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Der große Disziplin-Check 2016 – Hindernislauf Männer

Das Leichtathletik-Jahr 2016 mit dem Höhepunkt der Olympischen Spiele in Rio ist fast Geschichte. Athleten, Trainer und Fans haben Monate mit großen Erfolgen, aber auch Enttäuschungen hinter sich. Neben dem bunten Sportereignis in Brasilien fanden auch die Europameisterschaften in Amsterdam, die U20-WM in Bydgoszcz sowie die U18-EM in Tiflis mit starker DLV-Beteiligung statt. In unseren rückblickenden Disziplin-Analysen nehmen wir das Abschneiden der verschiedenen Disziplingruppen unter die Lupe. Heute: die 3.000 Meter Hindernis der Männer.
Alexandra Dersch

Der Moment des Jahres 2016

Der Moment des Jahres – auf den haben Hindernisläufer, Trainer und Fans in dieser Saison vergeblich gewartet. Olympia hieß der große Traum, die EM galt als Minimalziel – allen voran für den Universiade-Sieger des Jahres 2015 Martin Grau (LSC Höchstadt/Aisch). Doch der 24-Jährige konnte nicht annähernd sein Leistungspotenzial abrufen, lief mit 8:45,65 Minuten meilenweit an der schon abgesenkten Olympia-Norm von 8:30 Minuten vorbei. Die Gründe: "Schuld daran sind rückblickend ein paar Prozent zu viel von Allem, Training, Termine und marginale körperliche Probleme gepaart mit zu wenig Regeneration und bewusst gewählten Pausen", schreibt er auf seiner <link https: www.facebook.com martingrau.steeplechasing _blank>Facebook-Seite.

Dass kein anderen Athlet in der Lage war, diese Lücke zu schließen, lässt unterm Strich nur ein ernüchterndes Fazit zu. Die EM und die Olympischen Spielen fanden gänzlich ohne DLV-Beteilung in dieser Disziplin bei den Männern statt. Bei den Deutschen Meisterschaften verwirklichte sich Hannes Liebach (SCC Berlin) seinen Traum von der Goldmedaille. Das langfristige Ziel des Autodidakten: Die EM in der Heimatstadt Berlin 2018.

Für Hoffung sorgt der Nachwuchs. Patrick Karl (TV Ochsenfurt), der U20-EM-Zweite des Vorjahres, hat den Übergang in die Aktivenklasse und die damit verbundene permanente Umstellung von den 2.000 auf die 3.000 Meter lange Strecke schier mühelos geschafft und thront gar als Jahresschnellster an Position eins der DLV-Bestenliste. Er hat die in diesem Jahr in ihn gesteckten Erwartungen damit mehr als erfüllt. Bei der U20-WM verpassten die beiden DLV-Starter Lennart Mesecke (LG Nord Berlin) und Jannik Seelhöfer (SC Melle) um jeweils eine Position in ihren Vorläufe den Einzug ins Finale.

Die Top Drei

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail patrick-karl _blank>Patrick Karl

TV Ochsenfurt, 20 Jahre
SB: 8:35,93 min | PB: 8:35,93 min (2016)
DM: 2. Platz
DLV-Jahresbestenliste: 1.
Europäische Bestenliste: 29.
Welt-Jahresbestenlisten: 134. 

Hannes Liebach

SCC Berlin, 29 Jahre
SB: 8:39,15 min | PB: 8:39,15 min (2016)
DM: 1. Platz
DLV-Jahresbestenliste: 3.
Europäische Bestenliste: 38.
Welt-Jahresbestenlisten: 169.

Fabian Clarkson

SCC Berlin, 29 Jahre
SB: 8:37,05 min | PB: 8:37,05 min (2016)
DM: 4. Platz
DLV-Jahresbestenliste: 2.
Europäische Bestenliste: 32.
Welt-Jahresbestenlisten: 152.

Internationale Top Acht-Platzierungen 2016

Olympische Spiele: keine
EM: keine
U20-WM: keine
U18-EM: keine

Der Hoffnungsträger 

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail patrick-karl _blank>Patrick Karl

TV Ochsenfurt, 20 Jahre 

Der schnellste Deutsche der Saison schultert auch die größten Hoffnungen. Für den 20-Jährigen war dieses Jahr eine Saison, in der er Zeit hatte, sich zu entwickeln. Ohne Normdruck, denn in seiner Altersklasse standen in diesem Sommer keine internationalen Meisterschaften auf dem Programm. Ein Jahr, dass der Silbermedaillengewinner der U20-EM des Vorjahres hervorragend genutzt hat, konnte er doch seine Bestzeit um starke zwölf Sekunden auf 8:35,93 Minuten steigern.

Der Pechvogel 

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail martin-grau _blank>Martin Grau

LSC Höchstadt/Aisch, 24 Jahre
SB: 8:45,65 min min | PB: 8:24,29 min (2014)

Es war zu viel von allem. Zu viel Training, zu hohe Erwartungen, zu viele kleine körperliche Probleme. Das Olympia-Jahr war ein Jahr zum Vergessen für den Deutschen Meister von 2015. Die Norm von 8:30 Minuten – zu hoch unter diesen Voraussetzungen. EM, Olympia – all das sah Martin Grau nur vom heimischen Sofa aus. Die letzten Wochen standen daher ganz im Zeichen der Erholung für Körper und Kopf, denn im kommenden Sommer will der 24-Jährige wieder international dabei sein. 

Fazit des Bundestrainers

Werner Klein, wie fällt Ihre Bilanz für das Olympia-Jahr 2016 aus?

Werner Klein:

Die Olympia-Saison verlief für den Bereich Männer Hindernis sehr enttäuschend. Weder bei der EM in Amsterdam noch in Rio waren wir vertreten. Leider konnte die Entwicklung in der Spitze nicht weitergeführt werden, sodass der Abstand international noch größer geworden ist. Der Ausfall von Martin Grau hat uns dabei besonders getroffen. Die Gründe sind vielschichtig und werden in Ruhe analysiert.

Grundsätzlich glaube ich schon, dass das Potenzial im Kader vorhanden ist, um bei internationalen Meisterschaften, zumindest in Europa, erfolgreich sein zu können. Patrick Karl hat einen guten Einstieg in die Männerklasse gehabt und eine gute Entwicklung, mit einem bemerkenswerten Leistungssprung, genommen. Leider wurde er durch eine Pollenallergie im Vorfeld der Deutschen Meisterschaften erheblich geschwächt und war somit nur sehr eingeschränkt leistungsfähig.

Insgesamt ist festzustellen, dass in der Breite ein leichter positiver Trend zu erkennen ist. Dies zeigt sich auch im 10er Schnitt. Die Heim-EM 2018 in Berlin hat schon jetzt eine hohe Motivation ausgelöst. Ganz besonders kann dies bei den beiden Berlinern Hannes Liebach und Fabian Clarkson einen Leistungsschub mit sich bringen. Hannes Liebach hat mit dem DM-Titel einen ersten Schritt in die richtige Richtung getan.

Was war für Sie das ganz persönliche Highlight?

Werner Klein:

Das richtige Highlight hat ehrlicherweise gefehlt, dafür waren die Erwartungen und gesteckten Ziele im Vorfeld zu hoch. Trotzdem ist die Entwicklung von Patrick Karl sehr erfreulich und gibt Hoffnung für die kommenden Aufgaben und Meisterschaften.

Worin sehen Sie die Aufgaben und Ziele für die kommende Saison?

Werner Klein:

In der kommenden Saison stehen ganz klar die U23-Europameisterschaften im Vordergrund. Dort zählt Patrick Karl zu den Medaillen-Kandidaten und kann den nächsten Leistungsschritt, auch in Richtung EM 2018, einleiten. Ziel für alle anderen muss es aber sein, die Lücke zur europäischen Spitze zu schließen und eine gute Ausgangsposition für die EM 2018 zu erarbeiten, denn dort wollen wir erfolgreich sein. Das langfristige Ziel 2020 Tokio bleibt klar im Fokus.

Statistik – Das sagen die Zahlen

Die zehn Jahresbesten

8:35,93 min - Patrick Karl (TV Ochsenfurt)
8:37,05 min - Fabian Clarkson (SCC Berlin)
8:39,15 min - Hannes Liebach (SCC Berlin)
8:39,97 min - Tim Stegemann (Erfurter LAC)
8:42,32 min - Nico Sonnenberg (LG Eintracht Frankfurt)
8:44,60 min - Philipp Reinhardt (LC Jena)
8:45,65 min - Martin Grau (LSC Höchstadt/Aisch)
8:46,95 min - Johannes Motschmann (SC Magdeburg)
8:50,01 min - Felix Hentschel (LG Bamberg)
8:51,24 min - Lennart Mesecke (LG Nord Berlin)

Entwicklung des Spitzenniveaus

JahrAthleten < 8:26,00Schnitt Top Ten
2005 Filmon Ghirmai (8:22,37) 8:38,57
2006 keiner 8:46,74
2007 Filmon Ghirmai (8:22,23) 8:45,19
2008 keiner 8:50,96
2009 keiner 8:51,53
2010 Steffen Uliczka (8:25,39) 8:46,47
2011 keiner 8,49,28
2012 Steffen Uliczka (8:22,93) 8:46,44
2013 Steffen Uliczka (8:23,57) 8:47,73
2014 Martin Grau (8:24,39) 8:44,29
2015 keiner 8:45,84
2016 keiner 8:43,33

Das fällt auf

  • Zwar zeigt der Zehnerschnitt im Vergleich zum Vorjahr wieder ansteigende Tendenz, aber noch nie seit Beginn dieser Analyse war die deutsche Jahresbestzeit an der Spitze so schwach wie in diesem Jahr.
  • Seit 2005 war aber auch kein Jahresbester über die Hindernisse so jung wie Patrick Karl.

Entwicklung Jahresbestleistungen

JahrDeutschlandEuropaDiff.WeltDiff.
2005 8:22,37 (F. Ghirmai) 8:04,95 (Vroemen/NED) 17,42 7:55,51 (Shaheen/OAT) 26,86
2006 8:33,76 (F. Ghirmai) 8:09,53 (Tahri/FRA) 24,23 7:56,32 (Shaheen/OAT) 37,34
2007 8:22,23 (F. Ghirmai) 8:05,75 (Mohammed/SWE) 16,48 7:58,80 (Koech/KEN) 23,43
2008 8:26,66 (F. Ghirmai) 8:08,96 (Mekhissi/FRA) 18,71 8:00,57 (Koech/KEN) 26,09
2009 8:26,18 (S. Uliczka) 8:01,18 (Tahri/FRA) 25,00 7:58,85 (Kemboi/KEN) 27,33
2010 8:25,39 (S. Uliczka) 8:02,52 (Mekhissi/FRA) 23,87 8:00,90 (K.Kipruto/KEN) 24,49
2011 8:26,43 (S. Uliczka) 8:02,09 (Mekhissi/FRA) 24,34 7:53,64 (K.Kipruto/KEN) 32,79
2012 8:22,93 (S. Uliczka) 8:10,90 (Mekhissi/FRA) 12,03 7:54,31 (Koech/KEN) 28,62
2013 8:23,57 (S. Uliczka) 8:00,09 (Mekhissi/FRA) 23,48 7:59,03 (Kemboi/KEN) 24,54
2014 8:24,39 (M. Grau) 8:03,23 (Mekhissi/FRA) 21,16 7:58,41 (Birech/KEN)25,98
2015 8:31,55 (M. Grau) 8:18,38 (Kowal/FRA) 13,17 7:58,83 (Birech/KEN)32,72
2016 8:35,93 (P. Karl) 8:08,15 (Mekhissi/FRA) 27,78 8:00,12 (C. Kipruto/KEN)35,81

Das fällt auf

  • Zwischen den DLV-Athleten und der Hindernisspitze klafft eine kleine Welt. Der Abstand zur internationalen Spitze war seit 2006 nicht mehr so groß, im Vergleich mit der kontinentalen Spitze muss man gar über das Jahr 2005 hinaus gehen.
  • Erstmals seit 2010 ist der Schnellste der Welt nicht unter acht Minuten geblieben.
  • Die europäische Spitze ist seit neun Jahren fest in französischer Hand, Mahiedine Mekhissi-Benabbad hat sie im Olympia-Jahr wieder zurückerobert.

Video-Clips

U23-DM:<link video:14827> Gänsehaut-Finish zwischen Karl und Reinhardt
U20-DM:<link video:15031> Lennart Mesecke läuft mit deutscher U20-Jahresbestzeit zum Titel
U18-DM: <link video:15034>Julius Hilds Mut wird mit Gold belohnt
U18-DM: <link http: www.leichtathletik.de tv video-detail detail julius-hild-ich-habe-im-callroom-getanzt _blank>Julius Hild: "Habe im Callroom getanzt"

Die Disziplin-Analysen im Überblick:

<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2016-sprint-maenner _blank>Männer – Sprint<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2016-sprint-frauen _blank>
Frauen – Sprint<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-langsprint-maenner _blank>
Männer – Langsprint<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-langsprint-frauen _blank>
Frauen – Langsprint<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2016-mittelstrecke-maenner _blank>
Männer – Mittelstrecke
<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-langstrecke-maenner>Frauen – Mittelstrecke
Männer – Langstrecke
<link news:50879>Frauen – Langstrecke
<link news:50853>Männer – Hürdensprint
<link news:51009>Frauen – Hürdensprint
<link news:50841>Männer – 400 Meter Hürden
<link news:50847>Frauen – 400 Meter Hürden

 

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