| Interview der Woche

Nadine Hildebrand: „Im Sinne der Athleten Lösungen finden“

Nadine Hildebrand startete als Hürdensprinterin bei Olympischen Spiele, Welt- und Europameisterschaften. Aktuell ist die Athletensprecherin im Deutschen Leichtathletik-Verband und setzt sich auch in der aktuellen Coronakrise für die Belange der Athleten ein. Im Interview spricht die 32-Jährige über die Gefühle der Athleten, den Marathon an Telefonkonferenzen hinter den Kulissen und überlegt, was ihr in dieser Situation Halt gegeben hätte.
Alexandra Dersch

Nadine Hildebrand, Corona hat unser aller Leben verändert. Wie erleben Sie die derzeitige Situation?

Nadine Hildebrand:

Da ich Anfang März noch im Skiurlaub in Tirol war, bin ich nun schon etwas länger im Homeoffice – zur Sicherheit. Kurz danach wurden aber auch alle anderen Kollegen in meiner Rechtsanwaltskanzlei ins Homeoffice geschickt. Mir geht es gesundheitlich aber gut, keine Sorge, ich hatte auch keinerlei Symptome des Coronavirus. Es ist aber generell natürlich für uns alle eine Situation, auf die wir uns gedanklich nicht vorbereiten konnten und die wir nun gemeinsam meistern müssen.

Sie sind nicht nur im beruflichen Leben Rechtsanwältin, sondern auch selber ehemalige Hürdensprinterin und Athletensprecherin im DLV. Welche Gefühle werden vonseiten der Athleten derzeit an Sie herangetragen?

Nadine Hildebrand:

Die Athleten erleben die derzeitige Lage ganz unterschiedlich und in der ganzen Bandbreite an Gefühlen. Es sind Reaktionen zwischen Schock, Traurigkeit, Verständnis und natürlich auch existenzielle Ängste. Ich kann diese Sorgen und Gefühle nachvollziehen, es ist für uns alle eine ganz neue Situation, in der der Sport, so ehrlich muss man auch sein, ein Stück zurücktreten muss. Die Gesundheit aller, der ganzen Weltbevölkerung, steht auf dem Spiel. Dessen müssen wir uns alle bewusst sein, so groß unsere persönlichen Ängste auch sein mögen.

Derzeit laufen im Hintergrund viele Abstimmungen, um dennoch auch auf sportlicher Ebene auf die Corona-Pandemie zu reagieren und um sich auf Sportebene auf die Zeit nach Corona vorzubereiten. Inwieweit sind Sie hier auch eingebunden?

Nadine Hildebrand:

In letzter Zeit war ich in vielen Telefonkonferenzen mit dabei. Es gab Gespräche mit der DLV-Führung, mit dem DOSB und den Athleten Deutschlands. Was ich gerade aus anderen Sportarten dort gehört habe, hat mir gezeigt, dass wir als Leichtathleten verhältnismäßig gut dastehen und insgesamt gut aufgestellt sind. So hat etwa auch der Weltverband direkt gesagt, dass er die WM 2021 im Zweifel verschiebt und die Qualifikation entsprechend anpassen wird. Insgesamt war es jetzt wichtig für alle, dass wir eine Entscheidung haben, was die Olympischen Spiele in diesem Jahr angeht. Wichtig war auch, dass die Athleten die Gewissheit haben, dass die Förderung weiterläuft und sie hier keine Einbußen befürchten müssen. Das gibt uns Zeit, einmal durchzuatmen und neu zu sammeln.

Und dennoch denken viele Athleten direkt weiter – kein Wunder, sind doch viele Fragen offen. Thema Terminfindung der Olympischen Spiele, oder auch Qualifikationskriterien…

Nadine Hildebrand:

Absolut. Das sind alles Fragen, auf die wir Antworten brauchen. Denn ohne Termin für die Olympischen Spielen, können auch keine Qualifikationskriterien festgeschrieben werden. Da wartet der nächste Marathon an Telefonkonferenzen. Wichtig ist, dass wir im Sinne der Athleten Lösungen finden, damit sie weiter planen können. Denn ohne Plan ist auch ein Training oft schwierig – zusätzlich zu den ohnehin aktuell schon schwierigen Trainingsbedingungen.

Was glauben Sie? Was hätte Ihnen in der aktuellen Situation als aktive Athletin Halt gegeben? Halt, um weder Form noch Fassung zu verlieren?

Nadine Hildebrand:

Ich hätte versucht, mich festzuhalten an den Entscheidungen, die bereits gefallen sind. Eben etwa, dass die Förderung fortgesetzt wird. Dass Olympia 2021 stattfinden wird. Diese Gewissheiten haben wir. Und darauf hätte ich meinen Olympischen Traum weiter aufgebaut. Von Tag zu Tag geschaut. Denn langfristige Pläne sind derzeit nicht möglich, da ist die Chance, dass man doch wieder alles über den Haufen werfen muss, einfach zu groß. Darüber hätte ich mir versucht, bewusst zu machen, dass die aktuelle Trainingslage, eben auch kein festes Ziel zu haben, für das man trainiert, auch eine Art der Vorbereitung auf das Leben nach dem Leistungssport sein kann. Es schult das Bewusstsein, warum wir Sport machen: Eben weil wir den Sport an sich lieben.

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