmächer:
Die ganze Norm-Diskussion ist kein einfaches Thema. Klar wäre es toll, wenn drei deutsche Marathon-Läuferinnen und -Läufer mit internationaler Norm in Rio dabei wären. Das würde den ganzen Laufbereich in Deutschland nach vorn bringen. Auch für die Athleten selbst wäre es wichtig, beispielsweise in Sachen Sponsoring. Auf der anderen Seite: Wenn der DLV sich an der Norm von 2:17 Stunden orientieren würde, könnte immer noch der Deutsche Olympische Sport-Bund sagen: Stopp, nicht mit uns. Wir legen die Norm bei 2:10 oder 2:11 Stunden fest, weil es uns gegenüber anderen Sportarten als fair erscheint. Somit sind für mich die 2:12:15 Stunden noch eine „humane“ Zeit. Beispielsweise muss man in den Niederlanden unter 2:11 Stunden laufen, um in Rio dabei zu sein.

Welches Qualifikationsmodell für Olympische Spiele würden Sie vorschlagen?

André Pollmächer:
Ich bin ein Fan vom Trial-Modell der USA. Was spricht dagegen, die Deutschen Marathon-Meisterschaften noch weiter aufzuwerten? Der erste Schritt – auch mit dem ausgeschriebenen Preisgeld – wurde in Frankfurt zuletzt ja schon gemacht. Wenn man das ausbaut und zudem die ersten drei Männer wie Frauen mit internationaler Norm zudem für Olympia qualifiziert sind, würde das ein richtiges Lauf-Spektakel ergeben. Kein deutscher Spitzenläufer würde das verpassen.

Apropos Frankfurt: Dort hat Arne Gabius (LT Haspa Marathon Hamburg) den deutschen Marathon-Rekord auf 2:08:33 Stunden verbessert. Haben Sie den Lauf verfolgt?

André Pollmächer:
Natürlich, vom Anfang bis zum Ende. Schließlich bin ich ja leichtathletikverrückt (lacht). Es war eine fantastische Leistung.

Ist diese neue Bestmarke für Sie eine Motivation, weil Sie sehen, was möglich ist. Schließlich ist Ihre 10.000-Meter-Bestzeit nur rund zwölf Sekunden langsamer als die von Arne Gabius. Oder ist die Zeit eher eine Belastung?

André Pollmächer:
Auch im Halbmarathon trennt uns nicht so viel, keine 40 Sekunden sind das. Darum glaube ich daran, eine Zeit von 2:10 bis 2:11 Stunden durchaus laufen zu können. Arnes Leistung ist aber weder Motivation noch Belastung. Er hat uns mit seiner Leistung gezeigt, was möglich ist. Er hat uns den Spiegel vorgehalten. Es hat mir imponiert, wie er sich durch seine Schwächephasen gekämpft hat, wie hart er zu sich selbst war. Er muss über Kilometer Schmerzen gehabt haben, darum hat er sich ja auch immer wieder in die Seite gefasst. Aber er hat sein Tempo weiter durchgezogen. Das war knallhart.

Wenn es mit der Qualifikation klappen sollte: Ist der olympische Marathon das letzte Rennen des Lauf-Profis André Pollmächer?

André Pollmächer:
Das letzte internationale auf jeden Fall. Vielleicht werde ich dann noch einen Silvesterlauf anschließen und beim Düsseldorf-Marathon 2017 in aller Ruhe „auslaufen“. Aber das war es dann. Ein Start bei der EM 2018 in Berlin kommt für mich nicht mehr infrage.

Sie arbeiten schon länger als Trainer. Früher in Chemnitz, jetzt in Düsseldorf: Haben Sie die Weichen für einen fließenden Übergang vom Leistungssportler zum Trainer schon gestellt?

André Pollmächer:
Ich habe hier in Düsseldorf um den Metro Group Marathon eine Gruppe von „Förderern und Forderern“. Sie unterstützen mich Richtung Rio, wollen aber natürlich auch, dass ich an meiner Trainerlaufbahn weiter arbeite. Ich betreue in Düsseldorf eine Gruppe junger Läufer zwischen 14 und 22 Jahren. Darüber hinaus habe ich mit dem Studium an der Trainerakademie in Köln begonnen und arbeite beim Stadt- und Landessportbund an verschiedenen Projekten. Wenn man das betrachtet, sind die Weichen gestellt. Mein Traum ist es, in Düsseldorf eine Läufer-Hochburg wie in Regensburg zu schaffen.

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