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Owen Ansah – Initialzündung dank Sebastian Bayer

Einige junge Aufsteigerinnen und Aufsteiger, ein Außenseiter, aber auch Athletinnen und Athleten, die schon seit Jahren zur DLV-Spitze zählen, haben bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig im zurückliegenden Sommer ihren ersten Titel auf nationaler Ebene gewonnen. Wir stellen sie vor, heute Sprinter Owen Ansah (Hamburger SV).
Jan-Henner Reitze

Owen Ansah
Hamburger SV

Bestleistungen:

100 Meter: 10,32 sec (2021)
200 Meter: 20,35 sec (2021)

Erfolge:

Gold World Relays 2021 (4x200 Meter)
Deutscher Meister 2021

Es tut sich etwas im Männer-Sprint im DLV. Der angelaufene Generationswechsel hat 2021 nochmal zusätzlich Fahrt aufgenommen. Dabei mischt jetzt neben den Trainingsgruppen in Leipzig, Erfurt oder Wetzlar eine weitere ganz vorne mit: die von Sebastian Bayer in Hamburg. Lucas Ansah-Peprah und Owen Ansah (beide Hamburger SV) haben den Durchbruch in die nationale Spitze und den Sprung ins Olympia-Team geschafft.

Owen Ansah gelang es sogar, bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig den Titel über 200 Meter (20,89 sec) zu ersprinten. Ein rasanter Aufstieg für den 20-Jährigen, der zuvor bei nationalen Nachwuchsmeisterschaften im Einzel nie auf dem Podium gestanden hatte. Sein größter Erfolg als U20-Athlet war Rang fünf bei der Jugend-DM 2019 über 200 Meter (21,70 sec).

Seine Entwicklung verbindet der Aufsteiger eng mit seinem Trainer und Mitstreiter Lucas Ansah-Peprah, mit dem ihn einerseits ein freundschaftliches Verhältnis verbindet und der anderseits die gleichen Ziele verfolgt und damit in jeder Trainingseinheit ein ernstzunehmender Konkurrent ist. „Das ist wie ein Push“, erzählt Owen Ansah, der von dieser Konstellation weiter profitieren möchte und in den kommenden Jahren weitere Starts im Nationaltrikot anstrebt, möglichst auch im Einzel bei großen Meisterschaften.

Behutsamer Beginn, erste Erfolge in der U20

Auf die Idee, es mit der Leichtathletik zu probieren, ist Owen Ansah durch seinen früheren Sportlehrer gekommen. „Als ich in der 7. Klasse war, hat er zu mir gesagt: Du bist schnell“, berichtet der Sprinter, der daraufhin von einem Freund zum Training beim Athletik Team Hamburg mitgenommen wurde. Dort traf er auch erstmals auf seinen heutigen Trainingspartner Lucas Ansah-Peprah.

Neben dem Sprint versuchte sich Owen Ansah zu Beginn seiner Karriere auch im Weitsprung, steigerte seine Leistungen stetig, gehörte erst einmal aber noch nicht zu den dominierenden Athleten seines Jahrgangs 2000 im DLV. Als U18-Athlet sprintete er die 100 Meter im Jahr 2017 beispielsweise in 11,41 Sekunden. „Ich habe etwa dreimal pro Woche trainiert. Es war alles noch nicht so professionell. Aber im Hinterkopf war schon der Traum, es vielleicht einmal bis zu Olympischen Spielen zu schaffen“, erinnert sich der heutige Leistungssportler.

Die wachsende Begeisterung und der aufkommende Leistungsgedanke führten mit dem Aufstieg in die Altersklasse U20 zum Wechsel zum Hamburger SV in die Trainingsgruppe von Timo Knoth. Diesen Schritt ging parallel auch Lucas Ansah-Peprah. Vor allem wegen der Staffel zahlte sich diese Entscheidung sofort aus. Bei der Jugend-Hallen-DM 2018 lief das HSV-Quartett mit den beiden Neuzugängen auf Rang vier über 4x200 Meter, ein Jahr später sogar zu Silber.

Und auch seine Einzelzeiten verbesserte Owen Ansah weiter: 11,19 Sekunden über 100 Meter und 22,48 Sekunden über 200 Meter ermöglichten 2018 die ersten Einzelstarts bei der Jugend-DM in Rostock. Ein Jahr später schraubte der Nachwuchsathlet seine Bestzeiten auf 10,68 sowie 21,44 Sekunden und erreichte bei der Jugend-DM in Ulm den fünften Platz über 200 Meter.

Sebastian Bayer übernimmt Trainerrolle

Während der damalige U20-Athlet seine ersten Erfolge im HSV-Trikot feierte, beendete der Hallen-Europarekordler im Weitsprung Sebastian Bayer, viele Jahre Aushängeschild des Vereins, seine aktive Karriere und nahm seine Tätigkeit als Leistungskoordinator und Trainer auf. Zuerst kümmerte sich der dreimalige Europameister vor allem ums Krafttraining der HSV-Athleten und den Weitsprung, mehr und mehr aber auch um das Thema Sprint. Ende 2019 übernahm er schließlich komplett auch die Betreuung von Owen Ansah und Lucas Ansah-Peprah.

„Es haben sich viele Kleinigkeiten geändert. Es ist professioneller geworden. Einige Details habe ich noch einmal ganz neu gelernt, zum Beispiel wie ich schneller aus dem Startblock rauskomme. Die Auswirkungen der veränderten Kleinigkeiten wurden immer größer“, erzählt Owen Ansah. Hinzu komme die Dynamik durch einen gemeinsamen Spirit. „Die Zusammenarbeit mit Sebastian und Lucas ist ein ganz enges Ding geworden.“

Gleich bei seinen ersten Deutschen Hallenmeisterschaften in der Männerklasse lief der damals 19-Jährige in Leipzig in 21,15 Sekunden zu Bronze über 200 Meter. Im durch Corona schwierigen Sommer 2020 blieb er in 20,95 Sekunden erstmals unter 21 Sekunden und verbesserte sich über 100 Meter bis auf 10,45 Sekunden.

Durchbruch in nationale Spitze

Der zurückliegende Sommer brachte dann den endgültigen Durchbruch in die nationale Spitze. Bei der Staffel-WM in Chorzów (Polen) gehörte Owen Ansah nicht nur zum siegreichen DLV-Quartett über 4x200 Meter,  sondern blieb fliegend sogar unter 20 Sekunden (19,96 sec). Auch bei der Team-EM an gleicher Stelle durfte er ins Nationaltrikot schlüpfen und gehörte zur siegreichen 4x100-Meter-Staffel (38,73 sec).

Nach seinem Triumph bei den Deutschen Meisterschaften über 200 Meter erfolgte auch die Nominierung für den olympischen Staffelpool, in den Rennen von Tokio (Japan) kam der Hamburger allerdings nicht zum Einsatz. Nach den Olympischen Spielen gelang bei windigen, aber regulären Bedingungen in La Chaux-de-Fonds (Schweiz) noch die Steigerung der 200-Meter-Bestzeit auf 20,35 Sekunden.

Ein Jahr auf völlig neuem Niveau und auf bisher unbekannten Bühnen, von denen sich Owen Ansah aber nicht aus der Ruhe bringen lassen wollte. „Natürlich war auch die Aufregung bei meinen internationalen Einsätzen größer. Ich habe dennoch versucht, alles wie immer zu machen und cool zu bleiben.“

International mitmischen, sich national einen Namen machen

Seinen eingeschlagen sportlichen Weg möchte Owen Ansah weitergehen, doch auch beruflich hat er schon eine Grundlage gelegt: Eine abgeschlossene Ausbildung als sozialpädagogischer Assistent ist bereits in der Tasche, ein darauf aufbauendes Studium in den nächsten Jahren nicht ausgeschlossen. Erst einmal steht aber der Sport im Vordergrund, was die Aufnahme in die Sportfördergruppe der Bundeswehr ermöglicht. Die Grundausbildung ist gerade absolviert, gemeinsam mit Lucas Ansah-Peprah.

Die 200 Meter sollen erst einmal die Hauptstrecke bleiben. Ein testweiser Ausflug auf die 400 Meter ist allerdings nicht ausgeschlossen. Das erklärte Ziel sind möglichst viele weitere Rennen im Nationaltrikot. „Im nächsten Jahr ist vor allem die Heim-EM in München das Ziel, aber auch die WM. Ich möchte möglichst immer bei den internationalen Meisterschaften dabei sein, auch bei Olympia 2024 in Paris“, erklärt der Hamburger. „In Deutschland möchte ich mir einen Namen machen.“ Die mit seiner Bestzeit schon einmal unterbotene 200-Meter-Norm für die Heim-EM in München von 20,46 Sekunden lässt ihn auch auf den ersten Einzelstart bei einer großen Meisterschaft hoffen.

Video-Interview: Owen Ansah: "Vielleicht auch mal ein Test über 400 Meter"
Video: Owen Ansah stürmt nach 100-Meter-Fehlstart zum 200-Meter-Titel

Das sagt Bundestrainer Ronald Stein:

„Owen hat sich in diesem Jahr extrem gut entwickelt. Schon in der Hallensaison war er mit 21,05 Sekunden über 200 Meter sehr schnell, diese Strecke war allerdings bei der Hallen-DM wegen Corona nicht im Programm. Auch über 60 Meter hat er sich auf 6,72 Sekunden gesteigert. Deshalb haben wir ihn zur Staffel-WM mitgenommen, wo er absolut überzeugt hat. Die gesamte Saison lief wie am Schnürchen, er ist gesund durchgekommen und hat sich immer weiter verbessert. Seine 20,35 Sekunden sind in diesem jungen Alter sehr stark und wir hoffen, dass die Entwicklung noch nicht am Ende ist.

Schnelligkeitsausdauer und Maximalgeschwindigkeit sind schon auf einem guten Niveau. Reserven gibt es noch am Start und in der Beschleunigung, was auch der Vergleich der 200 Meter mit der 100-Meter-Leistung zeigt. Mit Sebastian Bayer hat Owen einen Trainer, mit dem er an diesen Reserven feilen wird. Ich sehe das Potential für eine tiefe 10,20 im kommenden Jahr über 100 Meter, was ihm dann auch noch schnellere Zeiten über 200 Meter ermöglichen würde.

Er ist absolut auch ein Kandidat für die Sprintstaffel, auch wenn er in Tokio nicht zum Einsatz kam. Auf den Geraden war die Konkurrenz in diesem Jahr extrem stark, für die Kurve war er noch nicht so weit. Aber für die Zukunft ist er auch ein Kandidat für die Position drei. Owen ist ein ruhiger Athlet, der konzentriert und selbstreflektiert arbeitet. Die Entscheidung, dass er in Tokio nicht gelaufen ist, hat er sportlich aufgenommen. Er hat daraus weitere Motivation geschöpft, künftig auf der Bahn dabei sein zu wollen und sich weiter zu verbessern.“

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