| Stabhochsprung

Stefan Ritter: Bundestrainer mit Geduld, Auge und Fingerspitzen-Gefühl

Im Juni 2013 begann Stefan Ritter, für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) den weiblichen Stabhochsprung-Nachwuchs zu betreuen. Nur rund vier Jahr später wurde der 33-Jährige zum Bundestrainer der Frauen berufen. Für seinen Traum-Job hat der Potsdamer sogar seine berufliche Laufbahn als Lehrer unterbrochen.
Pamela Ruprecht

In der Jugend hatte sich Stefan Ritter selbst als Stabhochspringer versucht, er kam bis über 4,71 Meter. Von seinem kleinen Heimatverein zog es den gebürtigen Jüteborger damals an den Olympiastützpunkt nach Potsdam, wo auch sein Talent für den Trainer-Beruf entdeckt wurde. "Mein Trainer hat relativ schnell festgestellt, dass ich ein gutes Auge habe, gut mit Menschen klarkomme und die nötige Geduld mitbringe, um ihnen Dinge näher zu bringen", sagt der heute 33-Jährige. Treibende Kraft: Sein Mentor Toralf Neumann, der heute U18-Vize-Weltmeisterin Leni Freyja Wildgrube (SC Potsdam) betreut.

Schon in seinem Abitur-Jahr 2004 begann Stefan Ritter, seinen Coach beim Technik-Training zu unterstützen. Die Beiden arbeiten auch heute noch in einem Trainer-Team zusammen und bilden viele gute Stabhochspringer aus. Stefan Ritter kann sich relativ schnell in die komplexe Bewegung hineinversetzen und jungen Athleten mit seinen Ideen rasch helfen, ihre Leistungen zu verbessern. "Mein Vorteil ist, dass ich schnell einen Draht zu den Menschen finde."

Neben sozialer Kompetenz bringt Stefan Ritter auch eine fundierte fachliche Ausbildung mit in den Trainer-Job. Nach seinem Lehramtsstudium der Fächer Wirtschaft und Sport an der Universität Potsdam absolvierte er die A-Trainer-Ausbildung Stabhochsprung/Sprung an der DLV-Akademie in Mainz. Die anspruchsvolle und risikoreiche Disziplin verlangt auch, die Sportler mental richtig einzustellen. Mit steigendem Niveau wächst das Risiko, die Kontrolle über die Bewegungen wird schwieriger. Es gilt den Athleten aufzuzeigen, wie sie Sicherheit gewinnen können, obwohl sie über ihre Grenzen gehen.

Heim-Trainingsgruppe in Potsdam mit Friedelinde Petershofen

Zu seiner Heimtrainingsgruppe gehören WM-Teilnehmerin Friedelinde Petershofen (SC Potsdam) und die Inhaberin der deutschen W15-Bestleistung Stina Seidler, die aus Bremen kam. Zwischenzeitlich führte der junge Stabhochsprung-Coach Annika Roloff (MTV 49 Holzminden) 2016 zu den Olympischen Spielen und Anjuli Knäsche (SG TSV Kronshagen/Kieler TB) 2017 zur Universiade, ehe sich die Wege wieder trennten.

Auch einige männliche Springer zählen zu seinen Schützlingen, diese seien "noch" nicht bekannt. Mit zwei Stadien (eines davon derzeit baufällig), Leichtathletik-Halle, Turnhalle und Kraftraum gibt es im Sportpark Luftschiffhafen sehr gute Bedingungen für Stabhochspringer.

Mit welchem Engagement und welcher Leidenschaft Stefan Ritter bei der Sache ist, veranschaulicht sein Coaching von der Tribüne im vergangenen Sommer bei den U18-Weltmeisterschaften in Nairobi (Kenia). Mit Händen und Füßen (<link https: www.facebook.com leichtathletikde videos _blank link zum>zum Video auf Facebook) vermittelte er Leni Freyja Wildgrube in der kritischen Phase des Finals über die weite Entfernung und entgegen aller Lautstärke im tobenden Stadion technische Anweisungen. Visualisierung ist eines seiner Mittel. Mit Erfolg eingesetzt: Die junge Athletin holte in Nairobi die Silbermedaille.

Plan-Änderung: Bundestrainer statt Referendariat

Der Weg in die hauptamtliche Tätigkeit als Stabhochsprung-Trainer hatte 2013 für den Ex-Athleten überraschend Fahrt aufgenommen: Stefan Ritter war in Berlin als Nachwuchstrainer für Allgemeine Leichtathletik tätig und hatte Carlo Paech übernommen, als sich dieser mit seinem Mentor Toralf Neumann verworfen hatte – da sprach ihn der damalige Stabhochsprung-Teamleiter im DLV Jörn Elberding an: Er suche einen neuen Nachwuchsbundestrainer, weil Thomas Weise im Sportinternat Bad Sooden-Allendorf stark eingespannt sei. "Ich bin nicht abgeneigt", sagte Stefan Ritter spaßeshalber. Nach weiteren Gesprächen mit der sportlichen DLV-Leitung wurde aus Spaß schnell Ernst.

Und auch der Schritt zum Aktiven-Bundestrainer kam trotz seiner guten Arbeit eher unerwartet. Eigentlich wollte Stefan Ritter im Herbst 2018 nach Ende seines Trainer-Vertrages das zweijährige Referendariat machen, das ihm noch für den Abschluss der Lehrer-Ausbildung fehlt. Doch der Weg sollte stattdessen weiter in die Stabhochsprung-Szene führen.

Kommunikation und Organisation

Nach dem Wechsel von Teamleiter und Männer-Bundestrainer Jörn Elberding in den Geschäftsführer-Posten des TSV Bayer 04 Leverkusen wurden im Herbst 2017 dessen Stellen vakant. Andrei Tivontchik, Coach von Raphael Holzdeppe (LAZ Zweibrücken), übernahm – und hinterließ das Amt des Frauen-Bundestrainers, das Stefan Ritter angeboten wurde. Nach kurzer Bedenkzeit war klar: "Das ist der größte Job, den du im Sport machen kannst." Das Referendariat muss erstmal warten. Mit der neuen Teamleiterin und früheren Weltklasse-Stabhochspringerin Christine Adams hat der neue Frauen-Bundestrainer schon im Nachwuchsbereich bestens zusammengearbeitet.

Als Nachwuchsbundestrainer ging es darum, Heim- und Techniktraining von Talenten in professionellere Bahnen zu lenken. Viele der gestandenen Kaderathletinnen, die Stefan Ritter jetzt betreut, sind dagegen bereits Profis in dem, was sie machen. Statt einer Lehrer-Rolle ist regelmäßiger Austausch auf Augenhöhe das Wichtigste, um bei Problemen aushelfen zu können. Also Kommunikation und Organisation.

Berlin 2018: Potenzial in der Disziplin

In seinem ersten Jahr in neuer Rolle steht für Stefan Ritter ein absolutes Highlight an. Für die EM in Berlin (7. bis 12. August) sieht der Frauen-Bundestrainer gute Aussichten für Top-Acht-Platzierungen. "Lisa hat ja schon gezeigt, dass sie in der Lage ist, in Höhenbereiche zu springen, in denen es um Medaillen geht", sagt er über Vize-Europameisterin Lisa Ryzih. Katharina Bauer (TSV Bayer 04 Leverkusen; PB: 4,65 m) ist nach Verletzungsrückschlägen auf dem besten Weg zurück. Einer Handvoll weiterer DLV-Athletinnen traut er die Norm von 4,45 Metern und das EM-Finale zu.

Zum letzten Feinschliff ist das Stabhochsprung-Team (Männer und Frauen) am Freitag nach Südafrika geflogen. Trainingslager im bewährten Stellenbosch, bevor die Qualifikationswettkämpfe für die Heim-EM beginnen. Eine große Rolle spielt im entscheidenden Moment der Kopf. "Man muss frei sein und darf die Leistung nicht erzwingen wollen", meint Stefan Ritter. Wenn die Athletinnen die Bestleistung ihres Bundestrainers übertrumpfen, kann es im Berliner Olympiastadion weit nach vorne gehen.

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024